Normen
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
StVG §120 Abs1;
StVG §54a;
StVG §88 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
StVG §120 Abs1;
StVG §54a;
StVG §88 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener in der Vollzugsanstalt G. Er verbüßt dort eine über ihn wegen Mordes und anderen Delikten verhängte Freiheitsstrafe von 18 Jahren.
Mit Eingabe vom 19. September 1996 beantragte der Beschwerdeführer den Ankauf spezifischer Fachliteratur zur Weiterbildung als KFZ-Mechaniker gemäß § 54a Abs. 3 StVG zur Sicherung des späteren Fortkommens und begründete diesen Antrag wie folgt:
"Da, wie aus der Verlagsbeschreibung schon zu ersehen, diese Fachschriften nur als Weiterbildungsliteratur zu verwenden sind, da es sich dabei um spezifische Datenblätter und technische Beschreibungen von Motoren für KFZ-Mechaniker handelt, ist diese Fachliteratur dazu angetan, mein späteres Fortkommen im Berufsleben zu erleichtern. Ich bin bekannterweise vom Beruf KFZ-Mechaniker. Daher beantrage (erg.: ich) den Ankauf von: AUSTRO-Motorette, ebenfalls TITAN, FORCE, PUCH 500/Typ HARMOS (KFZ-Datenblätter siehe Kopien, bei Beschreibung der Schriften).
Ankauf bei Firma Motorliteratur Verlag Verwüster - Graz.
Preis: 466 ATS, Bezahlung: Rücklage."
Diesem Ansuchen waren die auf die gewünschte Literatur
bezugnehmenden Prospektanzeigen beigelegt.
Nach einer vom Sozialdienst der Justizanstalt G bereits am
16. September 1996 fernmündlich eingeholten Auskunft des WIFI Linz seien die beantragten Bücher als Literatur für die Ausbildung von KFZ-Mechanikern nicht notwendig, es handle sich dabei lediglich um Reparaturanleitungen und Beschreibungen von Oldtimer- Maschinen, die mehr für ein hobbymäßiges Interesse an Motorrädern oder als Spezialisierung nach dem erlernten Beruf geeignet seien.
Mit der an das Bundesministerium für Justiz gerichteten Eingabe vom 26. November 1996 erhob der Beschwerdeführer "Beschwerde und Anzeige" gegen einen namentlich genannten Strafvollzugsbediensteten wegen "vorsätzlichen Bruchs geltenden Rechtes in Form der Bundesgesetze zum Vollzug von Freiheitsstrafen", in der er unter mehreren Beschwerdepunkten - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Bedeutung - ausführt:
"StVG § 54a Abs. 3 - Der Wächter namens R, Hptm. bricht diesen Paragraphen dadurch, er mein Fortkommen nach meiner Haftentlassung zu erschweren trachtet, weil er den Ankauf von technischer Fachliteratur für KFZ-Technik zur Weiterbildung, den Ankauf von den Geldmitteln der Rücklage verweigert und seit Monaten dieses Ansuchen nicht bearbeitet. Da es sich hiebei um hochspezifische Fachliteratur handelt, ist ein Mißbrauchsvorwurf als unzulässig zurückzuweisen, auch wenn der Wächter obigen Namens dieses versuchen sollte."
Mit Entscheidung des Anstaltsleiters vom 20. Dezember 1996, dem Beschwerdeführer am selben Tag mündlich verkündet, wurde seinem Antrag vom 19. September 1996 im wesentlichen mit der Begründung nicht stattgegeben, die gewünschten Reparaturanleitungen und Beschreibungen seien lediglich für ein hobbymäßiges Interesse an Motorrädern geeignet und als Literatur für die Ausbildung von KFZ-Mechanikern nicht notwendig. Der Ankauf der Literatur könne jedoch bewilligt werden, wenn genügend Eigen- und/oder Hausgeld vorhanden sei und die Bezahlung von diesen Geldern erfolge.
Gegen diese Entscheidung des Anstaltsleiters vom 20. Dezember 1996 wurde vom Beschwerdeführer kein Rechtsmittel ergriffen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. Mai 1997 wurde der Beschwerde des Beschwerdeführers vom "26.11.1996 gegen die Entscheidung des Leiters der Justizanstalt G vom 20.12.1996, womit dem Ansuchen des Strafgefangenen vom 19.9.1996 um Ankauf von Broschüren und Prospekten über Motorräder aus den Mitteln der Rücklage nicht stattgegeben wurde" gemäß § 121 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1991 sowie §§ 54 Abs. 2, § 54a Abs. 3 StVG nicht Folge gegeben. Nach Darstellung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde begründend aus, es sei festzuhalten, daß der heute 31-jährige Beschwerdeführer nach Abschluß der Pflichtschule eine KFZ-Mechanikerlehre begonnen, diese jedoch ohne Ablegung einer Abschlußprüfung (Gesellenprüfung) beendet habe. Nach Auskunft des WIFI Linz vom 16. September 1996 handle es sich bei den vom Beschwerdeführer begehrten Materialien um Reparaturanleitungen und Beschreibungen von Oldtimer-Maschinen und wären mehr für ein hobbymäßiges Interesse an Motorrädern oder als Spezialisierung nach dem erlernten Beruf geeignet, seien aber als Literatur für die Ausbildung von KFZ-Mechanikern nicht notwendig. Strafgefangene dürften gemäß § 54a Abs. 3 StVG die Rücklage im Vollzug auch für Anschaffungen verwenden, die ihr Fortkommen nach der Entlassung fördern. Bei der Anschaffung von Broschüren, die laut Auskunft des WIFI Linz nicht als Fachliteratur zur grundsätzlichen Berufsausbildung geeignet seien, handle es sich auch in Anbetracht des derzeitigen Ausbildungsstandes des Beschwerdeführers nicht um eine derartige Anschaffung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Verwendung der Rücklage für Anschaffungen, die sein Fortkommen nach der Haftentlassung fördern, gemäß § 54a Abs. 3 StVG verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der durch die Strafvollzugsgesetznovelle BGBl. Nr. 799/1993
neu eingeführte § 54a StVG lautet:
"(1) Dem Strafgefangenen stehen das Hausgeld sowie die Hälfte der Rücklage auch für Leistungen an unterhaltsberechtigte Angehörige oder an Personen, die durch die strafbare Handlung in ihren Rechten verletzt worden sind, sowie zur Schuldentilgung zur Verfügung.
(2) Strafgefangene, die eine Freiheitsstrafe mit einer Strafzeit von mehr als einem Jahr zu verbüßen haben, sind bei Strafantritt und sobald die Rücklage 10.000 S übersteigt, über die nach Abs. 1 bestehenden Verwendungsmöglichkeiten von Hausgeld und Rücklage zu informieren sowie nach Maßgabe der bestehenden Einrichtungen zu einer sinnvollen Verwendung anzuleiten und dabei zu unterstützen.
(3) Außer den Fällen des Abs. 1 sowie des § 54 Abs. 2 dürfen die Strafgefangenen Hausgeld und Rücklage im Vollzug auch für Anschaffungen verwenden, die ihr Fortkommen nach der Entlassung fördern. Die Entscheidung darüber steht dem Anstaltsleiter zu.''
Gemäß § 119 StVG haben die Strafgefangenen das Recht, hinsichtlich des ihre Person betreffenden Vollzuges in angemessener Form mündlich oder schriftlich Ansuchen zu stellen.
Gemäß § 120 Abs. 1 StVG können sich die Strafgefangenen gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren.
Die Ablehnung eines Ansuchens eines Strafgefangenen, über die für ihn gebildete Rücklage in bestimmter Weise verfügen zu dürfen, betrifft grundsätzlich subjektive Rechte des Strafgefangenen (vgl. dazu § 54a Abs. 3 StVG); ein ablehnender Bescheid kann daher auch Gegenstand einer bescheidmäßig zu erledigenden Beschwerde gemäß § 120 Abs. 1 StVG sowie einer Bescheidbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof sein, wenn sich die Begründung auf Umstände beruft, die der beabsichtigten Verfügung aus den gesetzlich determinierten Gründen entgegenstehen. Voraussetzung für eine materielle Erledigung einer (Administrativ‑)Beschwerde durch die in Betracht kommende Vollzugsoberbehörde ist jedoch ein Vorgehen des betroffenen Strafgefangenen, das sich als Versuch einer Durchsetzung des von ihm artikulierten Sachanliegens verstehen läßt.
Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer "Beschwerde und Anzeige" gegen einen namentlich genannten Strafvollzugsbediensteten erhoben mit der wesentlichen Behauptung, dieser unterlaufe seine Rechte durch Säumigkeit bei der Behandlung seiner Ansuchen. Die Beschwerde an die belangte Behörde, zu der sich der Beschwerdeführer deswegen veranlaßt sah, war daher nicht als Versuch zu werten, hinsichtlich des von ihm behaupteten subjektiven Rechtes eine (materiellrechtliche) Revision der Entscheidung des Anstaltsleiters herbeizuführen. Sie wurde vielmehr unter dem Gesichtspunkt einer rechtsbeugenden Säumigkeit des Vollzugsorgans erhoben. Es war daher zu prüfen, inwieweit dem Beschwerdeführer allenfalls aus § 73 AVG ein subjektives Recht hätte erwachsen können.
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG ist die Behörde ... verpflichtet, ...
über Anträge von Parteien (§ 8) ... ohne unnötigen Aufschub,
spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
§ 73 Abs. 2 AVG verleiht der Partei das subjektive Recht, durch Stellung eines Devolutionsantrages den Übergang der Zuständigkeit und damit auch der Entscheidungspflicht von der seit mindestens sechs Monaten säumigen Behörde auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu bewirken. Wenn auch die Behörde objektiv verpflichtet ist, ohne unnötigen Aufschub - und damit allenfalls bereits vor Ablauf von sechs Monaten - zu entscheiden, so ist diese Verpflichtung für die Partei auf prozessualem Wege gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 73 AVG erst nach Ablauf dieser Frist - durch Stellung eines Devolutionsantrages und den dadurch bewirkten Zuständigkeitsübergang - durchsetzbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1998, Zl. 97/20/0811, und die dort wiedergegebene Judikatur). Vor Ablauf von sechs Monaten kommt daher der Partei ein durchsetzbares Recht auf Entscheidung über ihren Antrag nicht zu. Gewährt § 73 Abs. 1 AVG aber kein subjektives öffentliches Recht, so kommt Strafgefangenen das Beschwerderecht des § 120 Abs. 1 StVG in diesen Fällen nicht zu (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 18. September 1997, Zl. 97/20/0241). Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, daß die (Administrativ‑)Beschwerde des Beschwerdeführer vom 26. November 1996 als Aufsichtsbeschwerde an die belangte Behörde zu werten ist.
Gemäß § 122 StVG haben die Strafgefangenen das Recht, durch Ansuchen und Beschwerden das Aufsichtsrecht der Vollzugsbehörden anzurufen. Auf solche Ansuchen oder Beschwerden braucht den Strafgefangenen jedoch kein Bescheid erteilt zu werden.
Nach dem Willen des Gesetzgebers hat daher der Strafgefangene kein subjektives Recht auf Ausübung dieses Aufsichtsrechtes. Die Einhaltung des auch die Strafvollzugsbehörden treffenden allgemeinen Gebotes, Anliegen möglichst rasch Folge zu leisten und unnötige Verzögerungen zu vermeiden, ist in diesem Sinne nur mit den Mitteln der Dienstaufsicht durchzusetzen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 10. September 1998, Zlen. 97/20/0809, 0810). Ein diesbezüglich verfolgbarer Rechtsanspruch besteht nicht. Interessen, die durch keinen Rechtsanspruch gesichert sind, können aber auch nicht Gegenstand einer Administrativbeschwerde gemäß § 120 StVG sein. Daran ändert auch nichts, wenn die Behörde die Nichtstattgebung einer vom Betroffenen artikulierten (Aufsichts‑)Beschwerde spruchmäßig in die Form eines Bescheides gekleidet oder - wie im vorliegenden Fall - inhaltlich über ein dem Beschwerdeführer nicht zukommendes und von ihm auch nicht geltend gemachtes, individuelles (subjektives) Recht abgesprochen hat. Die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes ohne entsprechenden Antrag belastet diesen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Da die belangte Behörde über eine vom Beschwerdeführer nicht erhobene (Administrativ-)beschwerde im Sinne des § 120 StVG inhaltlich entschieden hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 18. Februar 1999
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