VwGH 98/01/0485

VwGH98/01/048517.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des S in W, geboren am 13. April 1960, vertreten durch Dr. Axel Nepraunik, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 7, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 22. April 1998, Zl. MA 61/IV-A 519/92, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §32;
AVG §33 Abs4;
AVG §37;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs3;
StbG 1985 §11;
StbG 1985 §20 Abs1;
AVG §32;
AVG §33 Abs4;
AVG §37;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs3;
StbG 1985 §11;
StbG 1985 §20 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 22. April 1998 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines iranischen Staatsangehörigen, vom 22. Oktober 1992 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 und 11 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen. Der Beschwerdeführer lebe seit 1981 ununterbrochen in Österreich, sei ledig und verfüge über sehr gute Deutschkenntnisse. Er studiere seit 1982 Medizin an der Universität Wien und decke seinen Lebensunterhalt durch Zuwendungen eines im Ausland lebenden Familienmitgliedes. Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 19. Juli 1993 sei ihm die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert worden, daß er binnen zwei Jahren den Nachweis über das Ausscheiden aus dem iranischen Staatsverband erbringe. Der Beschwerdeführer habe nach Ausfolgung des Zusicherungsbescheides schriftlich ersucht, die iranische Staatsangehörigkeit aus familiären Gründen nicht zurücklegen zu müssen. Er sei am 27. Oktober 1993 niederschriftlich in Kenntnis gesetzt worden, daß eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an ihn nur möglich sei, wenn er binnen zwei Jahren ab Übernahme des Zusicherungsbescheides den Nachweis über das Ausscheiden aus dem iranischen Staatsverband erbringe. Die von ihm genannten Gründe machten das verlangte Ausscheiden nicht unzumutbar. Ehemalige Staatsbürger des Iran hätten grundsätzlich keine Verweigerung einer Sichtvermerkserteilung zu erwarten. Hierauf habe der Beschwerdeführer am 3. November 1993 eine beglaubigte Übersetzung aus dem Persischen vorgelegt, mit welchem er um den Austritt aus der Staatsbürgerschaft der islamischen Republik Iran angesucht habe. In der Folge kam hervor, daß nach Ablauf des letztgültigen Sichtvermerkes im Oktober 1993 für den Beschwerdeführer keine Aufenthaltsbewilligung mehr beantragt worden sei. Er sei 1994 wegen Urkundenunterdrückung zur Anzeige gebracht worden, das Verfahren habe mangels Schuldbeweises mit einem Freispruch geendet. Im Jahr 1995 sei der Beschwerdeführer durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Vergehen nach den §§ 146 und 147 Abs. 2 StbG (Betrug, schwerer Betrug) zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (im Nichteinbringungsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und am 8. April 1995 wegen Vergehen nach §§ 15, 105 Abs. 1, 83 Abs. 1 und 125 StbG (versuchte Nötigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, davon viereinhalb Monate Freiheitsstrafe bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden.

Der Beschwerdeführer habe die Bedingung im Zusicherungsbescheid nicht innerhalb der eingeräumten Frist erfüllt und auch keine Umstände dargelegt, die ihm die Entlassung aus dem iranischen Staatsverband unmöglich oder unzumutbar gemacht hätten. Der Zusicherungsbescheid habe am 3. September 1995 seine Gültigkeit verloren. Die belangte Behörde setzte fort:

"Herr A. ist während seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich mehrmals mit der Rechtsordnung seines Gastlandes in Konflikt geraten. Bereits 1994 wurde er wegen Urkundenunterdrückung zur Anzeige gebracht; das Verfahren endete mangels Schuldbeweises mit einem Freispruch. 1995 wurde er wegen unterschiedlicher Tatbestände innerhalb kürzester Zeit zweimal verurteilt. Da er jedoch bis 1994 während eines immerhin dreizehnjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht straffällig geworden ist, er sich seit seiner Letztverurteilung im April 1995 wohlverhalten hat, und diese Gesetzesübertretungen in einer schwierigen Phase seines Lebens (Probleme mit dem Studium, Zwangsräumung seiner Wohnung etc.) stattfanden, hat das Amt der Wiener Landesregierung auf Grund des gewonnenen Persönlichkeitsbildes den Schluß gezogen, daß bei Herrn A. das obzitierte Einbürgerungshindernis nicht vorliegt. Dies stellt aber keine Verpflichtung der Behörde dar, von dem ihr im § 11 StbG eingeräumten freien Ermessen im positiven Sinn Gebrauch zu machen. Vielmehr hat die Behörde nach Prüfung oben zitierter Verleihungsvoraussetzungen unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und des Gesamtverhaltens des Bewerbers zu entscheiden. Herr A. weist zwei ungetilgte gerichtliche Verurteilungen auf, er hält sich bereits seit 1993 ohne Aufenthaltsgenehmigung in Österreich auf. Der in der letzten Stellungnahme angeführte Hinweis, daß er mangels eines Reisepasses auch keine Aufenthaltsbewilligung haben kann, geht insoferne ins Leere, als seitens der Magistratsabteilung 62 auch Aufenthaltsbewilligungen in Bescheidform ausgestellt werden. So wurde er auch 1995 wegen unerlaubten Aufenthaltes in Österreich bestraft. Weiters studiert der Bewerber seit seiner Ankunft in Österreich und deckt seinen Lebensunterhalt ausschließlich durch Unterstützungen seiner Verwandten. Er ist somit keinesfalls in den österreichischen Arbeitsprozeß integriert.

Angesichts der dargelegten Umstände erscheint das Gesamtbild des Bewerbers nicht so einwandfrei, daß die Wahrung des öffentlichen Wohles und der öffentlichen Interessen gewährleistet erscheinen, somit kann eine positive Gesuchserledigung nicht in Betracht kommen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, daß die am 19. Juli 1993 gemäß § 20 StbG erfolgte Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft "trotz Zeitablaufes materiell nicht unwirksam sein könne".

Einem Fremden ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft zunächst für den Fall zuzusichern, daß er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist, wenn gewisse, im Gesetz aufgezählte Voraussetzungen gegeben sind. Eine solche Zusicherung ist in ihrer Gültigkeit von vornherein dadurch bedingt, daß der Einbürgerungswerber innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist. Der Fremde erwirbt durch diesen Bescheid einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft, der nur noch durch den befristet zu erbringenden Nachweis des Ausscheidens bedingt ist. Über die Form des Nachweises ist weiter nichts bestimmt, der Nachweis kann daher durch alle möglichen Beweismittel erbracht werden; es ist damit allerdings klargestellt, daß die Beweislast den Bewerber trifft. Entscheidend ist weiter, daß der Nachweis binnen zwei Jahren erbracht wird. Der Lauf dieser Frist beginnt mit Rechtskraft des Zusicherungsbescheides. Es handelt sich um eine materiell-rechtliche Frist, diese kann daher nicht erstreckt werden. Wird innerhalb der zweijährigen Frist der Nachweis des Ausscheidens nicht erbracht, so tritt der Bescheid ohne weiteres mit Ablauf der Frist außer Geltung, die Behörde hat diesfalls - ohne auf den vorangegangenen Zusicherungsbescheid eingehen zu müssen - über den Verleihungsantrag zu entscheiden (vgl. Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, Band II, Seite 270 ff). Es kann dahingestellt bleiben, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer den Nachweis über das Ausscheiden aus dem iranischen Staatsverband nicht erbracht hat. Dem Beschwerdeführer ist auf seine Behauptung, er habe "die iranische Staatsbürgerschaft innerhalb der gesetzten Frist tatsächlich aufgegeben", zu erwidern, daß er mit dem am 2. November 1993 vorgelegten Schreiben zwar ein Ansuchen um den Austritt aus der iranischen Staatsbürgerschaft vorgelegt hat, jedoch trotz mehrfacher Vorhalte der belangten Behörde keine Beweise angeboten hat, welche das mittlerweile erfolgte Ausscheiden des Beschwerdeführers aus dem iranischen Staatsverband zu belegen imstande gewesen wären. Daß der Beschwerdeführer überhaupt aus dem iranischen Staatsverband ausgeschieden ist, erscheint angesichts eines Schreibens der iranischen Botschaft vom 9. Juni 1997 zweifelhaft, weil mit diesem Schreiben nur bestätigt wird, daß der Beschwerdeführer seinen "Antrag auf Austritt aus dem iranischen Staatsverband bei unserer Botschaft abgegeben hat, der an die Islamische Republik Iran zur Bearbeitung weitergeleitet wurde". Der Beschwerdeführer hat zudem nicht dargelegt, daß er nach iranischem Recht bereits mit Antragstellung auf Ausscheiden aus dem iranischen Staatsverband samt Abgabe des Reisepasses die Staatsbürgerschaft verloren hätte. Die belangte Behörde ist daher im Recht, daß der Zusicherungsbescheid mangels Erfüllung der Bedingung außer Geltung getreten ist.

Gemäß § 11 StbG hat sich die Behörde bei der Ausübung des ihr im § 10 leg. cit. für die Verleihung der Staatsbürgerschaft eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen. Bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft ist gegebenenfalls besonders auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß der Fremde Flüchtling im Sinne der Konvention vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, oder des Protokolls, BGBl. Nr. 78/1974, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ist.

Die Behörde hat ihre Ermessensentscheidung so zu begründen, daß eine Überprüfung, ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, möglich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1997, Zl. 96/01/0311).

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde gehe selbst davon aus, daß die strafbaren Handlungen nicht den Ausschließungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG bildeten, sie dürften deshalb auch nicht für die Ausübung des Ermessens zu Ungunsten des Beschwerdeführers herangezogen werden. Diese Ansicht ist unzutreffend. Bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers als Grundlage für die Ermessensübung dürfen Gründe, die etwa zum Nachteil des Beschwerdeführers gereichen könnten, welche aber noch keinen Ausschließungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG bilden, miteinbezogen werden. Daß die belangte Behörde die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG bejaht, daß also der Beschwerdeführer nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, er sei zur Republik Österreich bejahend eingestellt und bilde keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit, schließt nicht aus, die festgestellten strafgerichtlichen Verurteilungen als so schwerwiegend zu werten, daß die Ausübung des Ermessens zum Nachteil des Beschwerdeführers ausfällt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Februar 1987, Zl. 87/01/0013, und vom 30. September 1997, Zl. 96/01/1224).

Des weiteren rügt der Beschwerdeführer, das Fehlen einer Aufenthaltsbewilligung werde ihm zu Unrecht vorgeworfen, da er das hiefür erforderliche Paßdokument bei der iranischen Botschaft abgegeben habe und damit die Grundlage für die Bewilligung fehle. Diese Rüge versagt schon deshalb, weil der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen nach Ablauf des letztgültigen Sichtvermerkes im Oktober 1993 gar keinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt hat. Es kann daher dahingestellt bleiben, welchen hypothetischen Verfahrensausgang ein derartiger Antrag allenfalls nehmen hätte können.

Wenn der Beschwerdeführer meint, es könne nicht negativ oder verwerflich sein, daß er ein Hochschulstudium absolviere, verkennt er den Inhalt des Bescheides. Denn die belangte Behörde hat keineswegs die bloße Tatsache des Studiums bewertet, sondern berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer während seines langen inländischen Aufenthaltes weder - selbständig oder unselbständig - beschäftigt gewesen sei, noch sein Medizinstudium seit dem Jahre 1982 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides mit Erfolg betrieben habe, sodaß er für seinen Unterhalt auf die Unterstützung seines Schwagers angewiesen sei. Die belangte Behörde hat damit dem Beschwerdeführer mangelnden Fleiß beim Studium bzw. eine mangelnde Arbeitsmoral vorgeworfen. Die Berücksichtigung einer derartigen Einstellung im Rahmen des Ermessenskriteriums des "Gesamtverhaltens" ist zulässig (vgl. zum Kriterium der mangelnden Arbeitsmoral etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1997, Zl. 96/01/0311, zum Kriterium eines von 1983 bis 1996 währenden Studiums ohne Abschluß das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 96/01/0764). Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß sein Medizinstudium bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht abgeschlossen war; die bloße Behauptung im Verwaltungsverfahren, er werde es zu einem ehebaldigen Abschluß bringen, ist nicht durch Vorlage entsprechender Studienzeugnisse untermauert.

Entgegen dem Vorwurf des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers sowie die Umstände, daß er während eines dreizehnjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet bis 1994 nicht straffällig geworden sei und sich seit seiner Letztverurteilung im April 1995 wohlverhalten habe und die Gesetzesübertretungen in einer "schwierigen Phase seines Lebens (Probleme mit dem Studium, Zwangsräumung seiner Wohnung etc.)" stattgefunden haben, zugunsten des Beschwerdeführers in die Beurteilung des Gesamtverhaltens miteinbezogen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag darin, daß die belangte Behörde den für die Einbürgerung des Beschwerdeführers sprechenden Umständen seines vormaligen Wohlverhaltens bis 1994 und des Fehlens weiterer Straffälligkeit seit der letzten strafgerichtlichen Verurteilung des Jahres 1995 und seines langen Aufenthaltes samt der daraus resultierenden Integration ein geringeres Gewicht beigemessen hat als den genannten, gegen die Einbürgerung sprechenden Umständen einen Ermessensmißbrauch oder eine Ermessensüberschreitung nicht zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Februar 1999

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