VwGH 97/18/0023

VwGH97/18/00234.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Juni 1996, Zl. SD 627/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. Juni 1996 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom 18. April 1996 gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er im Irak gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer sei am 11. April 1996 illegal, in einem LKW-Anhänger versteckt, mit Hilfe eines Schleppers von Ungarn nach Österreich gelangt. Gegen ihn sei mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde ein Aufenthaltsverbot erlassen worden. In seinem Antrag nach § 54 FrG habe der Beschwerdeführer vorgebracht, am 18. März 1991 wegen Beteiligung am Volksaufstand verhaftet und bis 2. Juni 1991 eingesperrt gewesen zu sein; aus Mangel an Beweisen wäre er entlassen worden. Nachdem 1993 neuerlich ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden wäre, wäre Ende dieses Jahres von einem Sondergericht in Bagdad ein Todesurteil über ihn verhängt worden. Um sich der Verhaftung zu entziehen, wäre er nach Kurdistan geflüchtet, wo er sich bis 5. oder 6. April 1996 aufgehalten hätte.

Sowohl die Behörde erster Instanz als auch das Bundesasylamt habe die vom Beschwerdeführer vorgebrachten "Einwände" entkräftet. Der von ihm geschilderte Vorfall läge bereits über fünf Jahre zurück. Vor seiner Ausreise aus seinem Heimatland hätte er sich über zwei Jahre im Nordirak innerhalb der von der UNO errichteten Schutzzone aufgehalten und wäre in diesem Zeitraum keinen asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Da somit für den Beschwerdeführer eine Verfolgung bzw. die objektiv begründete Furcht vor einer solchen nicht im gesamten Staatsgebiet bestanden habe, sei § 37 FrG nicht anwendbar. Hinsichtlich des vom Beschwerdeführer vorgelegten Todesurteiles werde auf die kriminaltechnische Untersuchung verwiesen, derzufolge es sich hiebei um eine (im einzelnen beschriebene) Totalfälschung bzw. eine Verfälschung handle. Diese Ansicht werde von der belangten Behörde geteilt.

In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer keine neuen Fakten vorgebracht, sondern nur auf die allgemeine Situation im Irak verwiesen. Die Berufungsausführungen seien daher nicht geeignet, eine Verfolgung bzw. eine Gefährdungs- und Bedrohungssituation i.S. des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/18/1295, mwN).

2.1. Die Beschwerde bringt dazu vor, die belangte Behörde habe rechtswidrigerweise jegliches Eingehen auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten allgemeinen Berichte zur Lage in seinem Heimatland "verweigert" und stattdessen allein den von ihm ins Treffen geführten persönlichen Erlebnissen vor seiner Ausreise Relevanz beigemessen. Das prognostische Element ihrer Feststellungskompetenz werde damit von der belangten Behörde "kategorisch verleugnet", sie beschränke sich allein auf das "historische Moment". Sie bewege sich "nur mehr im Rahmen des rein Faktischen".

2.2. Anders als die Beschwerde meint, war von der Behörde im Rahmen der Prüfung, ob für den Beschwerdeführer im Irak eine Gefährdungs- und/oder Bedrohungssituation i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG anzunehmen sei, nicht auf die allgemeine (politische) Situation in diesem Staat abzustellen, läßt sich doch daraus nicht ohne weiteres eine konkret seine Person betreffende Gefährdung/Bedrohung im Fall seiner Rückkehr ableiten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0269). Die belangte Behörde hat ihrer Beurteilung zutreffend jene Ereignisse zugrunde gelegt, in die der Beschwerdeführer seinem Vorbringen nach involviert war und mit denen er, von der Beschwerde unbestritten, seinen auf § 54 FrG gestützten Antrag begründet hat, und daraus auf das Nichtvorliegen stichhaltiger Gründe für die Annahme einer in den Abs. 1 und 2 des § 37 FrG umschriebenen, ihn treffenden Gefahr bzw. Bedrohung geschlossen. Von einem "Verleugnen" des "prognostischen Elementes" der ihr obliegenden Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG kann demnach keine Rede sein.

Der in die gleiche Richtung zielende Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde bewege sich "nur mehr im Rahmen des rein Faktischen" und verabsäume es, eine Annahme zu treffen, erweist sich damit ebenfalls als verfehlt.

3. Die von der belangten Behörde auf der Grundlage der maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen - die ihrerseits auf den Angaben des Beschwerdeführers in seinem Feststellungsantrag gründen - getroffene Annahme, daß vorliegend eine Gefährdung und/oder Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht worden sei, begegnet keinen Bedenken. Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner regimekritischen Haltung (vor ca. fünf Jahren) verhaftet worden ist und geraume Zeit nach seiner Enthaftung neuerlich (vor ca. drei Jahren) ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden ist, so kommt diesen Tatsachen im Beschwerdefall für die Frage des allfälligen Bestehens einer aktuellen Gefährdung i.S. des § 37 Abs. 1 oder aktuellen Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 2 FrG im Hinblick auf die weitere - unbestrittene - Tatsachenfeststellung keine rechtserhebliche Bedeutung zu, daß der Beschwerdeführer sich der (neuerlichen) Verhaftung durch die Flucht nach Kurdistan, näherhin in die von der UNO im Nordirak errichtete Schutzzone, entzogen und sich dort, ohne Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein, zumindest zweieinhalb Jahre aufgehalten habe. Auf dem Boden dieses Sachverhaltes konnte die belangte Behörde rechtlich einwandfrei zu dem Ergebnis gelangen, daß in Ansehung des Beschwerdeführers keine stichhaltigen Gründe für die in den Abs. 1 und 2 des § 37 FrG umschriebenen Annahmen bestehen, ist doch nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Gefährdung/Bedrohung i.S. der genannten Bestimmungen nur dann anzunehmen, wenn sie sich auf das gesamte Gebiet des Heimatstaates des Fremden erstreckt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0295, und vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/0883). Weshalb - so das alleinige zu diesem Fragenkreis erstattete Beschwerdevorbringen - eine Abschiebung in den "kurdisch kontrollierten Nordirak faktisch unmöglich (ist)", wird vom Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar dargelegt. Eine Bezugnahme auf "allgemeine Erkenntnisse" und "wiederholte Feststellungen der Bezirkshauptmannschaft Schärding am Inn" reicht nicht aus.

4. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde eine Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zutreffend als nicht glaubhaft gemacht angesehen hat, somit die behauptete Rechtsverletzung - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt - nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte