VwGH 97/19/1738

VwGH97/19/173819.11.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des am 10. November 1969 geborenen IM, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Mai 1997, Zl. 120.380/2-III/11/96, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §73 Abs2;
AVG §73 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des ehemaligen Jugoslawien, verfügte bereits über mehrere Sichtvermerke und Aufenthaltsbewilligungen. Mit Schriftsatz vom 20. Februar 1996 beantragte er die Verlängerung der ihm zuletzt erteilten, vom 2. Mai 1995 bis 2. Mai 1996 gültigen Aufenthaltsbewilligung. Mit dem Antrag legte der Beschwerdeführer eine Kopie seines gültigen Reisepasses, aus der die genannte Aufenthaltsbewilligung ersichtlich war, einen Meldezettel für sich und seine Ehegattin, einen Mietvertrag, eine Dienst- und Lohnbestätigung, den Staatsbürgerschaftsnachweis seiner Ehegattin und die Heiratsurkunde vor.

Die Aufenthaltsbehörde erster Instanz lud die Ehegattin des Beschwerdeführers mit Ladungsbescheid vom 27. Februar 1996 zu einer Zeugenaussage; dieser, eigenhändig übernommenen Ladung kam die Gattin des Beschwerdeführers nicht nach. Nach Verhängung einer Zwangsstrafe wurde sie erneut mit Ladungsbescheid vorgeladen; dieser Ladung kam sie nach und wurde am 21. Mai 1996 vor der Behörde erster Instanz niederschriftlich einvernommen.

Im Akt erliegt weiters ein Wohnungsüberprüfungsbericht vom 25. Juni 1996. Weitere Ermittlungsschritte sind nicht aktenkundig.

Mit Schriftsatz vom 2. September 1996 beantragte der Beschwerdeführer den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag vom 20. Februar 1996 auf den Bundesminister für Inneres als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 1 und 2 AVG abgewiesen. Die belangte Behörde begründete dies damit, für die Behörde erster Instanz hätten sich bei der Bearbeitung des Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung Verdachtsmomente im Hinblick auf das etwaige Bestehen einer Scheinehe ergeben und seien diesbezüglich umfangreiche Erhebungen zu tätigen gewesen. Den Kernpunkt dieser Erhebungen bildete die vorgesehene Einvernahme der Ehegattin des Beschwerdeführers. Der erste Ladungsbescheid, datiert mit 27. Februar 1996, sei von der Gattin des Beschwerdeführers am 1. März 1996 übernommen, der Ladung jedoch nicht Folge geleistet worden. Dem zweiten Ladungsbescheid vom 25. April 1996 sei Folge geleistet und die Ehegattin des Beschwerdeführers am 21. Mai 1996 niederschriftlich zum Sachverhalt befragt worden; die Kernpunkte der Aussage seien rechtlich zu würdigen gewesen. Da auf Grund des oben angeführten Sachverhaltes die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen sei, sei spruchmäßig zu entscheiden gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 10. Oktober 1997, B 1551/97-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass mit dem angefochtenen Bescheid ein Devolutionsantrag in Angelegenheiten der Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 73 Abs. 1 AVG abgewiesen wurde. Mit diesem verfahrensrechtlichen Bescheid wurde aber keine meritorische Entscheidung über den Verlängerungsantrag getroffen. Ein Anwendungsfall des § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 liegt nicht vor; der angefochtene Bescheid ist daher am 1. Jänner 1998 - entgegen der diesbezüglichen Ansicht der Aufenthaltsbehörde erster Instanz - nicht außer Kraft getreten.

Gemäß § 73 AVG (idF vor der Novelle BGBl. Nr. 158/1998, die im Beschwerdefall noch nicht anzuwenden war) sind die Behörden oder der unabhängige Verwaltungssenat verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen (Abs. 1). Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist (Abs. 2).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verzögerung im Sinne des dritten Satzes des § 73 Abs. 2 AVG dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn sie weder durch ein Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht worden ist (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0048, und vom 16. November 1995, Zl. 92/07/0078).

Die belangte Behörde stützte sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausschließlich darauf, dass eine Verzögerung der Erledigung des Antrages durch die Nichtbefolgung der ersten Ladung der Ehegattin des Beschwerdeführers und die Notwendigkeit der "rechtlichen Würdigung" der am 21. Mai 1996 erstatteten zeugenschaftlichen Aussage der Ehegattin des Beschwerdeführers eingetreten sei. Damit bleibt die belangte Behörde aber jede Erklärung dafür schuldig, wieso die Behörde erster Instanz in dem ihr nach dem Zeitpunkt der Zeugenaussage zur Verfügung stehenden Zeitraum von 3 Monaten zu keiner Entscheidung gelangte. Sollte die belangte Behörde eine Erklärung für die Nichterledigung auch in diesem Zeitraum in der Notwendigkeit einer eingehenden "rechtlichen Würdigung" der Zeugenaussage erblicken, so fehlt eine Begründung dahin, weshalb der dafür zur Verfügung gestandene Zeitraum nicht ausgereicht hätte, zumal nach der Darstellung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid diese rechtliche Bewertung (nur) in der Würdigung der Zeugenaussage in Hinblick auf das Eingehen einer Scheinehe des Beschwerdeführers bestand. Dass darüberhinausgehende diffizile rechtliche Erwägungen mit dieser Zeugenaussage in Verbindung stünden, die eine eingehende und Zeit raubende Forschung in Lehre und Judikatur verlangt hätten und dass derartige Schritte auch gesetzt worden seien, geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor.

Aus dem bloßen Umstand der Durchführung von Ermittlungsschritten (wie der Einholung einer Zeugenaussage) ist aber nicht bereits das ausschließliche Verschulden einer Behörde im Sinne des § 73 Abs. 2 dritter Satz AVG ausgeschlossen. Selbst unter der Annahme, dass für die Entscheidung ein länger dauerndes Ermittlungsverfahren erforderlich wäre, würde ein solcher Umstand zu den dem Einflussbereich der Behörde entzogenen Hindernissen nur dann zählen, wenn die Behörde das Verfahren durchgehend zügig betreibt und nicht etwa grundlos zuwartet oder überflüssige Verfahrenshandlungen setzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 98/03/0091). Dies gilt auch für die Notwendigkeit einen festgestellten Sachverhalt einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen.

Wie die Beschwerde richtig aufzeigt, ist aber ein derartiges zügiges Vorgehen der Behörde im gegenständlichen Fall nicht erkennbar, sodass nicht davon gesprochen werden kann, die Verzögerung an der Entscheidung sei nicht ausschließlich auf das Verschulden der Behörde zurückzuführen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. November 1999

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