VwGH 98/04/0190

VwGH98/04/019014.4.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der O R Gesellschaft m.b.H. & Co. KG in W, vertreten durch den zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt MMag. C in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 21. August 1998, Zl. IIa-53.005/4-98, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §13 Abs3;
GewO 1994 §87 Abs1 Z2;
GewO 1994 §87 Abs2;
GewO 1994 §13 Abs3;
GewO 1994 §87 Abs1 Z2;
GewO 1994 §87 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides entzog der Landeshauptmann von Tirol mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid vom 21. August 1998 der Beschwerdeführerin gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 GewO 1994 ein näher bezeichnetes Gewerbe. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging der Landeshauptmann davon aus, es sei mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 27. März 1997 ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beschwerdeführerin mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Im Zuge des Berufungsverfahrens seien Erhebungen beim Bezirksgericht Kufstein, Exekutionsabteilung, sowie bei der Tiroler Gebietskrankenkasse und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft durchgeführt worden. Den vom Bezirksgericht Kufstein übermittelten Registerausdrucken sei zu entnehmen gewesen, daß gegen die Beschwerdeführerin vor allem in den Jahren 1996 und 1997, aber auch bereits im Jahr 1998 insgesamt ca. 30 Exekutionsanträge betreibender Gläubiger mit Forderungen in einer Gesamthöhe von ca. S 441.600,-- eingebracht worden seien. Weiters habe die Tiroler Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom 13. Mai 1998 mitgeteilt, auf dem Beitragskonto der Beschwerdeführerin hafteten derzeit die Beträge für die Monate April 1996 bis Juli 1996 in der Höhe von S 48.007,48 offen aus. Eine Ratenvereinbarung bestehe nicht. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe keine Stellungnahme abgegeben. Die Beschwerdeführerin habe sich zu diesem Ermittlungsergebnis dahin geäußert, daß sie unverschuldet in diese Lage geraten sei, die die Exekutionen zur Folge gehabt habe. Bei einem Großteil der betriebenen Forderungen seien schon Teilbeträge bezahlt worden, wenngleich bis zur Gesamtbegleichung bzw. Einstellung noch der gesamte Betrag als offen ausgewiesen sei. "Die beiden größten Brocken", das wären ca. S 120.000,--, seien bereits bezahlt worden. Ein Großteil der noch ausstehenden Exekutionen betreffe kleine Summen. Die wirtschaftliche Lage lasse die Hoffnung zu, daß diese Beträge in nächster Zeit ebenfalls beglichen werden könnten. Die Forderung der Tiroler Gebietskrankenkasse sei hintangestellt worden, um vorerst die Lieferanten befriedigen zu können. Mit der Tiroler Gebietskrankenkasse sei vereinbart, die laufenden Zinsen zu bezahlen und eine entsprechende Ratenvereinbarung zu treffen. Die Bezahlung der laufenden Verbindlichkeiten erfolge entweder gegen Nachnahme, Vorauskasse oder Zahlung bei Übernahme/Abholung. In nächster Zeit sei auf Grund eines Urteiles des Obersten Gerichtshofes, mit dem ein Kunde zur Zahlung eines Betrages von S 83.760,-- samt Kosten und Vorschüssen verurteilt worden sei, mit Einnahmen zu rechnen. Weiters sei ein Betrag von S 600.000,-- von einem zweiten Teilhaber, der über S 1 Mio. unterschlagen habe, zur Hälfte eingefordert worden. Damit könnten alle Forderungen abgegolten werden und es wäre ein klagloser Geschäftsablauf möglich. Aus diesen Gründen sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin die weitere Gewerbeausübung jedenfalls im Interesse der Gläubiger gelegen. Aus diesem Vorbringen zog die belangte Behörde den Schluß, mangels entsprechender konkreter Angaben und Nachweise, in welcher Höhe sich die derzeit noch offenen Verbindlichkeiten beliefen, habe auf Grund der Ergebnisse des amtswegig durchgeführten Ermittlungsverfahrens davon ausgegangen werden müssen, daß noch eine Reihe von Forderungen betreibender Gläubiger offen aushafteten und diesbezüglich keine konkreten Vereinbarungen getroffen worden seien. Auch habe die Beschwerdeführerin keine Stellungnahme dazu abgegeben, inwiefern sie derzeit über liquide Mittel verfüge. Auf Grund der amtswegigen Erhebungen könne diesbezüglich jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, daß sie derzeit über Mittel verfüge, um alle vorhandenen und fälligen, nicht durch Zahlungsvereinbarungen regulierten Schulden zu tilgen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, daß die weitere Gewerbeausübung im Interesse der Gläubiger liege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Nichtentziehung der in Rede stehenden Gewerbeberechtigung verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt sie vor, sie sei im gesamten Verfahren unvertreten gewesen, weshalb die belangte Behörde die im § 13 a AVG normierte Manuduktionspflicht getroffen hätte. Da der Stellungnahme der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren zu entnehmen sei, daß sie die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Erfordernis der Verfügung über liquide Mittel nicht verstanden habe, hätte sie die belangte Behörde nochmals konkret auffordern müssen, die für die Anwendbarkeit des § 87 Abs. 2 GewO 1994 notwendigen Urkunden bzw. Unterlagen beizubringen. Wäre die belangte Behörde dieser Verpflichtung nachgekommen, so hätte die Beschwerdeführerin ihr Antwortschreiben bedeutend präziser gestaltet und behauptet und bescheinigt, daß auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden könne, daß sie auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen werde und die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden und Zahlungsvereinbarungen getroffen worden seien, sodaß § 87 Abs. 2 GewO 1994 anzuwenden sei. Davon abgesehen sei aus der Stellungnahme der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren deutlich ersichtlich, daß bereits Zahlungsverbindlichkeiten zur Gänze abgedeckt worden seien und mit der Tiroler Gebietskrankenkasse als Gläubiger möglicherweise eine Ratenvereinbarung getroffen worden sei. Weiters seien von der Beschwerdeführerin Einstellungsanträge zu fünf Exekutionsverfahren vorgelegt worden. Die belangte Behörde lege ihrer Entscheidung Ermittlungsergebnisse zugrunde, die auf Urkunden gegründet seien, die aus dem Mai 1998 stammten. Tatsächlich hätte sie aber zu prüfen gehabt, ob zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 87 Abs. 2 GewO 1994 gegeben gewesen seien. Wäre sie in dieser Form tätig geworden, hätte sie feststellen können, daß die Beschwerdeführerin zum einen Zahlungsvereinbarungen getroffen habe und zum anderen Zahlungen getätigt habe, sodaß § 87 Abs. 2 GewO 1994 zur Anwendung hätte kommen müssen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet mit diesem Vorbringen nicht das Vorliegen eines Entziehungsgrundes im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 GewO 1994, sie meint aber, die belangte Behörde hätte bei entsprechend gestaltetem Ermittlungsverfahren zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 erfüllt seien, wonach die Behörde von der im Abs. 1 Z. 2 dieser Gesetzesstelle vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen kann, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu dieser Bestimmung dargetan hat, ist die Gewerbeausübung nur dann "vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen", wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden kann, daß der Gewerbetreibende auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Hingegen ist es nicht schon allein entscheidungsrelevant, daß das entzogene Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden. Außer den bereits bestehenden Forderungen müssen somit die im Zusammenhang mit einer weiteren Gewerbeausübung zu erwartenden Verbindlichkeiten durch liquide Mittel beglichen werden können, um nicht eine Schädigung weiterer Gläubiger durch die fortgesetzte Gewerbeausübung eintreten zu lassen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 97/04/0147).

Um im vorliegenden Fall von der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 ausgehen zu können, hätte es somit des Nachweises bedurft, daß die Beschwerdeführerin über so viele liquide Mittel verfügt, daß sie alle gegen sie offenen Forderungen bei Fälligkeit, also gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung getroffener Zahlungsvereinbarungen, erfüllen kann. Daß dies der Fall sei, wurde von der Beschwerdeführerin, auch nach ihrem Vorbringen in der Beschwerde, im Verwaltungsverfahren nicht einmal behauptet. Es ergibt sich vielmehr aus ihrer im Berufungsverfahren erstatteten und im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Stellungnahme, daß es ihr nur gelungen sei, einen Teil der fälligen Forderungen zu begleichen, während hinsichtlich des Restes auf erst in der Zukunft zu erhoffende Einnahmen verwiesen wird.

Mit der in diesem Zusammenhang in der Beschwerde erhobenen Verfahrensrüge vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides deshalb nicht darzutun, weil gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nicht jeder der belangten Behörde unterlaufene Verfahrensverstoß zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen hat, sondern nur ein solcher, bei dessen Vermeidung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ist diese Relevanz des Verfahrensmangels nicht offenkundig, ist deren Darlegung Sache des Beschwerdeführers. Derartiges läßt die vorliegende Beschwerde aber vermissen, wird darin doch keineswegs vorgebracht, zu welchem konkreten Ermittlungsergebnis die belangte Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel gekommen wäre, also welche konkreten Zahlungen durch die Beschwerdeführerin und welche konkret getroffenen Zahlungsvereinbarungen sie hätte feststellen können. Die in der Beschwerde lediglich ganz allgemein enthaltene Behauptung, es seien nunmehr die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der fraglichen Verbindlichkeiten vorhanden und es seien Zahlungsvereinbarungen getroffen worden, reicht nicht aus.

Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 14. April 1999

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