VwGH 97/17/0230

VwGH97/17/023022.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und den Senatspräsidenten Dr. Puck, sowie die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Köflach, vertreten durch Dr. M und Mag. W, Rechtsanwälte in B, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Mai 1994, Zl. 7-48 Bu 27/1-1994, betreffend Vorstellung i.A.

Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages (mitbeteiligte Partei: I, vertreten durch Dr. J und Dr. G, Rechtsanwälte in J), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Stmk 1968 §6a Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
BauO Stmk 1968 §6a Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenaufwand wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. November 1993 schrieb der Bürgermeister der beschwerdeführenden Stadtgemeinde der mitbeteiligten Partei gemäß § 6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 (im folgenden: Stmk BauO 1968), in der geltenden Fassung, aufgrund der mit Bescheid vom 15. September 1993 erteilten Baubewilligung unter Zugrundelegung einer verbauten Fläche von 433,46 m2 und eines Einheitssatzes von S 100,-- einen Aufschließungsbeitrag in der Höhe von S 43.346,-- vor.

Die mitbeteiligte Partei erhob Berufung und berief sich darauf, daß es sich bei der Errichtung des Gebäudes um eine Wiedererrichtung im Sinne des § 6a Abs. 2 letzter Satz Stmk BauO 1968 in der Fassung der Stmk BauONov 1991 handle.

Mit Bescheid vom 2. Februar 1994 wies der Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde die Berufung der mitbeteiligten Partei als unbegründet ab.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe auf dem Grundstück Bfl. .53/5, KG G, ursprünglich ein Wohnhaus im Ausmaß von ca. 21,25 m Länge und ca. 10,44 m Breite bestanden. Dieses Wohnhaus sei mit seiner nordwestlichen und nordöstlichen Außenwand direkt an der Grundgrenze zum Grundstück Bfl. .53/1, KG G, gestanden. Dieses Wohnhaus sei abgetragen worden.

Mit der in Rede stehenden Baubewilligung vom 15. September 1993 sei die Errichtung eines Wohnhauses parallel zur nordwestseitigen Grundgrenze in einem Abstand von 4,0 m von dieser und in einem Abstand von 4,0 m von der ost-nordostseitigen Grundgrenze bei einem Ausmaß von 22 m Länge und 8 m Breite bewilligt worden. Damit decke sich die verbaute Fläche des neu zu errichtenden Wohnhauses nicht mit der verbauten Fläche des abgetragenen Wohnhauses, vielmehr sei die Situierung dieses neuen Wohnhauses gegenüber dem früheren Wohnhaus in Richtung Süden verschoben. Im Hinblick darauf, daß die Errichtung des neuen Bauwerkes an einer anderen Stelle erfolgen soll als das ursprünglich bestehende Wohnhaus, liege ein Fall des § 6a Abs. 2 letzter Satz Stmk BauO 1968 nicht vor. Für das ursprünglich bestehende abgetragene Wohnhaus sei noch nie ein Aufschließungsbeitrag geleistet worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Vorstellung, in der sie der Feststellung der Berufungsbehörde, für das ursprünglich bestehende abgetragene Wohnhaus sei noch nie ein Aufschließungsbeitrag geleistet worden, nicht entgegentrat.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Berufungsbescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde aus Anlaß der Vorstellung auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Partei. Begründend führte die belangte Behörde aus, die im § 6a Abs. 2 letzter Satz Stmk BauO 1968 normativ zum Ausdruck gebrachte Zielvorstellung, nämlich die Begünstigung des Entfalls der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages an die Bedingung zu knüpfen, daß die Wiedererrichtung zum einen dem Bauwerber keinen Aufschließungsvorteil biete und zum anderen der Gemeinde keine zusätzlichen Kosten verursache, erlaube es dieser Gesetzesstelle den Inhalt beizulegen, daß von einer Wiedererrichtung auch dann gesprochen werden könne, wenn die Bauführung im Bereich des Bauplatzes des zuvor abgebrochenen Gebäudes erfolge. Da sich weder der Verwendungszweck des Gebäudes geändert, noch die Geschoßfläche vergrößert habe, sei der angefochtene Berufungsbescheid aufzuheben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde erachtet sich in ihrem Recht darauf, daß ihr letztinstanzlicher Bescheid mangels Verletzung subjektiver Rechte des Vorstellungswerbers nicht von der Gemeindeaufsichtsbehörde aufgehoben wird, verletzt. Im Hinblick darauf, daß sich die verbaute Fläche des neu zu errichtenden Wohnhauses nicht mit der verbauten Fläche des abgetragenen Wohnhauses decke, könne von einer Wiedererrichtung im Sinne des § 6a Abs. 2 letzter Satz Stmk BauO 1968 nicht gesprochen werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, wie auch der Mitbeteiligte, eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Beschluß vom 23. Februar 1996 stellte der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag,

1.) den § 6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, in der Fassung der Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1988, LGBl. Nr. 14/1989, und der Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1991, LGBl. Nr. 42, zur Gänze,

2.) in eventu den § 6a Abs. 2 letzter Satz leg. cit. in der vorhin zitierten Fassung,

als verfassungswidrig aufzuheben,

  1. 3.) in eventu
    1. a) festzustellen, daß die unter 1.) genannte Bestimmung,
    2. b) hilfsweise festzustellen, daß die unter 2.) genannte Bestimmung,

      verfassungswidrig war.

      Hinsichtlich der näheren Begründung dieses Antrages wird auf den in Rede stehenden Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere folgender Begründungsteil hervorzuheben ist:

"Für den Fall, daß § 6a leg. cit. nicht zur Gänze verfassungsrechtlich bedenklich erscheint oder daß der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertritt, Präjudizialität liege im vorliegenden Fall lediglich in Ansehung der Ausnahmebestimmung des § 6a Abs. 2 letzter Satz leg. cit. in der Fassung Nov 1991 vor, verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die gegen die letztgenannte Ausnahmebestimmung in seinem Gesetzesprüfungsantrag vom 21. Juli 1995, Zl. A 114/95 (95/17/0027), dargelegten Bedenken, wonach diese Bestimmung gegen das Sachlichkeitsgebot und das Gebot zur gleichmäßigen Heranziehung der Interessenten zu den Aufschließungslasten verstößt, weil sie die Wiedererrichtung eines Gebäudes (im selben Ausmaß und bei gleichem Verwendungszweck wie der Altbestand) auch dann aus der Abgabenpflicht ausnimmt, wenn sich bisher ein Beitragstatbestand (nach dem Regime der Nov 1974 oder jenem der Nov 1988) noch nicht verwirklicht hat, ein Aufschließungsbeitrag noch nicht vorgeschrieben oder (insbesondere) eine Beitragsleistung noch nicht erbracht wurde."

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 1997 wurde - unter anderem - diesem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes nicht Folge gegeben. Hinsichtlich der gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 6a Abs. 2 letzter Satz Stmk BauO 1968 idF der Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1991 vorgebrachten Bedenken führte der Verfassungsgerichtshof folgendes aus:

"Was schließlich die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung anlangt, § 6a Abs. 2 letzter Satz Stmk BauO idF der Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1991 stelle "eine unsachliche Privilegierung jenes im Zeitpunkt des Inkrafttretens der BauONov vorhandenen Gebäudealtbestandes (dar), für den nach den bis dahin geltenden Regelungen der Stmk BauO Aufschließungsbeiträge noch nicht entrichtet wurden (bzw. nicht zu entrichten waren)", so ist auf folgendes hinzuweisen:

Gemäß § 6a Abs. 2 erster Satz Stmk BauO darf für dasselbe Gebäude der Aufschließungsbeitrag nur einmal vorgeschrieben werden. In Verbindung damit liegt der offenkundige Zweck des § 6a Abs. 2 letzter Satz Stmk BauO idF der Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1991 darin, im Falle der Wiedererrichtung eines Gebäudes eine (neuerliche) Beitragsvorschreibung - innerhalb bestimmter Grenzen (höchstens im selben Ausmaß, ohne Änderung des Verwendungszweckes, für die Gemeinde keine zusätzlichen Kosten) - im Sinne des im ersten Satz geregelten Grundsatzes der Vermeidung der "Doppelvorschreibung" auszuschließen. Angesichts dessen ist dem Gesetzgeber aber nicht zu unterstellen, daß er die "Wiedererrichtung" in gleichheitswidriger Weise privilegieren wollte: Im Zusammenhang mit dem im ersten Satz geregelten Grundsatz kommt die Befreiungsbestimmung des letzten Satzes des § 6a Abs. 2 Stmk BauO idF LGBl. 42/1991 vielmehr nur dann zum Tragen, wenn für das ursprüngliche Gebäude bereits ein Beitrag entrichtet wurde."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 6a Abs. 1 und 2 Stmk BauO 1968 in der Fassung der Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1988, LGBl. Nr. 14/1989, und der Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1991, LGBl. Nr. 42, lauteten:

"(1) Die Baubehörde hat gleichzeitig mit der Erteilung einer Baubewilligung einen Aufschließungsbeitrag für die im Bauland (§ 23 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127) gelegenen Grundstücke vorzuschreiben. Dieser Beitrag, der für die Errichtung der Fahrbahn und der Straßenbeleuchtung sowie für die Oberflächenentwässerung zu verwenden ist, wird zur Hälfte mit Rechtskraft der Baubewilligung fällig. Die zweite Hälfte des Beitrages wird mit Rechtskraft der Benützungsbewilligung oder einer Teilbenützungsbewilligung fällig. Der Aufschließungsbeitrag wird jedoch zur Gänze mit Rechtskraft der Baubewilligung fällig, wenn die Aufschließung des Grundstückes zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen ist.

(2) Der Aufschließungsbeitrag darf für dasselbe Gebäude nur einmal vorgeschrieben werden. Im Falle von Um- und Zubauten oder bei Vorliegen mehrerer Baubewilligungen ist ein Ergänzungsbeitrag entsprechend der Vergrößerung der Geschoßfläche (Abs. 3) vorzuschreiben. Ein vor Inkrafttreten dieses Gesetzes entrichteter Aufschließungsbeitrag ist bei Aufschließungsbeitragsvorschreibung nach diesem Gesetz anzurechnen. Bei der Wiedererrichtung von Gebäuden höchstens im selben Ausmaß ohne Änderung des Verwendungszweckes hat die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages zu entfallen, wenn dadurch für die Gemeinde keine zusätzlichen Kosten für die Errichtung der Fahrbahn und der Straßenbeleuchtung sowie für die Oberflächenentwässerung verursacht werden."

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich den oben wiedergegebenen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 4. März 1997 an. Demnach kommt die Befreiungsbestimmung des § 6a Abs. 2 letzter Satz

Stmk BauO 1968 nur dann zum Tragen, wenn für das ursprüngliche Gebäude bereits ein Beitrag entrichtet wurde.

Dies war jedoch nach den in der Vorstellung unbekämpft gebliebenen Feststellungen der Berufungsbehörde nicht der Fall. Nach dem Vorgesagten ist daher die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 6a Abs. 2 letzter Satz

Stmk BauO 1968 unabhängig davon ausgeschlossen, ob es sich bei der in Rede stehenden Bauführung um eine "Wiedererrichtung" handelte.

Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte und den mit Vorstellung angefochtenen Bescheid mit der tragenden Begründung, der Befreiungstatbestand des § 6a Abs. 2 letzter Satz Stmk BauO 1968 liege vor, aufhob, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und verletzte die beschwerdeführende Stadtgemeinde in ihrem Recht darauf, daß ihr letztinstanzlicher Bescheid mangels Verletzung subjektiver Rechte des Vorstellungswerbers nicht von der Gemeindeaufsichtsbehörde aufgehoben wird.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren wären nicht beizubringen gewesen, weil die beschwerdeführende Gemeinde gemäß § 2 Z. 2 des Gebührengesetzes 1957 von deren Entrichtung befreit ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1990, Zlen. 89/06/0050, 0145 und 0200).

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