VwGH 97/15/0038

VwGH97/15/003823.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der H R GmbH in L, vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in 8970 Schladming, Martin-Lutherstraße 154, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 6. Dezember 1996, GZ B H2-10/96, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1992 und 1993, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §9 Abs1;
EStG 1988 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin ist eine GmbH. Im Zuge einer im Jahr 1995 bei ihr durchgeführten Buch- und Betriebsprüfung traf der Prüfer die Feststellung, sie habe unter dem Titel "Rekultivierung" Rückstellungen gebildet (1992: S 430.000,--, 1993: S 860.000,--), die sich als unberechtigt erwiesen. Die Rückstellungen stünden im Zusammenhang mit dem Bestandvertrag über eine Liegenschaft (Gst. 126/2), auf welcher die Beschwerdeführerin eine Tankstelle betreibe. Sie habe keine Erdreichuntersuchungen vorlegen können, aus denen sich ergeben hätte, dass das Erdreich im Bereich der Tankstelle kontaminiert wäre. Es sei auch nicht wahrscheinlich, dass die Tankstelle mit Ablauf des Jahres 1996 eingestellt werden würde.

In der Berufung gegen die den Prüfungsfeststellungen entsprechenden Bescheide betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1992 und 1993 brachte die beschwerdeführende GmbH vor, Eigentümer der Liegenschaft, auf welcher sie eine Tankstelle betreibe, seien zwei der sieben Gesellschafter ihrer Muttergesellschaft. Die ÖMV habe mit Bestandvertrag vom 29. Dezember 1970 Bestandrechte an dieser Liegenschaft begründet. Sie habe mit der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin einen Agenturvertrag geschlossen, in dem festgehalten worden sei, dass die Zapfstelle und alle technischen Einrichtungen der ÖMV verblieben und nach Beendigung des Vertrages wieder ausgebaut werden könnten. Bei der Verlängerung des Agenturvertrages im Jahr 1987 sei vereinbart worden, dass die ÖMV ihr Eigentumsrecht an den Tankbehältern, dem Tankstellenkiosk und der Überdachung der Beschwerdeführerin übertrage. Der verlängerte Vertrag laufe zum 31. Dezember 1996 ab. Im Zuge einer 1995 erfolgten behördlichen Überprüfung der Tankstellenanlage sei die weitere Verwendung eines der Tankkessel untersagt worden, weil einige Jahre vorher eine mechanische Beschädigung dieses Kessels erfolgt sei und darüber hinaus die Herstellergarantie der Beschichtung ablaufe. Im Zuge einer für 1996 angekündigten Tankstellenüberprüfung würden Erdproben entnommen werden, um den allenfalls gegebenen Kontaminierungsgrad festzustellen. Die Beschwerdeführerin habe im Jahr 1992 mit der Dotation einer Rückstellung für den notwendigen Abbruch der Tankstelle beginnen müssen. Auf Grund des Baubeginnes der "Ennsnahen Trasse" müsse damit gerechnet werden, dass die Beschwerdeführerin ihre Tankstelle werde einstellen müssen. Auf Grund der Vertragsgestaltung mit der ÖMV seien die Kosten für die Räumung des Grundstückes und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes von der Beschwerdeführerin zu tragen. Es sei auch mit Kosten für die Beseitigung kontaminierten Materials zu rechnen. Das Auslaufen der Garantie für die Beschichtung eines Kessels in Verbindung mit einer bereits erfolgten mechanischen Beschädigung lasse nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass bereits kontaminiertes Material vorliege. Der Mietvertrag über die Liegenschaft würde Ende 1999 auslaufen. Die Kosten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes seien mit S 1,228.100,-- und das Kontaminierungsrisiko mit S 305.000,-- zu beziffern.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt darauf hin, dass die Beschwerdeführerin keinen "einigermaßen greifbaren Beweis für eine tatsächlich eingetretene Kontaminierung" erbracht habe. Es gäbe daher keinerlei Nachweise, die eine Rückstellungsbildung rechtfertigten.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz führte die Beschwerdeführerin zur Frage der tatsächlich eingetretenen Kontaminierung lediglich aus, die Rückstellung betreffe mit dem bei weitem überwiegenden Teil Aufwendungen für die Wiederherstellung und nur mit ca. 20 % das Kontaminierungsrisiko.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ML und HH, die Eigentümer des Grundstückes 126/2, hätten dieses mit einer im Vertrag vom 11. Dezember 1965 über die Gründung der H-KG enthaltenen Vereinbarung dieser KG zur Nutzung überlassen, damit sie darauf eine Tankstelle betreibe. Nach dieser Vereinbarung treffe die KG keinerlei Wiederherstellungsverpflichtung. Nachdem der Betrieb der KG gemäß Art. 3 Strukturverbesserungsgesetz auf die Beschwerdeführerin übertragen worden sei, habe sie auch die Stellung als Bestandnehmerin übernommen. Das gelte auch im Hinblick auf einen Mietvertrag vom 4. April 1967, mit welchem die Grundstückseigentümer ML und HH ein weiteres Teilstück des Grundstückes 126/2 an die KG vermietet hätten. Im Nachtrag A vom 23. März und 10. Mai 1988 zum Bestandvertrag vom 29. Dezember 1970 (zwischen ML und HH als Bestandgeber und einer Rechtsvorgängerin der ÖMV, der M-GmbH, als Bestandnehmerin) schienen als Bestandgeber KH (Rechtsnachfolgerin nach HH), ML sowie die Beschwerdeführerin und als Bestandnehmer die ÖMV (Rechtsnachfolgerin der M-GmbH) auf. In diesem Nachtrag A werde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin das Gst. 126/2 von den Liegenschaftseigentümerin gepachtet habe und dass sie auf Grund des Eintrittes in den zwischen HH und ML einerseits und der M-GmbH andererseits geschlossenen Tankstellenvertrag vom 29. Dezember 1970 berechtigt sei, die Tankstelle zu führen. Weiters wird in diesem Nachtrag festgelegt, dass die ÖMV der Beschwerdeführerin das Eigentum an Lagerbehältern, dem Tankstellenkiosk und der Überdachung übertrage. Diese Gegenstände und von der Beschwerdeführerin neu geschaffene Tankstellenbaulichkeiten und -einrichtungen würden - so die Vereinbarung weiter - der ÖMV im Rahmen des bestehenden Bestandverhältnisses in Bestand gegeben. Mit dem Nachtrag B vom 23. März und 10. Mai 1988 wurde die im Bestandvertrag vom 29. Dezember 1970 enthaltene Vereinbarung aufgehoben, nach welcher alle Tankstellenvorrichtungen im Eigentum der Rechtsvorgängern der ÖMV stehen sollten. Nach Ansicht der belangten Behörde ergebe sich aus den genannten Vereinbarungen eine Wiederherstellungsverpflichtung gegenüber der ÖMV nicht. Eine solche Verpflichtung gegenüber der ÖMV, die nicht Grundstückseigentümerin sei, wäre auch unverständlich, weil das wirtschaftliche Interesse an der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nur bei den Grundstückseigentümern gelegen sein könne und diese eine solche der H-KG bzw. der Beschwerdeführerin nicht auferlegt hätten. Da die Beschwerdeführerin gegenüber der ÖMV Verpächterin sei, könne sie nicht aus dem Titel der Wiederherstellungsverpflichtung gegenüber der ÖMV eine Rückstellung bilden. Als Gesellschaftern der Muttergesellschaft der Beschwerdeführerin könne den beiden Grundstückseigentümern KH und ML, die kontinuierlich die wirtschaftlichen und vertraglichen Beziehungen zur M-GmbH und in der Folge zur ÖMV aufgebaut hätten, vernünftiger Weise nicht zugesonnen werden, dass sie ihr erfolgreiches wirtschaftliches Engagement bei der Beschwerdeführerin mit Ende des Jahres 1999 beschränken würden. Die belangte Behörde gehe auch nicht von einer Kontaminierung des Erdreiches aus. Im Zuge einer Revision der Tankstelle am 13. Februar 1992 sei zwar die Feststellung getroffen worden, dass die Innenbeschichtung eines Treibstofftanks mechanische Beschädigungen und Auflösungen aufweise, es sei jedoch erst für 1995 die Verwendung dieses Tankkessels untersagt worden. Diese Beschädigung sei folglich kein Indiz dafür, dass bereits eine Bodenverunreinigung vorliege. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei so zu verstehen, dass sie konkrete Bodenuntersuchungen trotz der Feststellungen über die Tankbehälterbeschädigung nicht durchgeführt habe, weil sie selbst die Wahrscheinlichkeit von Boden- und Gewässerverunreinigungen als äußerst gering eingeschätzt habe. Eine Rückstellung dürfe aber nicht gebildet werden, wenn im Zeitpunkt der Bilanzerstellung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass ein Steuerpflichtiger mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft habe rechnen müssen. Die Beschwerdeführerin habe keinerlei Bodenuntersuchungen vorgenommen bzw. veranlasst, sondern nur ausgeführt, dass im Zuge einer für 1996 angekündigten Tankstellenüberprüfung Erdproben entnommen werden würden, um eine allfällige Kontaminierung festzustellen. In der Tat sei der alte Kessel auch noch nach 1992 verwendet worden. Im Zuge einer mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 5. Februar 1996 angeordneten Stilllegung des einwandigen 30.000 Liter Behälters sei eine Untersuchung des Erdreiches im Bereich dieses Behälters durchgeführt worden; diese hätte keine Kontaminierung ergeben, weshalb der Behälter im Erdreich habe verbleiben können und mit Magerbeton ausgefüllt worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Räumungsverpflichtung aus dem Bestandverhältnis:

In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, dass die Beschwerdeführerin Verpächterin sei. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gekommen sei, der Beschwerdeführerin komme im Verhältnis zur ÖMV die Stellung einer Verpächterin zu. In Wahrheit habe die Beschwerdeführerin mit der ÖMV einen "Tankstellenvertrag" abgeschlossen, auf Grund dessen die Beschwerdeführerin als selbstständige Unternehmerin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Treibstoffe verkaufe. Aus einem solchen Vertrag sei jedoch keine Verpächterstellung ableitbar. Die ÖMV habe das Grundstück von den Grundstückseigentümerin gepachtet und der Beschwerdeführerin in Unterbestand gegeben. Die ÖMV sei daher verpflichtet, nach Beendigung des Bestandverhältnisses die Liegenschaft geräumt zurückzustellen. Diese Verpflichtung erstrecke sich auch auf die Beschwerdeführerin als Untermieterin. Somit habe die ÖMV gegenüber der Beschwerdeführerin einen Anspruch. Auf Seiten der Beschwerdeführerin müsse diese Verpflichtung gegenüber der ÖMV zur Zurückstellung in geräumten Zustand (§ 1109 ABGB) zu einer steuerlichen Rückstellung führen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Sie setzt sich mit diesem Vorbringen über den Inhalt der im angefochtenen Bescheid dargestellten Verträge hinweg. Vor allem unterlässt sie eine Auseinandersetzung mit dem im angefochtenen Bescheid angeführten Nachtrag A vom 23. März und 10. Mai 1988 zum Bestandvertrag vom 29. Dezember 1970 und 14. Jänner 1971. Entgegen dem Beschwerdevorbringen weist diese Nachtragsvereinbarung die Beschwerdeführerin (neben den Grundstückseigentümern) ausdrücklich als Bestandgeberin aus und erläutert, dass die Beschwerdeführerin das Betriebsareal von den Grundstückseigentümern gepachtet habe. Bei dieser Vertragslage konnte die belangte Behörde davon ausgehen, dass die Liegenschaft von der Beschwerdeführerin gepachtet und

2. Rückstellung für Umweltschäden:

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, die Rückstellungsbildung hätte sich auch aus dem Titel der Verpflichtung zur Sanierung von Altlasten ergeben. Aus verschiedenen gesetzlichen Regelungen (insbesondere § 31 Wasserrechtsgesetz, § 83 Gewerbeordnung, § 25 Stmk. Abfallwirtschaftsgesetz) ergäben sich Haftungen für den Fall der Beeinträchtigung des Bodens oder des Grundwassers. Nach diesen gesetzlichen Regelungen könne die Behörde die Beseitigung der Kontaminierung des Bodens verfügen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 26. Juni 1990, 89/14/0266, und vom 10. Oktober 1996, 94/15/0089, aufgezeigt hat, ist - unter den in den Erkenntnissen näher dargestellten Voraussetzungen - eine Rückstellung für Altlastensanierung und Umweltschäden zu bilden.

Im gegenständlichen Fall ist entscheidend, dass die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht die Feststellung getroffen hat, dass die behaupteten Umweltschäden (Kontaminierung des Erdreiches) nicht gegeben sind. Gegen diese Sachverhaltsfeststellung wendet sich die Beschwerde nicht. Liegen aber keine Umweltschäden vor, kann eine Rückstellung für die Verpflichtung zur Beseitigung von Umweltschäden nicht gebildet werden. Wenn die Beschwerde u.a. von einer "potenziellen Beeinträchtigung" des Bodens spricht, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zur Voraussetzung hat, dass ernsthaft mit dem Entstehen der Schuld zu rechnen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 1996, 93/15/0223). Nach den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde liegen aber konkrete Umstände, aus denen sich die Verpflichtung zur Beseitigung von Umweltschäden ableiten ließe, nicht vor.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. März 2000

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