VwGH 97/15/0092

VwGH97/15/009218.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des G in K, vertreten durch Dr. Ferdinand Weber und Dr. Hannes Hirtzberger, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Ringstraße 50, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 26. März 1997, GA 17-96/4231/08, betreffend Einkommensteuer 1992, 1994 und 1995, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §20 Abs1 Z1 impl;
EStG 1972 §20 Abs1 Z2 impl;
EStG 1972 §4 Abs4 impl;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2;
EStG 1988 §4 Abs4;
EStG 1972 §20 Abs1 Z1 impl;
EStG 1972 §20 Abs1 Z2 impl;
EStG 1972 §4 Abs4 impl;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2;
EStG 1988 §4 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erzielt - wie auch seine Gattin - aus der Tätigkeit als Künstler (plastische Kunst) Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie aus der Lehrtätigkeit an einer AHS (Bildnerische Erziehung) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Im Zuge einer den Zeitraum 1992 bis 1994 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung traf der Prüfer die Feststellung, daß der Beschwerdeführer mit seiner Gattin - nicht im Rahmen einer lehrgangsmäßigen Organisation unternomme - Auslandsreisen getätigt habe (Madrid vom 15. bis 21. Februar 1992, Indonesien vom 25. Juli bis 25. August 1992 und Portugal vom 20. Juli bis 12. August 1994). Aus dem "Reisetagebuch" betreffend die Madridreise ergibt sich folgendes Programm:

"15. 2. Nachmittag Abflug von Wien, Ankunft abends in Madrid, Quartiersuche

16. 2. Rundgang durch die Altstadt - Centro, Besichtigung:

Palacio Real, Plaza de la Villa, Museo Academia de Belles Artes, Convento de las Descalcas Reales und des Casa de Campa, Reina Sofia (Museum Moderner Kunst)

17. 2. Besuch der Österreichischen Botschaft und des Kulturinstitutes, Besichtigung der Plaza de Espana mit dem Cervantes-Denkmal, des Rastro, der Mercado de la Cebado, des Freilichtmuseums mit zeitgenössischen Skulpturen

18. 2. Besuch der Cathedral Senora und des Prado (größte El Greco-Sammlung)

19. 2. Besuch der Real Fabrica de Tapices, Exkursion zum El Escorial mit einem Mietauto

20. 2. Exkursion nach Toledo, der Stadt El Grecos 21. 7. Morgens Abflug nach Wien"

Der Beschwerdeführer habe - wie auch seine Gattin - die Kosten der Reisen (Flug- und Leihwagenkosten sowie Tages- und Nächtigungsgelder) unter dem Titel "Studienreisen" als Betriebsausgaben geltend gemacht. Er habe vorgebracht, im Rahmen der Reisen seien Fotos gemacht, Andenken erworben, interessante Bauwerke und Betriebe besichtigt und Reisetagebücher geschrieben worden; bei diesen Auslandsreisen gewonnene Eindrücke hätten Einfluß auf später geschaffene Kunstwerke gehabt. Nach Ansicht des Prüfers seien die auf den Reisen gesetzten Aktivitäten auch für "Nichtkünstler" von allgemeinem Interesse und geeignet gewesen, den Horizont der Allgemeinbildung zu erweitern und dem allgemein in der Gesellschaft feststellbaren Trend zum Abenteuerurlaub, besonders was Indonesien betrifft, zu entsprechen. Es lägen daher nichtabzugsfähige Aufwendungen der Lebensführung vor.

Für 1995 machte der Beschwerdeführer die Kosten einer mit seiner Gattin unternommenen Reise nach Ostafrika als Betriebsausgaben geltend.

Die Berufung gegen die Abgabenbescheide, mit welchen das Finanzamt die für die Reisen geltend gemachten Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben anerkannte, wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Aus den Reisetagebüchern ergebe sich folgender Reiseverlauf:

Indonesienreise

"25. 7. Flug Wien - Frankfurt - Signapore - Denpasar 26. 7. 12 Uhr Ankunft in Denpasar - Hotel Wina Cottage in Kuta

27. - 29. Versuche bei Touristinformationen, Garuda, Merpati, Sempati Fluglinien, den Flug nach Sulawesi - Ujung Pandang und retour zu buchen. Geplante Inseltour ist leider nicht möglich, unser Ethnologe Dr. T. hat weder für uns vorgebucht, noch ist er z. Z. erreichbar. Besuch von Antiquitätengeschäften und Galerien mit Ethno-Design, Kauf von Pfeilen aus Irian Jaja (für Stelenmotive!)

...

3. 8. Buchung bei Ramayana Tours: 7 Tage Trekking-Tour ins Torajagebiet, 2 Tage Begräbniszeremonien bei verstorbenen Fürsten, 2 Tage Besuch von Tau-Tau Begräbnisstätten

...

11. 8. Flußüberquerung des Sada mit Bambusfloß, Besichtigung mehrerer Begräbnisstätten mit Tau-Tau-Figuren (angezogene Holzpuppen!), Ketu Kesu: Dorf mit Betongräbern und den berühmten Herrschergräbern, Felswand mit quadratischen Öffnungen in großer Höhe, (Inspiration für Wandgestaltung Dreifaltigkeitsplatz K. 1995!)

12. 8. Begräbnisfeierlichkeiten mit Büffelschlachten (viele Hörner an den Häusern bedeuten Reichtum!), Einzug der verschiedenen Dorfgemeinschaften in einheitlicher Farben, bunte Bandarrangements und Fahnen (1994 entstand danach die Brückenfahne aus buntem Kunststoff für das Fahnenfestival!)"

Portugalreise

"20. 7. Flug nach Lissabon, Unterkunft im Residencia Dublin,

Fahrt zum Rossio (großer Platz zur Orientierung!). Suche einer

empfohlenen Tapisseriegalerie in der Rua Augusta

...

23. 7. Infotour in den Stadtteil Alfama (durch Brandkatastrophe vor einigen Jahren teilweise zerstörte Altstadt!), großteils wiederhergestellt. Nachmittag zeitgenössisches Museum (mit abstrakt geometrischen Bilder, ... Skizzen)

...

6. 8. Wir sind am Ziel der Reise: Dem Hauptplatz Rua Mayor von Salamanca. Renaissancearkaden rundum, ein ständig belebter Platz mit großen quadratischen Graniten ausgelegt, in den Seitenhalbierenden zwei Brunnen, leichtes Gefälle zur Mitte hin (vermutlich zur Steigerung der Perspektive!), Besichtigung des Innenhofes des theologischen Instituts, diagonale Pflasterung gliedert den Platz, schöne Zeremonienhalle (Ren.) mit bemalter Holzdecke

...

9. 8. Rückfahrt nach Coimbra (nicht ohne noch einmal über den Rua Mayor gegangen zu sein)

..."

Ostafrikareise

"10. 7. Fähre überfüllt, 6 Std Fahrt zur Gewürzinsel Pemba, ohne touristische Infrastruktur, Ziel Wete nicht erreicht, kein Strom, Selbstversorgung auf kleinem Eingeborenenmarkt

11. 7. Fußmarsch durch Regenwald entlang von Reisfeldern, Fahrt mit einem Dhau (Fischerboot mit Ausleger), schlechte Wasserversorgung

12. 7. Weiterfahrt per LKW mit Holzbänken nach Chake-Chake durch üppige Vegetation, können viel Kulturelles von Entwicklungshelfern erfahren (miese Nacht, Fledermäuse in der nichtfunktionierenden Klimaanlage)

13. 7. Besuch eines Obstmarkes (buntes Treiben, schöne Geflechte, erstehen selbstgewebte Kidenge = Wickelstoff)

14. 7. Fahrt mit Minibus zur Nordküste, haben von einem geschützten Regenwald erfahren, 10 km Fußmarsch ins Eingeborenendorf Tondooni, (porträtiere Dorfhäuptling, er lädt zum Bleiben ein) Frauen balancieren Wasserbehälter, wir essen mit Häuptling im Finsteren Huhn, äußerst freundlich, Verständigung Gestik und etwas Englisch

15. 7. Rückmarsch nach Konde, treffen amerik. Keramiksammler, weiter mit LKW nach Wete (essen vorwiegend Kartoffeln und Reis)"

Die genannten Reisetagebücher erbrächten nach Ansicht der belangten Behörde keinen Anhaltspunkt für die ausschließliche bzw nahezu ausschließliche betriebliche Veranlassung. Insbesondere die Reisetagebücher über Indonesien und Ostafrika vermittelten den Eindruck von Rundreisen bzw. Abenteuerreisen, die für Touristen von Interesse seien. Bei der Madrid- bzw. der Portugalreise sei die Besichtigung von Museen, Ausstellungen und Sehenswürdigkeiten von allgemeinem Interesse im Vordergrund gestanden. Es lasse sich den Reisetagebüchern nicht entnehmen, wann und wo sich der Beschwerdeführer mit den vorgefundenen Impressionen künstlerisch auseinandergesetzt habe. Eine Trennung von Freizeit und beruflich aufgewendeter Zeit sei nicht nachvollziehbar. Während der Reisen sei keine - objektiv nach außen dokumentierte - künstlerische Auseinandersetzung - beispielsweise in Form von Skizzen - mit den Reiseeindrücken erfolgt. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Reisefotos könnten die betriebliche Veranlassung nicht belegen. Auch nicht künstlerisch tätige Touristen würden derartige Fotos von Fernreisen mitbringen. Soweit der Beschwerdeführer von den Reisen diverse Kult- und Kulturgegenstände als Andenken mitgebracht und in seiner Wohnung aufgestellt habe, unterscheide er sich ebenfalls nicht von anderen Touristen. Für die betriebliche Veranlassung genüge es nicht, wenn der Künstler auf einer Reise, welcher der Charakter einer Abenteuer- und Bildungsreise zukomme, auch Anregungen für sein künstlerisches Schaffen gewinne. Der Beschwerdeführer habe im übrigen die von ihm geschaffenen Stelen als Beispiele für anläßlich der Indonesienreise verarbeitete Motive angeführt; Abbildungen dieser Stelen fänden sich aber bereits in der von ihm vorgelegten, seine Kunstwerke darstellenden Broschüre "Zwischen Aktentasche und Palette", welche nach den Ermittlungen der belangten Behörde schon drei Monate vor der Indonesienreise erschienen sei. Entgegen dem Berufungsvorbringen könnten daher die in Indonesien vorgefundenen Pfeilspitzen nicht die Vorlage für die Stelen gebildet haben. Soweit im Berufungsverfahren ergänzend auf die Verarbeitung der in Indonesien gewonnenen Motive beim Brunnen in L verwiesen wird, merke die belangte Behörde an, daß der Brunnen in L, wie sich dies aus der Broschüre "Kulissenbilder" ergebe, bereits 1990 geschaffen worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte die Aufwendungen für die Lebensführung abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. So können die Kosten von Auslandsreisen nur dann als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, wenn die Reisen ausschließlich durch den Betrieb (durch den Beruf) veranlaßt sind und die Möglichkeit eines privaten Reisezwecks nahezu auszuschließen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. Februar 1993, 91/13/0001).

Der ausschließliche betriebliche bzw. berufliche Zweck einer von einem bildenden Künstler unternommenen Reise ist an der tatsächlich während der Reise ausgeübten Tätigkeit zu messen. Bei einem bildnerischen Künstler, dessen Tätigkeit das Hervorbringen von Bildwerken im weitesten Sinne (auch Plastiken) zum Ziele hat, wird dabei die ausschließliche betriebliche Veranlassung der Reise insbesondere aus Arbeitsmaterialien in Form von Entwürfen, Skizzen, Zeichnungen, etc. abzuleiten sein (vgl. Doralt, EStG3, § 4 Tz 366). Eine betriebliche Veranlassung der Reise kann nur dann angenommen werden, wenn ihr eindeutiger Schwerpunkt objektiv nachvollziehbar mit der künstlerischen Tätigkeit in Zusammenhang steht.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei Objektkünstler. Er schaffe plastische Werke. Auf den Reisen sei dies aber nicht möglich. Durch die Reisen wolle er - gemeinsam mit der ebenfalls künstlerisch tätigen Ehefrau - Eindrücke sammeln, sohin gleichsam "Grundlagenforschung" betreiben. Der Ablauf der Reisen, wie er in den Reisetagebüchern dokumentiert sei, gebe ein beredtes Bild dafür, daß sie nicht von der Tendenz zur Freizeitgestaltung geprägt gewesen seien. Zudem würden die Materialiensammlung (Masken, Pfeile, Trommeln und ähnliche Gegenstände) und die während der Reise angefertigten Fotos das künstlerische Interesse des Beschwerdeführers am Reiseverlauf belegen. Die nach den Reisen geschaffenen künstlerischen Werke seien durch die erwähnte "Grundlagenforschung" beeinflußt, weshalb die betriebliche Veranlassung der Reisen gegeben sei. Die in Indonesien vorgefundene archaische Formenwelt mit präkultureller Prägung habe Einfluß auf die vom Beschwerdeführer geschaffenen Plastiken genommen. Die Reisen nach Spanien und Portugal hätten maßgebenden Einfluß auf die Gestaltung mehrerer Brunnenbauwerke sowie auf Entwürfe für die Gestaltung von Plätzen genommen. Der Künstler verarbeitete die gewonnenen Reiseeindrücke zu einem späteren Zeitpunkt in seinem Atelier.

Mit diesem Vorbringen wird die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.

Es wird zutreffen, daß Auslandsreisen, insbesondere solche in andere Kulturkreise, Einfluß auf das Schaffen eines Künstlers nehmen. Dies wird auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt. Auch mitgebrachte Gegenstände (Masken, Pfeile, etc.) können ihren Niederschlag im Werk des Beschwerdeführers gefunden haben. Diese Umstände schließen aber einen privaten Reisezweck nicht aus. Wenn die belangte Behörde aufgrund der Aufzeichnungen in den Tagebüchern zum Ergebnis gelangt ist, das Reiseprogramm würde durchwegs auch andere als Kunstschaffende ansprechen, weshalb eine ausschließlich betriebliche Veranlassung nicht gegeben sei, so kann ihr nicht entgegengetreten werden. Sie setzt sich auch nicht in Widerspruch mit der allgemeinen Lebenserfahrung, wenn sie festgestellt hat, die vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgelegten Fotos würden jenen entsprechen, die Fernreisende gewöhnlich von ihren Reisen mitbringen.

Der Beschwerdeführer rügt als Verletzung von Verfahrensvorschriften, die Behörde habe keine Feststellungen über die Besichtigung seiner Wohnung getroffen; aus der Besichtigung hätte sich ergeben, daß die Reisen ihren Niederschlag im künstlerischen Schaffen gefunden hätten. Im Fall eines Zweifels an der Auswirkung der Reiseeindrücke auf das Kunstschaffen hätte die belangte Behörde einen Sachverständigen aus dem Bereich der plastischen bildenden Künste beiziehen müssen.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde - wie bereits ausgeführt - den Einfluß der Reiseeindrücke auf das künstlerische Werk des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen hat. Sie hat lediglich für einzelne der vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren genannten Werke aufgezeigt, daß diese bereits vor den in Rede stehenden Reisen entstanden sind.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Wien, am 18. Februar 1999

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