VwGH 97/20/0304

VwGH97/20/03046.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des P in Graz, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1997, Zl. 4.349.712/1-III/13/96, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer behauptet liberianischer Staatsangehöriger zu sein. Er reiste am 4. Juli 1996 in das Bundesgebiet ein und stellte am darauf folgenden Tag den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner am 17. Juli 1996 erfolgten niederschriftlichen Befragung durch das Bundesasylamt gab er zu seinen Fluchtgründen an, er habe sein Heimatland wegen des Krieges und wegen der Kämpfe verlassen. Alle jungen Männer würden ohne Ausnahme rekrutiert. Er habe auch keinen Vater, der sich um ihn kümmere. Deshalb habe er sein Heimatland verlassen. Er habe Angst vor dem Krieg und daß er darin umkommen könnte. Dies seien seine Fluchtgründe. Ihm persönlich sei nichts passiert und er habe auch keine Probleme gehabt.

Im Zuge der Überprüfung seiner Staatsangehörigkeit antwortete der Beschwerdeführer auf detaillierte Fragen des Vernehmungsorganes, er habe fünf Jahre die Grundschule besucht, könne jedoch nicht gut lesen. Auch an den in seinem - gefälschten - Paß eingetragenen (falschen) Namen könne er sich nicht mehr erinnern. Über Vorhalt, in diesem Falle wäre er bei einer Kontrolle sofort aufgefallen, gab der Beschwerdeführer an, man habe ihm den Paß gegeben und gesagt, er solle ihn in die Tasche stecken, er kenne den Namen (auf den der Paß gelautet habe) nicht. Er habe in Monrovia in der "Rockyleller Road 10" gewohnt. Auf die Frage: "Wie weit liegt Monrovia vom Meer entfernt?" antwortete der Beschwerdeführer "Das Meer ist rund um Monrovia". Er könne auch auf einem Blatt Papier, das die Umrisse seines angeblichen Heimatstaates zeige, nicht einzeichnen, wo die angrenzenden Staaten seien. Er habe das nicht gelernt. Die Nachbarstaaten seien Guinea, mehr wisse er nicht. Außer Monrovia konnte der Beschwerdeführer auch keine anderen Städte nennen. Die liberianische Flagge bezeichnete er mit drei senkrechten Balken mit der Farbanordnung von links blau-rot-weiß. Charles Taylor identifizierte er als jenen Mann, "der gegen Prince Johnson kämpft". Er gehöre zum Stamme der Kru. Andere Stämme seien "America-Liberia", "Joy", andere kenne er nicht. Auch große Flüsse in seinem angeblichen Heimatland konnte der Beschwerdeführer nicht nennen. Über Vorhalt, seine Aussagen machten es unglaubwürdig, daß er aus Liberia stamme, beharrte der Beschwerdeführer, seine Staatsangehörigkeit sei liberianisch.

Mit Bescheid vom 17. Juli 1996 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 im wesentlichen mit der Begründung ab, seine Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit und zu seinem Fluchtweg seien völlig unglaubwürdig, auch die in seinem angeblichen Heimatland herrschenden allgemeinen Verhältnisse seien kein Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung verwies der Beschwerdeführer auf seine Angaben anläßlich seiner Ersteinvernahme, machte aber darüber hinausgehend weder ein ergänzendes oder differenziertes Sachvorbringen, noch Verfahrensfehler des Verfahrens erster Instanz geltend.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab (Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides) und den mit der Berufung gestellten Antrag auf Feststellung, daß er gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 1991 zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt sei, zurück (Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides). Nach zusammenfassender Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage führte die belangte Behörde zur Abweisung der Berufung im wesentlichen aus, Voraussetzung für die Gewährung von Asyl sei es, daß den vom Asylwerber im Laufe des Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Argumenten glaubhaft entnommen werden könne, er habe konkrete Verfolgung oder Furcht vor Verfolgung aus einem der im Asylgesetz taxativ aufgezählten Gründe befürchten müssen, wobei die Verfolgung entweder von staatlichen Stellen des Heimatlandes ausgehen oder der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt sein müsse, eine von anderen Stellen ausgehende Verfolgung hintanzuhalten. Den Angaben des Beschwerdeführers habe jedoch die Glaubwürdigkeit gemangelt. Er habe anläßlich der Einbringung des Asylantrages behauptet, liberianischer Staatsangehöriger zu sein, habe jedoch weder seine Identität noch seine Nationalität durch entsprechende Dokumente belegen können. Zum Zwecke der Abklärung seiner Staatsangehörigkeit habe die Behörde versucht, im Rahmen seiner Befragung durch zahlreiche, seinem Bildungs- und Wissensstand entsprechende Fragen, sohin auf andere geeignete Weise die Identität seines angeblichen Heimatlandes zu verifizieren, doch sei der Beschwerdeführer kaum in der Lage gewesen, eine dieser Fragen korrekt bzw. ausreichend zu beantworten, sodaß auch die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt sei, seine Behauptung, Staatsangehöriger von Liberia zu sein, sei nicht glaubhaft. Dem Beschwerdeführer fehle sohin jegliche persönliche Glaubwürdigkeit. Doch selbst bei Zugrundelegung seiner Angaben komme eine Gewährung von Asyl nicht in Betracht, da der Beschwerdeführer keine Umstände vorgebracht habe, die auf eine individuelle Verfolgung aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe hindeuteten. Er habe vielmehr angegeben, Anlaß zu seiner Flucht sei allein die dort herrschende Kriegssituation gewesen. Im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen in seinem angeblichen Heimatstaat bestünde zwar die Möglichkeit von Übergriffen und Bedrohungen, diese seien jedoch nicht als Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes zu qualifizieren, da die Bürgerkriegssituation im Heimatstaat eines Asylwerbers nach ständiger Judikatur für sich allein Flüchtlingseigenschaft nicht indiziere.

Den Feststellungsantrag wies die belangte Behörde im wesentlichen mit der Begründung zurück, die Einreise des Beschwerdeführers sei nicht im Sinne des § 6 AsylG 1991, nämlich nicht direkt aus dem Verfolgerstaat, erfolgt.

Gegen diesen Bescheid - ausgehend von der Anfechtungserklärung seinem gesamten Umfange nach - richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in "seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Gewährung von Asyl verletzt". Ausgehend von dem so umrissenen Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) und der ausschließlich darauf bezugnehmenden Begründung der Beschwerde ist davon auszugehen, daß der angefochtene Bescheid lediglich in seinem Spruchpunkt 1 Beschwerdegegenstand ist.

Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen Verletzungen der §§ 58 und 60 AVG geltend. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid sowie im erstinstanzlichen Bescheid, dessen "Feststellungen" die belangte Behörde übernommen habe, verabsäumt, klar und übersichtlich konkrete Sachverhaltsannahmen festzustellen und diese einer rechtlichen Beurteilung zu unterziehen. Der angefochtene Bescheid habe vielmehr im wesentlichen Scheinbegründungen zum Inhalt. Überdies habe die belangte Behörde (Anmerkung: gemeint wohl die Behörde erster Instanz) kein Ermittlungsverfahren mit Ausnahme der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers durchgeführt und damit keine erkennbaren Anstrengungen unternommen, "Hintergrundinformationen in das Verfahren einzubringen". Überdies seien die Behörden ihrer Ermittlungspflicht im Sinne des § 16 AsylG nicht ausreichend nachgekommen. Auch habe das Bundesasylamt und damit auch die belangte Behörde die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers aus Gründen angenommen, die im Hinblick auf das Analphabetentum des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar seien. Die an den Beschwerdeführer gestellten Fragen wären von vornherein bei realistischer Einschätzung der persönlichen Möglichkeiten des Beschwerdeführers von diesem nicht beantwortbar gewesen, weshalb ihm auch kein Vorwurf gemacht werden dürfe, insbesondere auch nicht die Unglaubwürdigkeit seiner gesamten Angaben unterstellt werden dürfe. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer eine unrichtige Subsumtion unter die Bestimmung des § 1 Z. 1 AsylG 1991 sowie als sekundären Verfahrensmangel geltend, die Behörde habe nicht festgestellt, "nach welchen Kriterien in Liberia Personen zum Militärdienst von Bürgerkriegsparteien zwangsverpflichtet" würden.

Diese (in ihrem wesentlichen Inhalt zusammengefaßten) Ausführungen der Beschwerde vermögen jedoch eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

Gemäß §§ 58 und 60 AVG hat die Behörde alle für die Beurteilung der Rechtsfrage wesentlichen Vorschriften in der Begründung des Bescheides zu berücksichtigen und darzulegen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet hat. Die Behörde trifft auch die Verpflichtung, in der Bescheidbegründung in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, von welchen konkreten Tatsachenfeststellungen bei der getroffenen Entscheidung ausgegangen wurde. Auf diese Judikatur stützt sich der Beschwerdeführer, ohne jedoch dabei zu berücksichtigen, daß es auch sogenannte "negative Feststellungen" gibt, nämlich derart, es könne ein behaupteter Sachverhalt nicht festgestellt werden. Dies wiederum ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu begründen. Die belangte Behörde hat in eindeutig erkennbarer und daher auch nachvollziehbarer Art und Weise im Rahmen der Beweiswürdigung die vom Beschwerdeführer dargelegten Angaben zu seiner Fluchtgeschichte bzw. seinen Fluchtgründen aus näher dargelegten Erwägungen als nicht glaubwürdig erachtet und diese daher nicht zu (positiven) Feststellungen, d.h. zu einer der rechtlichen Beurteilung zu unterziehenden Sachverhaltsgrundlage erhoben. Hat die Behörde in der Begründung ihres Bescheides die Gedankengänge und Eindrücke aufgedeckt, die sie dazu bewogen haben, das eine Beweismittel dem anderen vorzuziehen und eine Tatsache für wahr oder unwahr zu halten, kann der Verwaltungsgerichtshof zwar die Schlüssigkeit dieser Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung, nicht aber ihre konkrete Richtigkeit nachprüfen (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, u.v.a.). Insoweit die belangte Behörde daher - wie schon die Behörde erster Instanz - an Hand der eklatanten Wissenslücken des Beschwerdeführers die Auffassung vertritt, die Darstellung seiner Staatsangehörigkeit, seiner Fluchtgründe und seines Fluchtweges seien nicht glaubwürdig, hält dies der

- eingeschränkten - Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes stand. Der Hinweis auf das Analphabetentum des Beschwerdeführers ändert daran nichts, da auch Analphabeten (d.h. des Schreibens und Lesens Unkundige) nicht von vornherein als gänzlich unwissend in anderen, etwa die grundlegenden geographischen und politischen Verhältnisse ihres angeblichen Heimatlandes betreffenden Bereichen angesehen werden müssen.

Insoweit der Beschwerdeführer meint, die Behörden des Verwaltungsverfahrens seien der ihnen aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, ist ihm entgegenzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln oder den Asylwerber anzuleiten, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe, damit es erfolgreich ist (vgl. als Beispiel für viele das hg. Erkenntnis vom 18. September 1997, Zl. 96/20/0816, und die dort angegebene Judikatur). Es erscheint daher nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde ausgehend von der Aktenlage die Voraussetzungen für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 nicht als gegeben erachtet hat, zumal Verfahrensverletzungen auch in der Berufung nicht geltend gemacht worden waren. Damit aber war sie im Sinne des § 20 Abs. 1 leg. cit. verpflichtet, die Ermittlungsergebnisse des Verfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrundezulegen.

Insoweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides (sekundäre) Verfahrensmängel behauptet, ist ihm entgegenzuhalten, daß den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren erster Instanz nichts anderes zu entnehmen gewesen ist als eine allgemeine Furcht vor den Bürgerkriegsverhältnissen in seinem Heimatland, überdies ohne daß er persönlich bereits in diese Ereignisse involviert gewesen wäre oder eine solche Einbeziehung unmittelbar gedroht habe. Damit fehlt es aber an einer den Beschwerdeführer individuell unmittelbar betreffenden konkreten und aktuellen Verfolgungsgefahr im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991. Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher ebenfalls nicht vor. Insgesamt erweist sich daher die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 f VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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