Normen
BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §248;
KO §1;
UStG 1972 §16;
BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §248;
KO §1;
UStG 1972 §16;
Spruch:
Soweit der angefochtene Bescheid nicht die Haftung für Straßenverkehrsbeitrag samt den diesbezüglichen Nebenansprüchen betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Entscheidung über die Haftung für Straßenverkehrsbeitrag samt den diesbezüglichen Nebenansprüchen ergeht unter Zl. 97/16/0193.
Auch die Kostenentscheidung erfolgt unter Zl. 97/16/0193.
Begründung
Der Verwaltungsgerichtshof hat den an Dr. H ergangenen Haftungsbescheid der belangten Behörde vom 3. August 1992, Zl. GA 7-1463/10/91, mit Erkenntnis vom 27. Juni 1994, 92/16/0147 (soweit er die Haftung für Straßenverkehrsbeitrag samt Nebenansprüchen betrifft) und mit Erkenntnis vom 27. Juni 1994, 92/15/0162 (soweit er die Haftung für andere Abgaben betrifft) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf diese Erkenntnisse verwiesen.
Die Beschwerdeführerin ist die Rechtsnachfolgerin des im Jahr 1993 verstorbenen Dr. H.
Nach der Aktenlage hat die Beschwerdeführerin im fortgesetzten Verfahren kein weiteres Vorbringen erstattet und die belangte Behörde - mit Ausnahme einer Kontenabfrage bezüglich der Standes der offenen Abgaben, für welche sie den Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen hat - keine weiteren Ermittlungsschritte gesetzt.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolger des Dr. H im Instanzenzug zu der auf §§ 9 Abs. 1 und 80 BAO gestützten Haftung für Abgabenschulden des JD im Ausmaß von 554.577,80 S
(Umsatzsteuer 1985 und Straßenverkehrsbeiträge, jeweils mit Säumniszuschlägen) herangezogen. Dr. H sei Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des JD gewesen; dieses Verfahren habe mit einem rechtskräftig bestätigten Zwangsausgleich geendet. Das gemeinschuldnerische Unternehmen sei während des Insolvenzverfahrens unter Beiziehung des Gemeinschuldners fortgeführt worden. Am 2. November 1987, also einige Tage vor der Bestätigung des Zwangsausgleiches, habe das Finanzamt einen Prüfungsauftrag betreffend eine abgabenbehördliche Prüfung ausgestellt. Die Betriebsprüfung sei erst nach Aufhebung des Konkursverfahrens erfolgt. Im Berufungsverfahren sei eingewendet worden, es könne dem Masseverwalter nicht vorgeworfen werden, daß ein Großteil der baren Geschäftsfälle nicht bzw. nicht mit den tatsächlichen Beträgen in das Kassabuch eingetragen worden sei, zumal der Masseverwalter nicht den geringsten Anhaltspunkt für Malversationen des Gemeinschuldners gehabt habe; eine Aufhebung des Konkursverfahrens - sie sei am 3. Dezember 1987 nach Rechtskraft der Bestätigung des Zwangsausgleiches erfolgt - wäre nicht möglich gewesen, hätte das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt Masseforderungen gemäß § 150 Abs. 1 KO behauptet. Im Berufungsverfahren sei auch eingewendet worden, das Finanzamt hätte die Prüfung zu einem früheren Zeitpunkt durchführen können, es wären dann die Masseforderungen entsprechend berücksichtigt worden. Nach Ansicht der belangten Behörde sei Dr. H eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen, weil er eine laufende Überprüfung der Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten nicht vorgenommen habe. Aufgrund dieser Pflichtverletzung seien die Abgaben nicht zu einer Zeit, zu der die Konkursmasse noch über Mittel verfügt habe, im tatsächlichen Ausmaß angezeigt und entrichtet worden. Auch wenn die Abgabenansprüche erst nach Abschluß des Insolvenzverfahrens durch die Betriebsprüfung festgestellt worden seien, sei die Voraussetzung für die Haftung nach § 9 BAO gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof habe im aufhebenden Erkenntnis 92/16/0147 zum Ausdruck gebracht, es fehlten Feststellungen zu der Frage, ob die Behörde die gesetzlichen Möglichkeiten zur Erlangung der gemäß § 150 Abs. 1 KO vorgesehenen vollen Befriedigung von Masseforderungen ausgeschöpft habe; hiezu sei nunmehr erhoben worden, daß am 2. Dezember 1987, also vor der am 3. Dezember 1987 erfolgten Aufhebung des Konkursverfahrens, der Auftrag zur Vornahme einer Betriebsprüfung erteilt worden sei. Nach der Aktenlage sei die haftungsgegenständliche Masseforderung erst im Verlauf der Betriebsprüfung im Jahr 1988 festgestellt worden, weshalb es der Abgabenbehörde während des Konkursverfahrens nicht möglich gewesen sei, einen Rekurs gegen den Beschluß auf Aufhebung des Konkursverfahrens einzubringen oder mit einem Abhilfeantrag beim Konkurskommissär oder einer Klage gegen die Konkursmasse vorzugehen. Durch die Aufhebung des Konkursverfahrens seien die haftungsgegenständlichen Abgaben beim Abgabenschuldner uneinbringlich geworden. Im übrigen sei das Finanzamt nicht zur Anmeldung der haftungsgegenständlichen Abgaben im Konkurs verpflichtet gewesen, da diese, mit Ausnahme der Säumniszuschläge, Selbstbemessungsabgaben darstellten.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind bisher übereinstimmend davon ausgegangen, daß die aushaftenden Abgabenschulden als Masseforderungen einzustufen seien (vgl. die Ausführungen im hg. Erkenntnis 92/16/0147). In der Beschwerde wird nunmehr vorgebracht, ein Teil der Umsatzsteuernachforderung bestehe in einer Vorsteuerberichtigung nach § 16 Abs. 1 und 3 UStG und stelle daher eine Konkursforderung dar.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß nicht die Konkurseröffnung als solche zur Berichtigung nach § 16 UStG führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1978, 1636/77). Die Berichtigung ist vielmehr vorzunehmen, wenn die Entgeltsforderung für den Gläubiger uneinbringlich geworden ist. Da die Uneinbringlichkeit sachverhaltsmäßiger Feststellungen bedarf, stellt das Vorbringen des Beschwerdeführers eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar, worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht hinweist.
Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, der weitere Teil der Umsatzsteuernachforderung gehe auf eine Erlöshinzuschätzung in Höhe von 451.000 S zurück. Diese Schätzung nach § 184 BAO sei im Wege eines Sicherheitszuschlages erfolgt. Es seien aber die Voraussetzungen für eine Schätzung nicht gegeben.
In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß dem Primärschuldner gegenüber Abgabenbescheide ergangen sind (- soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, die Abgabenbescheide seien dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin trotz eines entsprechenden Antrages nicht vom Finanzamt ausgefolgt worden, sei auf die Vorschrift des § 248 BAO hingewiesen, nach welcher durch einen solchen Antrag die Frist für eine Berufung gegen den Abgabenbescheid gehemmt ist -). Wenn ein Abgabenbescheid vorliegt, können aber Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Verfahren gegen den Haftungsbescheid, sondern nur im Verfahren gegen den Abgabenbescheid vorgebracht werden (vgl das hg Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, 94/14/0148).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in den aufhebenden Erkenntnissen 92/16/0147 und 92/15/0162 ausgesprochen:
"Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zwar ausgeführt, daß die aushaftenden Abgaben beim Abgabenschuldner (Gemeinschuldner) uneinbringlich seien, aber weder dem angefochtenen Bescheid noch aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß die belangte Behörde die gesetzlichen Möglichkeiten zur Erlangung der gemäß § 150 Abs. 1 KO vorgesehenen vollen Befriedigung von Masseforderungen ausgeschöpft hätte. Hätte die belangte Behörde es aber verabsäumt, solche nach den Bestimmungen der KO vorgesehenen Rechte im Zwangsausgleichs- und Konkursverfahren durchzusetzen, dann könnte sie die Abgabenschuldigkeiten nicht beim Vertreter im Wege der Ausfallshaftung einheben.
Da Feststellungen in dieser Richtung fehlen, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil nicht auszuschließen ist, daß bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können."
Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus § 63 Abs. 1 VwGG die Verpflichtung der belangten Behörde, Feststellungen darüber zu treffen, ob die gesetzlichen Möglichkeiten zur Erlangung voller Befriedigung der Masseforderungen ausgeschöpft worden sind. In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde den zeitlichen Ablauf (Prüfungsauftrag/Aufhebung des Konkurses/Betriebsprüfung mit Abgabenvorschreibung) in die Bescheidbegründung aufgenommen. Sie hat ausgeschlossen, daß es die Abgabenbehörde verabsäumt hat, im Konkurs- bzw. Zwangsausgleichsverfahren Rechte durchzusetzen; die Abgabenforderungen sind nämlich erst im Verlauf der Betriebsprüfung im Jahr 1988 festgestellt worden, sodaß die Abgabenbehörde während des Konkursverfahrens keine entsprechenden rechtlichen Schritte setzen konnte.
Die belangte Behörde hat es in der Folge aber unterlassen zu erheben, ob die Abgaben nach der Aufhebung des Konkurses beim seinerzeitigen Gemeinschuldner - nach dem Beschwerdevorbringen führt dieser nunmehr das Unternehmen weiter - eingebracht werden können. Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift unter Hinweis auf die Entscheidung des OGH vom 20. Dezember 1927, SZ 9/223, vorbringt, der seinerzeitige Gemeinschuldner könne für Masseschulden nur beschränkt auf den Betrag der Masse herangezogen werden, ist festzuhalten, daß die zitierte Entscheidung für den gegebenen Sachverhalt nicht einschlägig ist und die erwähnte Beschränkung der Haftung keinesfalls Anwendung finden kann, wenn der Gemeinschuldner Schwarzgeschäfte tätigt und auf diesem Wege Mittel der Masse vorenthält. Gerade der Umstand, daß ein Teil der Umsatzsteuernachforderung auf eine Schätzung im Wege eines Sicherheitszuschlages zurückgeht, läßt aber eine solche Sachverhaltskonstellation als möglich erscheinen.
Die belangte Behörde hat sohin in Verkennung der Rechtslage entsprechende Erhebungen unterlassen. Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Auf die Frage, ob Dr. H in der fehlenden "laufenden Überprüfung" des Gemeinschuldners überhaupt ein haftungsbegründendes Verschulden vorgeworfen werden kann, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.
Wien, am 19. November 1998
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