VwGH 97/17/0244

VwGH97/17/024417.4.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Juni 1997, Zl. Gem - 521067/7 - 1997 - AP, betreffend Anzeigenabgabe (mitbeteiligte Partei: S-Verein, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

AnzeigenabgabeG OÖ §1 Abs1;
AnzeigenabgabeG OÖ §2 Abs3;
AnzeigenabgabeO Linz §1 Abs2 lita;
AnzeigenabgabeO Linz §2 Abs4 lita;
MedienG §1 Abs1 Z1;
AnzeigenabgabeG OÖ §1 Abs1;
AnzeigenabgabeG OÖ §2 Abs3;
AnzeigenabgabeO Linz §1 Abs2 lita;
AnzeigenabgabeO Linz §2 Abs4 lita;
MedienG §1 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenbegehren der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 10. August 1994 wurde dem Mitbeteiligten für die entgeltliche Veröffentlichung oder Verbreitung von Anzeigen in der Zeitschrift S eine Anzeigenabgabenachforderung für den Zeitraum Jänner bis Dezember 1993 bei einer Gesamtbemessungsgrundlage von S 146.540,-- mit S 14.654,-- festgesetzt und gleichzeitig ein Säumniszuschlag von S 586,-- vorgeschrieben. Der Mitbeteiligte erhob Berufung. Mit Bescheid des Stadtsenats der beschwerdeführenden Landeshauptstadt vom 8. Februar 1996 wurde dieser Berufung keine Folge gegeben. Auf Grund der Vorstellung des Mitbeteiligten hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. August 1996 die Berufungsentscheidung auf und verwies die Angelegenheiten zur neuerlichen Entscheidung an die Landeshauptstadt Linz.

Begründend führte die belangte Behörde in diesem Bescheid nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des § 2 Abs. 3 Oö Anzeigenabgabegesetz sowie der Darstellung der maßgeblichen Bestimmungen der Anzeigenabgabenordnung der Stadt Linz vom 18. Juli 1952 aus, dass der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 1973, Zl. 184/73, speziell zur Rechtslage in Oberösterreich ausgeführt habe, dass der Ort, in dem die Verbreitung erfolgt, jener Ort sei, in welchem die Verbreitung ihr Ziel finde. Der Begriff "erstmalig" bedeute nicht "zuerst", sondern "auf einmal". Die nach der Art und dem Umfang der Verbreitung üblichen Zeitdifferenzen hätten außer Betracht zu bleiben. Die mitbeteiligte Partei hätte darauf hingewiesen, dass 500 bis 600 Exemplare zuerst in O verbreitet würden. Es sei unerheblich, wieviel Ausgaben der Zeitschrift in Linz verbreitet worden seien und ob in Linz mehr Zeitschriften als in O verbreitet worden seien. Maßgeblich sei nur, wann eine Anzahl von Exemplaren dieses Druckwerks erstmalig einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht worden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließe auch die erstmalige Verbreitung gegenüber einem bestimmten Personenkreis im Bereich einer hebeberechtigten Gebietskörperschaft bei einem die üblichen Zeitdifferenzen bei der Verbreitung der Exemplare überschreitenden Vorgang die Wertung einer nochmaligen späteren Verbreitung begrifflich aus. Nur bei einer unter Berücksichtigung der üblichen Zeitdifferenzen nahezu gleichzeitigen Zugänglichmachung (wie etwa bei gleichzeitiger Versendung die Tage des Postenlaufes) eines Druckwerkes in verschiedenen hebeberechtigten Gebietskörperschaften werde die Abgabepflicht in jeder von ihnen ausgelöst. Es wäre im gegenständlichen Fall die Frage zu klären, ob bei einer Zeitdifferenz von einer Woche zwischen Druck und Versendung überhaupt noch von einer gleichzeitigen Zugänglichmachung gesprochen werden könne. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung davon ausgehe, dass die Zeitdifferenz bis zu drei Wochen betragen könne, wenn sie auf manipulative Gründe zurückzuführen sei, so könne nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass es sich hiebei um manipulative Gründe handle.

Mit Bescheid vom 26. November 1996 wurde der Berufung des Mitbeteiligten neuerlich keine Folge gegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, dass von der Gesamtauflage von 9.000 bis 10.000 Stück der Zeitschrift S 500 bis 600 Exemplare an verschiedenen Stellen wie Banken, Ämtern, Kultureinrichtungen in O (Oberösterreich) aufgelegt und verteilt wurden. Einige Tage später seien die restlichen 9.000 Exemplare per Post bundesweit an die Empfängeradressen zugestellt worden. Durch die Verteilung per Post würden rund 2.500 Linzer Adressaten die Zeitschrift erhalten. Es sei nicht erkennbar, dass der Abgabepflichtige bewusst eine zeitliche, örtliche oder sachliche Trennung der Auflage vornehmen habe wollen. Daraus ergebe sich, dass im konkreten Fall von einer Verbreitung bzw. Veröffentlichung einer einzigen Auflage auszugehen gewesen sei. Die grammatikalisch und systematisch teleologische Interpretation des Tatbestandsmerkmales, eine Zeitschrift einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen, müsse im Ergebnis dazu führen, dass bei einer Verbreitung in Oberösterreich in einer Anzahl von rund 2.800 Exemplaren in Linz auch der "größere Personenkreis" gegeben sei, dem diese Zeitschrift zugänglich gemacht werde. Lasse man die nach Art und Umfang der Verbreitung üblichen Zeitdifferenzen außer Betracht, erfolge die erstmalige Verbreitung dort, wo die Zeitschrift einem bzw. dem größeren Personenkreis zugänglich gemacht werde. Der Begriff des größeren Personenkreises sei dahingehend zu interpretieren, dass damit nur der "größtmögliche" Adressatenkreis gemeint sein könne. Die Voraussetzungen für die Vorschreibung der Anzeigenabgabe durch die Beschwerdeführerin aus dem Rechtstitel des Erscheinungsortes seien daher gegeben.

Auf Grund einer Vorstellung des Mitbeteiligten hob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufungsentscheidung auf. Begründend führt die belangte Behörde insbesondere aus, dass gemäß § 1 Abs. 2 lit. a Anzeigenabgabeordnung der Stadt Linz die Stadt Linz abgabeberechtigt sei, wenn der Erscheinungsort des Druckwerkes Linz sei. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a unterliege der Abgabe die entgeltliche Veröffentlichung oder Verbreitung von Anzeigen (Ankündigungen und Anpreisungen) in Druckwerken, soweit sie nicht Gegenstand der Ankündigungsabgabeordnung der Stadt Linz seien.

Erscheinungsort im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. a der Anzeigenabgabeordnung sei die Gemeinde Linz nach § 2 Abs. 4 leg. cit. dann, wenn die Verbreitung des Druckwerkes erstmalig in Linz erfolge.

Nach den im Verfahren getroffenen Feststellungen seien im Jahr 1993 insgesamt sieben "Auflagen" der Zeitschrift S von jeweils ca. 9.000 bis 10.000 Stück gedruckt worden. Unmittelbar nach Beendigung des Druckvorganges holten Vereinsmitglieder und andere Helfer vorerst nur 500 bis 600 Exemplare von der Druckerei ab und legten diese in O in verschiedenen Stellen (Banken, Ämter, Kulturszene) auf. Der restliche Teil der Auflage - darunter auch rund 2.800 Exemplare für Linzer Adressaten - werde durch die Post erst vier Tage bis eine Woche nach Abholung von der Druckerei im Raum Oberösterreich und auch bundesweit versendet. Somit werde die Zeitschrift S erstmals in O 500 bis 600 Personen, d.h. einem größeren Personenkreis, zugänglich gemacht. Dass in weiterer Folge in Linz eine größere Anzahl von Exemplaren dieser Zeitschrift verteilt bzw. an den größeren Personenkreis gegenüber anderen oberösterreichischen Gemeinden verbreitet werde, sei irrelevant. Wenn auch für die Berufungsbehörde im Abgabenverfahren nicht erkennbar gewesen sei, dass der Abgabepflichtige bewusst eine gewollte zeitliche, örtliche oder sachliche Trennung der Auflagen vornehmen habe wollen, könne dennoch nicht davon ausgegangen werden, dass im vorliegenden Fall von einer Verbreitung bzw. Veröffentlichung einer einzigen Auflage auszugehen ist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf richtige Tatsachen- und Rechtsbeurteilung durch die Aufsichtsbehörde geltend gemacht wird und insbesondere vorgebracht wird, dass die erstmalige Verbreitung gemäß § 2 Abs. 3 Oberösterreichisches Anzeigenabgabegesetz bzw. Linzer Anzeigenabgabeordnung sehr wohl in Linz erfolge.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Die Beschwerdeführerin hat auf die Gegenschrift repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Anzeigenabgabeordnung, womit die Stadt Linz von der Ermächtigung des § 1 Abs. 1 OÖ Anzeigenabgabegesetz, LGBl. Nr. 17/1952 (in der Folge kurz: AnzAbgG), zur Ausschreibung einer Anzeigenabgabe Gebrauch gemacht hat, wird für die entgeltliche Veröffentlichung oder Verbreitung von Anzeigen in Druckwerken und für die entgeltliche Verbreitung von Anzeigen mittels Lautsprecher an öffentlichen Orten oder durch den Rundfunk eine Abgabe erhoben. Gemäß § 1 Abs. 2 lit. a AnzAbgO ist die Stadt Linz abgabeberechtigt, wenn der Erscheinungsort des Druckwerkes Linz ist.

Gemäß § 2 Abs. 4 lit. a AnzAbgO ist Erscheinungsort im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. a dieser Verordnung die Gemeinde Linz dann, wenn die Verbreitung des Druckwerkes erstmalig in Linz erfolgt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinen Erkenntnissen vom 28. Juni 1973, Zl. 184/73, und vom 20. Juni 1986, Zl. 84/17/0173, speziell zur Rechtslage in Oberösterreich ausgeführt hat, ist der Ort, in dem die Verbreitung erfolgt, jener Ort, in welchem die Verbreitung ihr Ziel findet, das Druckwerk also einem größeren Personenkreis zugänglich wird. Hiebei bedeutet jedoch der Begriff "erstmalig" nicht "zuerst", sondern "auf einmal" in dem Sinn, dass es nur darauf ankommt, dass eine Anzahl von Exemplaren eines bestimmten Druckwerkes, welches bis dahin nicht einem größeren Personenkreis zugänglich war, einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird (dies übersieht auch der mitbeteiligte Verein, wenn er sich gegen die Auslegung des Begriffes "erstmalig" im Sinn von "auf einmal" wendet). Die nach der Art und dem Umfang der Verbreitung üblichen Zeitdifferenzen haben außer Betracht zu bleiben.

Wie sich aus der oben im Wesentlichen wiedergegebenen tragenden Begründung des Vorstellungsbescheides vom 20. August 1996 ergibt, legte die belangte Behörde in diesem Erkenntnis das im Vorstehenden genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1973 zugrunde und sah es als erforderlich an, dass zu klären sei, ob bei einer Zeitdifferenz von einer Woche zwischen Druck und Versendung überhaupt noch von einer gleichzeitigen Zugänglichmachung gesprochen werden könne. Diese Begründung wird man im Zusammenhalt mit den von der belangten Behörde auch dargestellten Einwänden der mitbeteiligten Partei dahingehend deuten können, dass es der belangten Behörde nicht so sehr auf die Zeitdifferenz zwischen dem Druck und der Versendung, sondern auf die Zeitdifferenz zwischen der Auflage von einigen Hundert Exemplaren in O und der Versendung an die Empfänger in Linz ankam. Insbesondere überbürdete die belangte Behörde in Übereinstimmung mit dem zitierten Vorerkenntnis der Gemeindebehörde die Feststellung, ob die Zeitverzögerung bis zum Eintreffen der Exemplare in Linz nur auf manipulative Gründe im Sinne dieses Erkenntnisses zurückzuführen sei.

Da dieser Vorstellungsbescheid unbekämpft blieb, entfaltete er im Rahmen seiner tragenden Aufhebungsgründe Bindungswirkung für das weitere Verfahren und bindet insbesondere auch den Verwaltungsgerichtshof.

Die Gemeindebehörden waren gehalten, in Entsprechung der Rechtsauffassung der belangten Behörde die Gründe für die Verzögerung zwischen Zugänglichsein der Auflage in Linz und der Auflage in O zu prüfen. Die belangte Behörde hatte - ebenfalls in Bindung an ihren ersten Vorstellungsbescheid - auf Grund der Vorstellung des Mitbeteiligten die Prüfung, ob subjektive Rechte des Mitbeteiligten verletzt wurden, darauf zu beschränken, ob der von der Gemeindebehörde festgestellte Sachverhalt die Beurteilung, dass nur manipulative Gründe für die Verzögerung maßgeblich seien, zutrifft oder nicht. Soferne der diesbezüglich von der Gemeindebehörde festgestellte Sachverhalt für eine solche Beurteilung nicht als ausreichend qualifiziert worden wäre, wäre gegebenenfalls eine Aufhebung wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften in Betracht gekommen.

Die belangte Behörde hat jedoch ihre Aufhebung des angefochtenen Gemeindebescheids nicht darauf gestützt, dass der von der Gemeindebehörde festgestellte Sachverhalt die rechtliche Beurteilung, ob lediglich manipulative Gründe für die Zeitdifferenz zwischen Auflage in O und Zustellung in Linz verantwortlich seien nicht decke. Sie hat vielmehr unter ausschließlicher Heranziehung des Umstandes, dass die Auflage in O unbestrittenermaßen zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem die Zustellung an die Linzer Empfänger noch nicht abgeschlossen war, geschlossen, dass damit keine erstmalige Verbreitung in Linz vorliege. Damit hat sie sich auch über die tragenden Gründe ihres Bescheides vom 20. August 1996 hinweggesetzt, da dort zutreffenderweise als streitentscheidend angesehen wurde, ob lediglich manipulative Gründe für die Zeitdifferenz zwischen Auflage in O und Zustellung in Linz maßgeblich waren.

Da die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Das Kostenbegehren der Beschwerdeführerin war gemäß § 49 Abs. 1 VwGG idF BGBl. I Nr. 88/1997 abzuweisen, da die Beschwerdeführerin bei Einbringung der Beschwerde nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war.

Wien, am 17. April 2000

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