VwGH 97/15/0055

VwGH97/15/005517.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 5. Februar 1997, Zl. B-A3-8/96, betreffend Einkommensteuer 1994, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1346;
EStG 1972 §34;
EStG §34 Abs3;
EStG §34;
KO §140;
ABGB §1346;
EStG 1972 §34;
EStG §34 Abs3;
EStG §34;
KO §140;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der Einkommensteuererklärung 1994 machte der Beschwerdeführer eine "Zahlung im Konkurs des Unternehmens der Gattin zur Herbeiführung eines Zwangsausgleiches" in Höhe von 286.033,21 S als außergewöhnliche Belastung geltend.

Gegen den Einkommensteuerbescheid, mit welchem das Finanzamt den geltend gemachten Betrag nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannte, berief der Beschwerdeführer. Er habe im Jahr 1994 von den finanziellen Schwierigkeiten seiner Gattin, die ihre wirtschaftliche Existenz völlig hätten vernichten können, Kenntnis erlangt. Er habe sich aufgrund rechtlicher und moralischer Pflichten der Zahlungspflicht nicht entziehen können. Er habe seiner Gattin zu keinem Zeitpunkt das unternehmerische Risiko abgenommen, habe jedoch, ohne vorher eine Bürgschaft eingegangen zu sein, Zahlungen zur Abwendung des unmittelbar drohenden Konkurses geleistet. Es liege der klassische Fall einer Zahlung zur Beseitigung einer existenzbedrohenden Notlage eines nahen Angehörigen, eben der Ehegattin, vor. Durch unmittelbare Zahlung von 300.000 S ohne vorherige Übernahme eines Unternehmerrisikos einen Konkurs der Ehegattin abzuwenden, sei wohl als billig und gerecht anzusehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Ehegattin des Beschwerdeführers habe eine Boutique betrieben. Sie habe am 3. September 1992 die Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen beantragt. Im April 1994 sei ein Zwangsausgleich mit einer Quote von 20 % (358.739 S) zustandegekommen; die Quote sei am 3. Mai 1994 zur Auszahlung gelangt. Der Beschwerdeführer habe für die Erfüllung des Zwangsausgleiches die in Rede stehende Zahlung von 286.033,21 S geleistet. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich in einer Reihe von Erkenntnissen damit auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen die Übernahme einer Bürgschaft für nahe Angehörige als zwangsläufig anzusehen sei. Zu diesen Voraussetzungen gehöre, daß ohne die Übernahme der Bürgschaft die wirtschaftliche Existenz des nahen Angehörigen verloren zu gehen drohe und er seine berufliche Existenz nicht auch auf andere ihm zumutbare Weise erhalten könnte. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch ausgesprochen, daß niemand verpflichtet sei, einem Angehörigen das von diesem eingegangene Unternehmerrisiko abzunehmen. Nach Ansicht der belangten Behörde beschränke sich das Unternehmerrisiko nicht auf die eigenverantwortlich und ohne durch Dritte beigebrachte Sicherheiten erfolgte Unternehmensführung, sondern inkludiere auch die Gefahr eines Konkurses. Bei den einen Konkurs abwendenden Unterstützungszahlungen handle es daher um solche, die letztlich dem nahen Angehörigen das von ihm eingegangene Unternehmerrisiko abnehmen. Dazu komme, daß sich die Ehegattin zum Zeitpunkt der Zahlung am 3. Mai 1994 nicht mehr in einer existenzbedrohenden Notlage befunden habe, weil sie schon seit dem 1. Mai 1994 im Kleiderfachgeschäft S angestellt gewesen sei und aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen habe. Es sei der Gattin also offensichtlich möglich gewesen, ihre berufliche Existenz auch auf eine andere ihr zumutbare Weise zu erhalten. Ein sittliches Gebot zur Leistung der in Rede stehenden Zahlung habe daher nicht bestanden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer im Insolvenzverfahren der Ehegattin die Zwangsausgleichsquote von ca. 360.000 S zu einem Anteil von ca 290.000 S aus seinen Mitteln aufgebracht. Strittig ist, ob hinsichtlich dieser Zahlung die Zwangsläufigkeit iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 gegeben ist. Nach dieser Bestimmung erwächst eine Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Nach dem Beschwerdevorbringen habe eine rechtliche und sittliche Pflicht zur Erbringung der Leistung zum Zwecke der Beseitigung der existenzbedrohenden Notlage der Gattin bestanden.

Eine Rechtsnorm, die den Steuerpflichtigen verhält, generell im Konkurs über das Vermögen des Gatten Zahlungen zu leisten, besteht nicht. Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde liegt daher eine rechtliche Verpflichtung nicht vor.

Sittliche Gründe liegen vor, wenn die vom Steuerpflichtigen erbrachten Leistungen nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen durch die Sittenordnung geboten sind. Daß das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich, wünschenswert oder lobenswert erscheinen mag, reicht nicht hin, um eine sittliche Verpflichtung anzunehmen (vgl. Hofstätter/Reichel, § 34 Abs. 3 EStG 1988 Tz 5).

Die Verschuldung aus einer betrieblichen Tätigkeit entsteht im Rahmen des mit dieser verbundenen Wagnisses, das der Unternehmer freiwillig auf sich genommen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde § 34 EStG 1972 nicht zu dem Zweck geschaffen, wirtschaftliche Mißerfolge des Unternehmers, die verschiedenste Ursachen haben können, durch die Ermäßigung der Einkommensteuer anderer Steuersubjekte zu berücksichtigen und in einem solchen Fall die Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 1991, 89/13/0093).

In dem - auch in der Beschwerde zitierten - Erkenntnis vom 21. September 1993, 93/14/0105, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Übernahme einer Bürgschaft im Zusammenhang mit einer existenzbedrohenden Notlage des Ehegatten und drohendem Konkurs ausgesprochen, auch nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen sei grundsätzlich niemand verpflichtet, einem Angehörigen das von diesem eingegangene Unternehmerrisiko abzunehmen. Zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt.

Wenn aber keine sittliche Pflicht zur Übernahme einer Bürgschaft für die Abwendung des aufgrund der unternehmerischen Tätigkeit drohenden Konkurses des Gatten besteht, so liegt in gleicher Weise keine sittliche Verpflichtung zur unmittelbaren Hingabe von Geldmitteln für die Abwendung einer solchen Konkursgefahr bzw. zur Erfüllung eines mit der Betriebsführung in Zusammenhang stehenden Zwangsausgleiches des Ehegatten vor.

Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensfehler, die belangte Behörde sei davon ausgegangen, daß die Gattin bei Bezahlung der Zwangsausgleichsquote bereits Dienstnehmerin (Beginn des Dienstverhältnisses: 1. Mai 1994) gewesen sei. Tatsächlich sei aber der Zwangsausgleich bereits am 14. April 1994 erfüllt worden. Der von der belangten Behörde herangezogene 3. Mai 1994 sei lediglich der Tag, an welchem der Masseverwalter die Auszahlung vorgenommen habe. Sohin sei - entgegen den Feststellungen der belangten Behörde - bei Erfüllung des Zwangsausgleiches noch eine existenzbedrohende Notlage der Ehegattin vorgelegen.

Der Beschwerdeführer zeigt mit diesem Vorbringen keinen relevanten Verfahrensfehler auf. Auch bei Annahme einer existenzbedrohenden Notlage kommt es nämlich im Beschwerdefall entscheidend darauf an, daß keine Verpflichtung besteht, der Ehegattin das Unternehmerrisiko abzunehmen.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994

Wien, am 17. Dezember 1998

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