VwGH 98/01/0150

VwGH98/01/01508.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des EM in G, geboren am 31. Jänner 1969, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Februar 1998, Zl. 201.006/0-V/13/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Sudan, der am 22. Juni 1996 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 24. Juni 1996 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 24. und 28. Juni 1996 niederschriftlich einvernommen.

Die Behörde erster Instanz gab sein damaliges Vorbringen zu den Fluchtgründen in ihrem den Asylantrag abweisenden Bescheid vom 15. Juli 1996 folgendermaßen wieder:

"Sie seien Mitglied der SPLA (Sudanese Peoples Liberation Army) gewesen. Sie gehörten zur Bevölkerungsgruppe der Dinka; gelebt hätten Sie in der Stadt Waw, im Distrikt Bahr al Ghazal. Als Mitglied der SPLA seien Sie verwundet worden. Alle Mitglieder dieser Armee sollten von der Regierung umgebracht werden. Nach Ihrer Verwundung seien Sie für lange Zeit in einem Krankenhaus gewesen. Sie hätten der SPLA von 1990 bis 1991 angehört und seien im Kampfeinsatz gewesen. Bei einem Angriff der Regierungsarmee an der Grenze zu Zaire seien Sie Ende 1991 verwundet worden, Sie hätten eine Schussverletzung am linken Oberschenkel erlitten. Danach hätten Sie sich mehrere Monate in einem Rebellenlazarett in Juba aufgehalten. Nach Ihrer Entlassung aus dem Lazarett hätten Sie wieder in Bahr al Ghazal gelebt. Geflüchtet seien Sie nun, da das Leben aller derjenigen, die bei der Rebellenarmee gewesen seien, ständig in Gefahr gewesen sei. Sie seien nicht schon früher geflüchtet, da die Ausheilung Ihrer Verletzung solange gedauert habe, es sei auch nicht einfach, das Land zu verlassen. Sie hätten versucht, sich im Süden eine Existenz aufzubauen, hätten aber aus Angst vor der Polizei immer versteckt gelebt. Sie selbst seien weder an Kriegsverbrechen noch an Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen. Im Sudan würden außerdem die Moslems die Mehrheit bilden, Sie selbst seien jedoch Christ und seien dort nicht willkommen. Als Mitglied der Rebellenarmee drohe Ihnen außerdem lebenslange Haft über (richtig: oder) die Todesstrafe."

Die Behörde erster Instanz begründete ihre Entscheidung ua. damit, dass der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention sei, weil die Verfolgung (bzw. die Furcht davor) nicht im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Beschwerdeführers bestehe. Denn die befürchtete Verfolgung drohe im Süden des Sudan - nämlich im "Rebellengebiet" - nicht.

In der dagegen erhobenen Berufung bekräftigte der Beschwerdeführer sein erstinstanzliches Vorbringen und ergänzte lediglich im Detail, er habe sich durch sein verletztes Bein nur mit Hilfe eines Stockes weiterbewegen können und deshalb seine Heimat nicht früher verlassen können. Er sei in seinem Heimatort von einem Heilpraktiker behandelt worden. Nur die Mitglieder seiner Kirche hätten von seinem Aufenthalt gewusst. Sie hätten ihm Schutz und Unterstützung gegeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Februar 1998 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 -AsylG - ab. Sie erhob die vom Bundesasylamt in dessen Bescheid "richtig und vollständig" wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seiner niederschriftlichen Vernehmung zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Nach Wiedergabe des Inhaltes der Berufung und allgemeinen rechtlichen Ausführungen stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest:

"Der Antragsteller ist Staatsangehöriger des Sudan, ist christlichen Glaubens und Mitglied der Partei SPLA sowie war er im Zuge der allgemein herrschenden Bürgerkriegsverhältnisse im Kampfeinsatz für diese Organisation tätig. Gegen Ende 1991 erlitt der Antragsteller im Rahmen eines Angriffes der Regierungsarmee eine Schussverletzung am linken Oberschenkel. Der Antragsteller war im Rang eines einfachen Soldaten. Auf Grund der erlittenen Verletzung hielt sich der Antragsteller mehrere Monate in einem Lazarett der Rebellen in Juba auf. Bis zum Verlassen seines Heimatlandes war der Antragsteller in Bahr al Ghazal aufhältig und hat seine Heimat am 5.6.1996 per Schiff verlassen. Während seines Aufenthaltes in Bahr al Ghazal seit dem Jahr 1992 hat der Antragsteller versucht, sich im Süden des Landes eine Existenz aufzubauen, hatte jedoch immer versteckt gelebt. Der Antragsteller hat sein Heimatland via Port Sudan verlassen."

Sodann führte die belangte Behörde in rechtlicher Beurteilung aus, die im Kampf erlittene Schussverletzung sei nicht asylrelevant. Zudem liege kein unmittelbarer zeitlicher Konnex zwischen den vom Beschwerdeführer relevierten Bürgerkriegsereignissen aus 1991 und seiner Ausreise vor. Des Weiteren hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer entgegen:

"Tatsache ist, dass es den staatlichen Regierungsgewalten nicht möglich ist ihre Ordnungsgewalt in den südlichen Provinzen des Sudan (insbesondere der Provinz Juba) auszuüben. Dieser Umstand wird auch dadurch bekräftigt, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben nach seiner Verwundung sich in den Süden des Landes begeben hat, um sich dort eine Existenz aufzubauen. Aus diesen Gründen wäre - auch bei Zugrundelegung des Vorhandenseins eines zeitlichen Konnexes zwischen der Existenz asylrelevanter Verfolgungshandlungen und der dem Zeitpunkt der Ausreise - eine Asylgewährung nicht zu rechtfertigen."

Dem Beschwerdeführer komme die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 7 AsylG (siehe Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention) nicht zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde enthält in weiten Teilen lediglich die Aneinanderreihung von Rechtssätzen aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Einige dieser Rechtssätze sind im gegenständlichen Fall fehl am Platz (zB. die Unglaubwürdigkeit betreffend - die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit nicht abgesprochen; des Weiteren die Nichtberücksichtigung "angebotener Beweise" und daraus resultierende antizipierende Beweiswürdigung - es wurden im Verwaltungsverfahren keine Beweisanträge gestellt). Aktenwidrig ist angesichts der ausdrücklichen Feststellung des Sachverhaltes aus den Angaben des Beschwerdeführers das Vorbringen, es sei kein festgestellter Sachverhalt ersichtlich.

Inhaltlich konkret bringt die Beschwerde aber kein Argument gegen die Ansicht der belangten Behörde vor, der Schussverletzung komme keine Asylrelevanz zu. Auch gegen den von der belangten Behörde angenommenen mangelnden zeitlichen Konnex zwischen den Ereignissen aus 1991 und seiner Ausreise wendet er sich in der Beschwerde nicht konkret. Er geht in der Beschwerde ausschließlich davon aus, er habe im Verwaltungsverfahren vorgebracht, auf Grund "seines protestantischen Glaubens eine gegen seine Person gerichtete Verfolgung seitens der staatlichen Behörden zu befürchten" zu haben. Diesem Vorbringen hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid entgegengehaltenen, dass die staatliche Regierungsgewalt in jenem Teil des Sudan, in dem sich der Beschwerdeführer aufgehalten habe, gar keine Ordnungsgewalt auszuüben im Stande sei. Diesen Ausführungen der belangten Behörde tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der belangten Behörde im Verwaltungsverfahren diesbezüglich ein Verfahrensmangel unterlaufen ist, weil der Beschwerdeführer auf Grund fehlender Gegendarstellung in der Beschwerde die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht aufzeigt.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde weiters vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, dass der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 28 Asylgesetz 1997 wohl bestimmt, dass die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen.

Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 Asylgesetz 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zur diesbezüglich inhaltsgleichen Rechtslage nach § 16 AsylG 1991 z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde neu vor, es komme im Südsudan zu "willkürlichen Tötungen von Zivilisten durch Kräfte ihrer eigenen Fraktion", 1991 seien "SPLA Mitglieder getötet worden, welche im Verdacht standen, mit dem Menstrim Flügel zu sympathisieren". Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren aber keine hinreichend deutlichen Hinweise vorgebracht, welche in Richtung einer - nunmehr in der Beschwerde erstmalig angedeuteten - Verfolgungsgefahr im Südsudan durch andere als staatliche Stellen gegangen wären.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte