VwGH 97/15/0147

VwGH97/15/014725.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des A Z in L, vertreten durch Mag. Werner Suppan, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Thaliastraße 100, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom 8. Juli 1997, RV/067-06/10/97, betreffend Umsatzsteuer 1995, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §12 Abs1;
UStG 1994 §1;
UStG 1994 §12 Abs1;
UStG 1972 §12 Abs1;
UStG 1994 §1;
UStG 1994 §12 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.980 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdefall steht in Zusammenhang mit den unter dem Begriff "Mehrwertsteuerschwindel des Werner Rydl" durch zahlreiche Medienberichte und Publikationen in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.

Der Beschwerdeführer betreibt eine Handelsagentur. Im Zuge einer Prüfung der Umsatzsteuervoranmeldungen für mehrere Voranmeldungszeiträume des Jahres 1995 traf der Prüfer die Feststellung, der Beschwerdeführer habe aus Rechnungen über eine Reihe von Waren (Radlader, Fenster, Hallenkonstruktion sowie Parfumessenzen) Vorsteuern in Anspruch genommen. Die Einkaufpreise seien weit über den handelsüblichen Preisen gelegen. Der Beschwerdeführer habe an seine Lieferanten (F-GmbH, EL, und MV) lediglich Zahlungen in Höhe der auf den Rechnungen ausgewiesenen Mehrwertsteuer geleistet. Hinsichtlich des weiteren Teiles des Rechnungsbetrages sei so verfahren worden, daß die Kundin des Beschwerdeführers - sie sei eine Gesellschaft mit Sitz in Brasilien - jeweils einen Orderverrechnungsscheck (in Schilling) direkt für die Lieferanten des Beschwerdeführers ausgestellt habe. Tatsächlich sei allerdings keiner dieser Schecks eingelöst worden. Dies wäre auch deshalb nicht möglich gewesen, weil ein Orderverrechnungsscheck einer ausländischen Bank "angeblich" entweder in deren Landeswährung oder in US-Dollar ausgestellt sein müsse. Nach Ansicht des Prüfers stehe der Vorsteuerabzug nicht zu.

In der Berufung gegen den den Prüfungsfeststellungen entsprechend ergangenen Umsatzsteuerjahresbescheid für 1995 brachte der Beschwerdeführer vor, daß die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gegeben seien. Er legte Gutachten des Zivilingeniers Dipl. Ing. Helmut Frühwirth zum Wert der "Duftkonzentrate Pupis und Synus" vor. Im Gutachten wird die Überlegung angestellt, daß diverse Inhaltsstoffe der genannten Duftkonzentrate auch in Markenprodukten (im Gutachten wird das Eau de Toilette "Eternity for men" herangezogen) enthalten seien. Der Alkoholgehalt von "Eternity for men" betrage ca. 81 Volumsprozent, sein Preis für 100 ml 775 S (für 50 ml 590 S). Dieser Preis entfalle sohin im wesentlichen auf die 19 Volumsprozent an Duftstoffkonzentraten. Legt man diesen Preis für Duftstoffkonzentrate auf die Konzentrate "Pupis" und "Synus" um - diese enthielten keine Verdünnungsmittel oder Lösungsmittel -, so errechne sich ein Literpreis von 40.000 S bis 60.000 S.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Das Vorliegen einer Rechnung iSd § 11 UStG sei materiellrechtliche Voraussetzung des Vorsteuerabzuges. Eine Rechnung müsse die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Ware aufweisen. In den Rechnungen der U-GmbH, der EL und des MV seien die Liefergegenstände nicht hinreichend konkretisiert. So seien die gelieferten Fenster als "Kunststoffenster, Modell Fink, weiß, Sicherheitssonnenschutzverglast, Breite: 1466, Höhe 1180, Stulpenausführung" bezeichnet; es sei aber zu beachten, daß es am Markt keine "Fink Fenster" gebe. Bei Fenstern sei die Angabe der Marke unerläßlich für die Spezifizierung, weil sich daraus erst die wesentlichen Merkmale (Material, Verarbeitung, Glasstärke, Anzahl der Scheiben, Wärmedämmung) ergäben. Die Produkte der Fa. Fink seien Waren, die um ein Vielfaches ihres tatsächlichen Wertes und unter Verwendung obskurer Bezeichnungen an Lieferanten von Firmen, die Werner Rydl zuzurechnen seien, angeboten worden seien. Der Preis des vom Beschwerdeführer gekauften Radladers hätte ein Zehntel des fakturierten Preises betragen; ein "Fink Lader" sei am Markt überdies nicht erhältlich. Parfumöle würden, so sie nicht durch ihre Marke spezifiziert seien, durch Angabe ihrer Inhaltsstoffe, ihrer Verarbeitung und ihrer Herkunft bestimmt. Eine Bezeichnung, die solche Mindestangaben nicht aufweise, sei nicht branchenüblich. Durch die im gegenständlichen Fall gewählten Phantasienamen seien die Waren in keiner Weise konkretisiert. Der Handelswert von Parfums setze sich aus den Materialkosten und den ideellen Kosten zusammen. Aus dem Gutachten des Dipl. Ing. Helmut Frisch lasse sich für den gegenständlichen Fall nichts gewinnen. Der Gutachter habe zwar festgestellt, daß Anteile der Duftstoffe von "Pupis" und "Synus" ca. 65% der Stoffe von "Eternity for men" ausmachen. Der Schluß allerdings, bei "Pupis" bzw. "Synus" handle es sich um wertvolle Kreationen, weil sich im Konzentrat auch Stoffe fänden, die in Markenparfums enthalten seien, sei nicht nachvollziehbar. Bei Parfum sei der ideelle Wert für die Preisbestimmung wesentlich. Bei den Produkten der F-GmbH gebe es diesen Wert allerdings nicht, weil sie keinen "Namen" hätten; sie könnten auch gar nicht bekannt sein, weil sie nur speziellen Kunden zur ungerechtfertigten Geltendmachung von Vorsteuern angeboten würden. Im gegenständlichen Fall seien - hinsichtlich aller Waren - Rechnungen über offenbar hochwertige Produkte ausgestellt, tatsächlich aber andere Waren geliefert worden. Die gelieferten Waren könnten den Rechnungen nicht zugeordnet werden. Der Beschwerdeführer sei von Werner Rydl deswegen als Zwischenhändler eingeschaltet worden, um nicht den Rückschluß auf den wahren Lieferanten zu ermöglichen. Rechnungen an einen derartigen "Strohmann" führten nicht zum Vorsteuerabzug; die Geschäfte seien diesem nicht zuzurechnen. Der Berufung könne kein Erfolg beschieden sein, weil die Bezeichnung der Waren in den Rechnungen unzureichend gewesen sei und zudem keine dem Fakturenwert entsprechenden Waren geliefert worden seien.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 12 Abs. 1 UStG 1994 lautet:

"Der Unternehmer kann folgende Vorsteuerbeträge abziehen:

1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist.

..."

Wie in der Beschwerde zu Recht aufgezeigt wird, muß die Begründung eines Abgabenbescheides u.a. erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt worden ist und aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).

Der angefochtene Bescheid läßt (über die bloße Behauptungsebene hinausgehende) sachverhaltsmäßige Feststellungen vermissen, aus denen sich ergäbe, daß die in den Rechnungen verwendeten Bezeichnungen nicht solche wären, die für die gelieferten Waren allgemein im Geschäftsverkehr verwendet werden. Daher vermögen ihn auch die in der Beschwerde bestrittenen Ausführungen, die Rechnungen erfüllten nicht die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Z. 3 UStG (handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände), nicht zu tragen.

Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1972 und UStG 1994 setzt der Vorsteueranspruch eine Übereinstimmung zwischen gelieferter und in der Rechnung ausgewiesener Ware voraus. Diese Voraussetzung ist, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Mai 1998, 96/15/0220 - auf dieses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen - ausgesprochen hat, dann nicht erfüllt, wenn die in der Rechnung gewählte Beschreibung des Liefergegenstandes eine solche Vorstellung vom Liefergegenstand hervorruft, die mit dem tatsächlich gelieferten Gegenstand nicht in Einklang zu bringen ist.

Aufgrund der Angaben in den Rechnungen, einschließlich der entsprechenden Preisangaben, konnte die belangte Behörde im gegenständlichen Fall unbedenklich davon ausgehen, daß die Rechnungen teure und qualitativ hochwertige Produkte ausweisen. Solcherart würden die Rechnungen dem Beschwerdeführer das Recht auf Vorsteuerabzug dann nicht vermitteln können, wenn die Gegenstände der tatsächlichen Lieferungen andere Waren gewesen wären.

Zum Wert bestimmter Parfumkonzentrate hat der Beschwerdeführer Gutachten vorgelegt. Der Gutachter vergleicht die Konzentrate mit einem Markenprodukt und kommt zum Ergebnis, daß mehrere Stoffe der Konzentrate im Markenprodukt enthalten seien. Ausgehend von der Überlegung, daß das Markenprodukt zu 81 Volumsprozent aus Alkohol (- dessen Preis liege bei nur 120 S pro Liter -) bestehe, und daß sein Endabnehmerpreis in der Parfümerie 775 S für 100 ml (590 S pro 50 ml) betrage, errechnet sich für die Duftstoffe dieses Produkts ein Literpreis von 40.000 S (bzw. 60.000 S). Eben diesen Preis mißt der Gutachter sodann auch den mit "Pupis" und "Synus" bezeichneten Duftstoffkonzentraten bei, ohne zu unterstellen, daß diesen beiden Produkten ideelle Komponenten (Name, Bekanntheit, etc.) zuzumessen wären, die in irgendeiner Weise mit jenen des zum Vergleich herangezogenen Markenproduktes vergleichbar wären. Solcherart konnte die belangte Behörde aber ohne jede Verletzung von Verfahrensvorschriften den in Rede stehenden Gutachten die Schlüssigkeit absprechen.

Die belangte Behörde hat es allerdings unterlassen, im angefochtenen Bescheid konkrete Feststellungen über den Wert - und daraus abgeleitet - die Art der tatsächlich gelieferten Gegenstände zu treffen und darzulegen, aufgrund welcher Ermittlungen und Überlegungsschritte sie zu solchen Feststellungen gelange. Die Behauptung, es wären keine dem Fakturenwert entsprechenden Waren geliefert worden, läßt keineswegs in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachprüfbaren Weise erkennen, daß die tatsächliche Lieferung nicht in solchen Waren bestanden hätte, wie sie in den Rechnungen ausgewiesen sind.

Den angefochtenen Bescheid vermögen aber auch nicht jene Ausführungen seiner Begründung zu tragen, wonach die Geschäfte (und somit der Ankauf der Waren) dem Beschwerdeführer nicht zuzurechnen wären. Der Bescheid enthält keine sachverhaltsmäßigen Feststellungen, aus denen sich ergäbe, daß die Umsätze unmittelbar zwischen EL, MV und der U-GmbH einerseits und dem Abnehmer in Brasilien andererseits, also ohne Zwischenschaltung des Beschwerdeführers abgewickelt worden wären. Soweit der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer als "Strohmann" bezeichnet, ist darauf zu verweisen, daß in der Übertragung des Treugutes an den Treuhänder bzw. durch den Treuhänder in der Regel ein umsatzsteuerlich relevanter Vorgang zu erblicken ist (vgl. Ruppe, UStG 1994, § 1 Tz 280 ff, und das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, 95/14/0082); die belangte Behörde hat somit in diesem Punkt die Rechtslage verkannt.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, die gegenüber der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften prävaliert, aufzuheben.

Ob die belangte Behörde die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen zur Anbahnung der Geschäfte unter Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen hat, kann dahingestellt bleiben, weil sie die Versagung des Vorsteuerabzuges nicht auf diese Feststellungen gestützt hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

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