VwGH 97/18/0306

VwGH97/18/030626.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. April 1997, Zl. SD 1374/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
EMRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs3 Z3;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
EMRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs3 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. April 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, der sich seit 1976 im Bundesgebiet aufhalte, sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. Jänner 1995 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels (§ 12 Abs. 1 vierter Fall und Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes) und wegen des unbefugten Besitzes von verbotenen Waffen (§ 36 Abs. 1 Z. 2 des Waffengesetzes) zu einem Jahr unbedingter Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden.

Es könne daher kein Zweifel bestehen, daß die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG vorlägen, da das vom Gesetz geforderte Strafmindestmaß von drei Monaten bei weitem überschritten worden sei. Das der Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung rechtfertigten auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.

Diesbezüglich sei ohne jeden Zweifel aufgrund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich (seit 1976) und im Hinblick auf seine familiären Bindungen - die Ehefrau und der Sohn des Beschwerdeführers lebten ebenfalls in Österreich - von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen gewesen. Dessen ungeachtet sei aber die gegen den Beschwerdeführer gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen - hier: Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie Schutz der Gesundheit - dringend geboten. Aufgrund der Art und Schwere der der gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten des Beschwerdeführers und der darin zum Ausdruck kommenden krassen Mißachtung der Gesundheit anderer sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 19 FrG zulässig. Das Verbrechen des Suchtgifthandels gemäß § 12 des Suchtgiftgesetzes begehe, wer Suchtgift in einer so großen Menge in Verkehr setze bzw. sich daran beteilige, daß die Weitergabe geeignet sei, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen. Das Verbrechen nach § 12 Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes begehe, wer eine sogenannte "Übermenge", das sei mehr als das Fünfundzwanzigfache einer solchen Menge (Abs. 1), in Verkehr setze. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers in Österreich habe somit in aller Deutlichkeit gezeigt, daß er keinerlei Bedenken habe, sich über strafrechtliche Normen hinwegzusetzen. Immerhin habe sich der Beschwerdeführer zum Verbrechen des Suchtgifthandels hinreißen lassen, sodaß eine positive Zukunftsprognose für ihn ausgeschlossen sei, zumal ja gerade bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr besonders groß sei. Daß aber gerade an der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe, könne wohl nicht ernsthaft bezweifelt werden.

Aufgrund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich sei zwar von einem hohen Ausmaß seiner Integration im Bundesgebiet und damit von geringen Bindungen an seine Heimat auszugehen, die im Rahmen des § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung habe jedoch zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausschlagen müssen. In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger Integration des Fremden nicht rechtswidrig sei (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0202). Angesichts des gegebenen Sachverhaltes sei daher den öffentlichen Interessen am dringend gebotenen Aufenthaltsverbot das maßgeblichere Gewicht beizumessen gewesen als den ohne Zweifel beträchtlichen Auswirkungen dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Das Gewicht der dem Beschwerdeführer zur Last fallenden Straftaten werde auch durch die in der Berufung vom 18. Dezember 1996 behaupteten Umstände, daß der Vollzug des Restes der noch zu verbüßenden Freiheitsstrafe von vier Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, bedingt nachgesehen worden sei und daß es sich um die erste Verfehlung des Beschwerdeführers gehandelt hätte, nicht entscheidend verringert. Da somit die Voraussetzungen der §§ 19 und 20 FrG nicht vorlägen, sei das Aufenthaltsverbot zu Recht erlassen worden. Auch die Bestimmung des § 20 Abs. 2 FrG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, sei doch die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer Straftat erfolgt, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bedroht sei. Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so sei die belangte Behörde der Auffassung, daß die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung - angesichts der Tatsache, daß gerade in Fällen wie dem vorliegenden ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlaßbar gewesen wäre - "ohnehin mit großer Nachsicht erfolgt" sei.

Das in der Berufung vom 18. Dezember 1996 vorgebrachte Argument, der Beschwerdeführer hafte für noch offene Verbindlichkeiten für die eheliche Wohnung neben seiner Ehefrau als Mitschuldner zur ungeteilten Hand, sei für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung ohne Relevanz, "da Interessen Dritter unberücksichtigt zu bleiben" hätten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf dem Boden der maßgeblichen, in der Beschwerde nicht bestrittenen Sachverhaltsfeststellungen betreffend die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers besteht gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß vorliegend der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, kein Einwand.

1.2. Der Beschwerdeführer hält die Annahme nach § 18 Abs. 1 FrG in seinem Fall nicht für gerechtfertigt, weil die im Verhältnis zu einem Strafrahmen von insgesamt 15 Jahren gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe als gering und daher als Beweis "für einen geringen Unrechtsgehalt" der durch ihn begangenen Straftat anzusehen sei. Er sei an der Verwirklichung der Straftat nur untergeordnet beteiligt gewesen (er habe einen "psychischen Tatbeitrag durch Wachestehen geleistet"), und habe selbst nie Suchtgift besessen.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend, kann doch die Auffassung der belangten Behörde, daß im Beschwerdefall die im § 18 Abs. 1 umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, mit Rücksicht auf die vom Beschwerdeführer - den der Handel mit Suchtgift im Ausmaß von mehr als dem 25-fachen einer großen Menge an Suchtgift (vgl. § 12 Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes) zur Last liegt - ausgehende Gefahr für im Art. 8 Abs. 2 MRK genannte öffentliche Interessen (konkret: für die öffentliche Sicherheit und die Gesundheit anderer) nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2. Die von der Beschwerde im Hinblick auf die privaten Interessen ins Treffen geführten Gesichtspunkte vermögen an der zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausgegangenen Interessenabwägung im Grunde der §§ 19 und 20 FrG nichts zu ändern.

Die belangte Behörde hat den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und seine familiären Bindungen in Österreich ohnehin ausdrücklich zu seinen Gunsten in ihre Beurteilung einbezogen. Die auf diese Umstände gerichteten Beschwerdeausführungen zeigen keine Rechtswidrigkeit der von der Behörde vorgenommenen Interessenabwägung auf, da bei Suchtgiftdelikten - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - wegen deren großer Sozialschädlichkeit selbst eine ansonsten völlige soziale Integration des Fremden der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus der Sicht des § 20 Abs. 1 FrG nicht entgegensteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0121, mwH). Daran ändert auch das Vorbringen des Beschwerdeführers in bezug auf seine berufliche Tätigkeit nichts.

Das Vorbringen, daß die Verurteilung des Beschwerdeführers auf "einem einmaligen Fehltritt" beruht habe, "der in auffallendem Widerspruch zu seinem sonstigen bisherigen ordentlichen Lebenswandel" stehe, ist nicht zielführend, erscheint doch dadurch nicht sichergestellt, daß die vom Beschwerdeführer - dem, wie erwähnt, der Handel mit Suchtgift im Sinne des § 12 Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes zur Last liegt - ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die Gesundheit anderer wegfällt oder wesentlich gemindert wird (vgl. in diesem Sinne das bereits zitierte Erkenntnis vom 4. April 1997).

3. Vor dem Hintergrund des Gesagten ist der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, die Behörde hätte bei "entsprechender Würdigung und Heranziehung der vorhandenen Beweise" ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen dürfen, der Boden entzogen.

4. Die Beschwerde war daher, da bereits ihr Inhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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