VwGH 97/18/0267

VwGH97/18/026714.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der am 10. Mai 1970 geborenen A, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. März 1997, Zl. SD 333/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. März 1997 wurde die Beschwerdeführerin, eine tunesische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin, die nach der Aktenlage seit 25. November 1994 in Wien aufrecht gemeldet sei, habe am 27. Dezember 1994 im Wege der österreichischen Botschaft in Pressburg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt, der im Hinblick auf die Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Beschwerdeführerin halte sich demnach unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben seien. Der Umstand, dass sie gegen den zweitinstanzlichen Bescheid des Bundesministers für Inneres im aufenthaltsrechtlichen Verfahren Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht habe, vermöge daran nichts zu ändern, zumal mit der Antragstellung keine behördliche Bewilligung zum Aufenthalt verbunden sei. Entgegen der offenbaren Rechtsansicht der Beschwerdeführerin komme vorliegend die Bestimmung des § 17 Abs. 4 FrG dennoch nicht zum Tragen.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 19 leg. cit. betreffe, so liege insofern ein mit dieser Maßnahme verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin vor, als diese hier mit ihrem Ehegatten und ihrem am 7. Mai 1996 in Wien geborenen Kind lebe. Dessen ungeachtet sei ihre Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Die Beschwerdeführerin habe zu keiner Zeit eine behördliche Bewilligung für ihren Aufenthalt in Österreich gehabt und sei allenfalls auf Grund ihrer sichtvermerksfreien Einreise für die Dauer von drei Monaten zum Aufenthalt berechtigt gewesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme aber gerade den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Dieses Rechtsgut habe durch den jedenfalls seit zwei Jahren unerlaubten Aufenthalt der Beschwerdeführerin eine gravierende Beeinträchtigung erfahren. Ihre persönlichen und familiären Interessen an einem Verbleib in Österreich könnten daher keinesfalls höher veranschlagt werden als das genannte maßgebliche öffentliche Interesse, dürfe doch nicht übersehen werden, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in der Gesamtdauer von nicht einmal zweieinhalb Jahren, wovon der überwiegende Teil als illegaler Aufenthalt zu Buche schlage, kein hohes Maß an Integration zu begründen vermöge. Es liefe dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens grob entgegen, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien, als er rechtens nicht mit einem längeren Aufenthalt in Österreich habe rechnen dürfen (hier: Familiengründung), den tatsächlichen, jedoch unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zu Grunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt daher vorliegend nicht zum Tragen.

2. Die Beschwerde lässt die Auffassung der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin nicht berechtigt in Österreich aufhalte, unbekämpft. Auf der Grundlage der diesbezüglich maßgeblichen, nicht bestrittenen Feststellungen hegt der Gerichtshof gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Die Behörde hat somit das Vorliegen der Voraussetzung des § 17 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Prüfung nach § 19 leg. cit. - zutreffend bejaht.

3.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid mit Blick auf § 19 FrG. Die Behörde übersehe, dass die Beschwerdeführerin mit einem tunesischen Staatsangehörigen verheiratet sei und mit diesem ein gemeinsames Kind habe. Beide verfügten über gültige Sichtvermerke. Im November 1997 werde ein weiteres Kind auf die Welt kommen. Der gesundheitliche Zustand der Beschwerdeführerin sei derzeit nicht sehr gut, weshalb eine Ausreise sowohl für ihr ungeborenes Kind als auch für sie selbst gefährlich wäre. Durch die Ausweisung würde sie von ihrer Familie getrennt werden und wäre in ihrer Heimat auf sich allein gestellt. Sie habe in ihrer früheren Heimat keinerlei Verwandte mehr, würde dadurch keine Unterkunft und auch keine Arbeit finden. Im arabischen Raum sei eine verheiratete Frau, die ohne ihren Ehemann lebe, schlecht angesehen und habe keine Chance, ein normales Leben zu führen.

3.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Wenngleich die für einen Verbleib der Beschwerdeführerin in Österreich sprechende private und familiäre Situation durchaus beachtlich ist, und die belangte Behörde deshalb zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 19 FrG angenommen hat, ist ihre dennoch vertretene Auffassung, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin im öffentlichen Interesse eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten sei, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Mit Recht hat sie dazu - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - darauf hingewiesen, dass der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 97/18/0383), und dass dieses maßgebliche öffentliche Interesse durch den jedenfalls bereits zwei Jahre währenden unerlaubten Aufenthalt der Beschwerdeführerin - wobei bei einer Gesamtdauer des Aufenthalts von nicht einmal zweieinhalb Jahren unter Zugrundelegung der im angefochtenen Bescheid angesprochenen sichtvermerksfreien Einreise höchstens drei Monate rechtmäßig waren - eine erhebliche Beeinträchtigung erfahren hat. Gegenüber dem damit begründeten öffentlichen Interesse an der Ausreise der Beschwerdeführerin treten deren in der Beschwerde ins Treffen geführten persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich in den Hintergrund. Diese Interessen werden auch durch die Schwangerschaft der Beschwerdeführerin nicht derart verstärkt, dass das beschriebene maßgebliche öffentliche Interesse nicht mehr durchschlägt. Wenn die Beschwerde darauf hinweist, eine Ausreise sei sowohl für die Beschwerdeführerin als auch für ihr ungeborenes Kind gesundheitsgefährdend, so ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Probleme nicht den Ausspruch der Ausweisung hindern, sondern allenfalls einen Abschiebungsaufschub rechtfertigen können (vgl. § 36 Abs. 2 FrG, nunmehr § 56 Abs. 2 FrG BGBl. I Nr. 75/1997). Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, in ihrem Heimatland keinerlei familiäre Bindungen zu haben, ist schließlich entgegenzuhalten, dass sich § 19 FrG nur auf das in Österreich geführte Privat- und Familienleben des Fremden bezieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl. 97/18/0084). Mit dem Vorbringen betreffend die Situation verheirateter, jedoch ohne ihren Ehemann lebender Frauen im arabischen Raum verkennt die Beschwerdeführerin, dass mit einer Ausweisung nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder dass er (allenfalls) abgeschoben wird.

4. Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. November 2000

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