VwGH 97/19/0914

VwGH97/19/09143.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll sowie die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des am 15. November 1967 geborenen FK in Korneuburg, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. März 1997, GZ 121.188/2-III/11/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheiten des Aufenthaltsrechtes, zu Recht erkannt:

Normen

ZustG §8 Abs2;
ZustG §8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 18. Jänner 1996 einen am 19. Jänner 1996 bei der Behörde erster Instanz eingelangten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung; dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. Juni 1996 wegen Eingehens einer Scheinehe gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen.

Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass die Behörde erster Instanz bereits im Juni 1996 eine Anfrage bezüglich der Meldedaten des Beschwerdeführers durchgeführt hat und ihr mitgeteilt worden war, der Beschwerdeführer sei an der von ihm im Antrag genannten Adresse im 10. Wiener Gemeindebezirk bis zum 23. April 1996 gemeldet gewesen; er habe sich danach unbekannt wohin abgemeldet. Die Behörde erster Instanz versuchte dennoch, den Bescheid vom 25. Juni 1996 an die zuletzt (im Antrag) genannte Adresse des Beschwerdeführers zuzustellen. Ein am 2. Juli 1996 diesbezüglich unternommener Zustellversuch an diese Adresse im 10. Wiener Gemeindebezirk misslang, die Sendung wurde mit dem Vermerk "Empfänger verzogen" am 4. Juli 1996 an die Behörde retourniert.

In der Folge holte die Behörde am 24. Juli 1996 eine weitere Meldeauskunft ein, die ebenfalls ergab, dass der Beschwerdeführer ab 23. April 1996 von der zuletzt genannten Unterkunft unbekannt wohin abgemeldet war. In weiterer Folge wurde der Bescheid erster Instanz gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG) in Verbindung mit § 23 leg.cit. ohne vorhergehenden Zustellversuch beim Postamt 1100 Wien hinterlegt; der erste Tag der Hinterlegung war der 20. September 1996.

Anlässlich einer Vorsprache des Beschwerdeführers bei der Behörde erster Instanz am 28. November 1996 wurde diesem der Bescheid erster Instanz mit dem Hinweis auf die bereits gemäß § 8 Abs. 2 ZustG erfolgte Zustellung übergeben.

Eine am 11. Dezember 1996 zur Post gegebene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Berufung sei nach rechtswirksamer Zustellung des Bescheides erster Instanz am 20. September 1996 erst am 11. Dezember 1996 eingebracht worden und daher verspätet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass mit dem gegenständlichen Bescheid eine verfahrensrechtliche Entscheidung getroffen und nicht inhaltlich über den verfahrensgegenständlichen Verlängerungsantrag abgesprochen wurde. Auf den vorliegenden Beschwerdefall war daher die Bestimmung des § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengesetzes 1997 nicht anzuwenden.

§ 8 ZustG lautet:

"(1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann."

§ 23 ZustG lautet (auszugsweise):

"Hinterlegung ohne Zustellversuch

§ 23. (1) Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, dass eine Sendung ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist diese sofort beim Postamt, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.

...

(4) Die so hinterlegte Sendung gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt."

Der Beschwerdeführer wendet sich im Wesentlichen gegen die Annahme der belangten Behörde, dass die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 20. September 1996 rechtmäßig erfolgt sei. Vielmehr sei ihm der Bescheid erster Instanz erst persönlich am 28. November 1996 übergeben und erst ab diesem Zeitpunkt rechtswirksam zugestellt worden. Die am 11. Dezember 1996 erhobene Berufung sei daher als rechtzeitig eingebracht anzusehen.

Die Berufungsbehörde trifft nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verpflichtung, dem Berufungswerber die offenkundige Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Sie hat das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung dem Rechtsmittelwerber jedoch vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1997, 95/21/0285 mwN). Ein solcher Vorhalt seitens der belangten Behörde ist aus dem Verwaltungsakt nicht ersichtlich. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift begründet aber nur dann einen Mangel des Verfahrens, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof führen muss, wenn anzunehmen ist, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Nun ist eine Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch gemäß § 8 Abs. 2 ZustG nur dann mit der Wirkung der Zustellung ausgestattet, wenn die Behörde ergebnislos den ihr zumutbaren und ohne Schwierigkeiten zu bewältigenden Versuch unternommen hat, eine (neue, andere) Abgabestelle festzustellen. (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1998, 96/20/0017). Ein solches "einfaches Hilfsmittel" zur Ausforschung der (neuen) Abgabestelle ist etwa eine Meldeanfrage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 1997, 95/19/1305). Die zweimalige Einholung von Meldeauskünften wird daher auch im Beschwerdefall als ausreichender Versuch der Behörde gesehen, eine neue Abgabestelle festzustellen.

Dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der versuchten ersten Zustellung des Bescheides erster Instanz an diesen seine Abgabestelle aufgegeben hatte, ergibt sich neben erfolglosen Zustellversuchen (vgl. auch den Zustellversuch betreffend die Ladung des Beschwerdeführers vom 5. Juni 1996) und den Auskünften des Meldeamtes vor allem aus dem Hinweis des Zustellers vom 2. Juli 1996, der Beschwerdeführers sei "verzogen". Die Aufgabe seiner Abgabestelle im Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Die Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch im Sinne des § 8 Abs. 2 ZustG ist somit rechtmäßig erfolgt; die Rechtswirksamkeit der Zustellung trat gemäß § 23 Abs. 4 ZustG mit dem 20. September 1996 (dem ersten Tag der Hinterlegung) ein.

Daran vermag auch das Vorbringen in den - nach Vorhalt der beiden durch die Behörde erster Instanz eingeholten Meldeauskünfte an den Beschwerdeführer durch den Verwaltungsgerichtshof - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingebrachten Stellungnahmen des Beschwerdeführers vom 31. Mai 1999 und 11. August 1999, wonach eine Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG nicht rechtmäßig sei, wenn der Behörde bekannt sei, dass der Beschwerdeführer unbekannt wohin verzogen sei, nichts zu ändern. Die Regelung des § 8 Abs. 2 ZustG stellt nämlich gerade auf jene Fälle ab, in denen die Behörde schon vor einer zu veranlassenden Zustellung von der Änderung der Abgabestelle weiß, aber die neue Abgabestelle nicht kennt (vgl. dazu auch den hg. Beschluss vom 22. Mai 1986, VwSlg. 12152/A). Völlig unzutreffend ist die Ansicht, wonach § 8 Abs. 2 ZustG nur für den Fall einer "vorübergehenden Abwesenheit" von der Abgabestelle Anwendung finden solle. Eine "Änderung" der (bisherigen) Abgabestelle im Sinne des § 8 ZustG liegt nur dann vor, wenn diese dauernd verlegt wird; eine vorübergehende Abwesenheit bedeutet keine "Änderung" der Abgabestelle. Dass der Beschwerdeführer aber seine Abgabestelle nur vorübergehend und nicht dauernd geändert habe, wird nun gerade nicht behauptet.

Dem Beschwerdeführer ist es daher nicht gelungen, die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels darzustellen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. Dezember 1999

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