Normen
BAO §250 Abs1 litd;
BAO §275;
BAO §250 Abs1 litd;
BAO §275;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. Juli 1997 erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer gemäß § 95 EStG über den "Prüfungszeitraum vom 01.01.1991 bis 31.12.1993". Der Spruch wies "Kapitalertragsteuer-Abfuhrdifferenzen" in Höhe von S 726.880,-- aus (bisher sei ein Betrag von S 163.454,-- vorgeschrieben gewesen). In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, aufgrund der Berufungsentscheidung vom 13. Juni 1997 (Anm.: Mit dieser von einem Berufungssenat getroffenen Berufungsentscheidung waren eine Berufung der Beschwerdeführerin betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1992 und 1993 als unbegründet abgewiesen und die angefochtenen Bescheide zum Nachteil der Beschwerdeführerin abgeändert worden) sei der Bescheid betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1993 "gem. § 295 BAO" abzuändern gewesen (in der Folge wird in der Begründung - unter Verwendung verschiedener Abkürzungen - die betragsmäßige Berechnung der "KEST" dargestellt; dazu wird in einer das Jahr 1993 betreffenden Rubrik als "Bem.grundlage" "lt. BE (Pkt 2.2)" ein Betrag von 841.483 genannt).
In der Berufung vom 4. August 1997 gegen den Bescheid vom 11. Juli 1997 ist im "Betreff" angeführt:
"KapitalertragsteuerAbfuhrdifferenzen von öS 726.880,--". Sodann wird im Berufungsschriftsatz unter den Überschriften "Sachverhalt" und "Stellungnahme des Berufungswerbers" ausgeführt, warum nach Ansicht der Beschwerdeführerin die Vorgangsweise (Schätzung) im Bereich der Umsatz- und Ertragsteuern unzutreffend sei. Der Schriftsatz schließt mit dem Antrag, der Berufung stattzugeben und die Einhebung des Rückstandes von S 726.880,-- gemäß § 212a BAO auszusetzen. In einer Ergänzung zur Berufung vom 12. August 1997 machte die Beschwerdeführerin geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe in der Entscheidung vom 10. Juli 1996, 95/15/0181-0183, ausgesprochen, daß dem Berufungssenat keine Zuständigkeit zur Entscheidung über Berufungen betreffend Kapitalertragsteuer zukomme. Der "Berufungssenat" sei demnach nicht berechtigt gewesen, die bisher vorgeschriebene Kapitalertragsteuer von S 163.454,-- auf S 726.880,-- zu erhöhen.
Mit Bescheid vom 24. September 1997 trug das Finanzamt der Beschwerdeführerin gemäß § 275 BAO die Behebung nachfolgender inhaltlicher Mängel (§ 250 BAO) der Berufung auf:
- a) eine Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird,
- b) eine Erklärung, welche ziffernmäßigen Änderungen beantragt werden,
- c) eine Begründung.
Im Schriftsatz vom 2. Oktober 1997 beantwortete die Beschwerdeführerin diesen Mängelbehebungsauftrag dahingehend, den Bescheid hinsichtlich der Vorschreibung der Kapitalertragsteuer für die Jahre vom 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1993 anzufechten; die "ziffernmäßige Änderung" der Kapitalertragsteuer betrage S 841.483,--. Zur Begründung verwies die Beschwerdeführerin weiters auf die Berufungsergänzung vom 12. August 1997 (es folgt eine wörtliche Wiedergabe des Schreibens vom 12. August 1997).
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erklärte die belangte Behörde die Berufung vom 4. August 1997 "gegen den gem. § 295 BAO geänderten Kapitalertragsteuerbescheid über den Prüfungszeitraum vom 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1993" gemäß § 275 BAO als zurückgenommen.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde fest, der von der Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf der Unzuständigkeit des Berufungssenates gehe ins Leere, weil nur der Spruch eines Abgabenbescheides mit einem Rechtsmittel angefochten werden könne, nicht aber seine Begründung. In der Berufungsentscheidung vom 13. Juni 1997 würden aber nur in der Begründung zusammenfassend die Auswirkungen der abgabenbehördlichen Feststellungen auf die Kapitalertragsteuer dargestellt (Anm.: aufgrund dort angenommener verdeckter Gewinnausschüttungen in Höhe der Schätzungsergebnisse). Wenn die Beschwerdeführerin somit ihre (Berufungs)Begründung auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 12. August 1997 stütze, sei sie dem Mängelbehebungsauftrag gemäß "§ 250 BAO nicht nachgekommen, weshalb die Berufung als für zurückgenommen zu erklären ist". Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin aber auch der Aufforderung "betreffend einer Erklärung, welche ziffernmäßige Änderungen" beantragt würden, nicht entsprochen. Die "bloße Anführung" eines Betrages in Höhe von S 841.483,-- reiche nicht aus. Die Beschwerdeführerin verstricke sich dadurch "selbst in Widersprüche: Einerseits bekämpft sie die höhere Festsetzung der Kapitalertragsteuer durch den Berufungssenat auf 726.880 S und andererseits stellt sie selbst einen Antrag auf eine nicht näher erläuterte Erhöhung der Kapitalertragsteuer auf 841.483 S". Der Berufungsantrag müsse einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt haben. Die Berufung vom 4. August 1997 habe keineswegs den erwähnten Anforderungen entsprochen. Da aber auch "der Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages mangels Darlegung eines konkreten Maßstabes für die Angemessenheit und Darstellung entsprechender Berechnungsgrundlagen nicht einmal ein bestimmbarer, geschweige denn ein bestimmter Inhalt zukommt, mußte spruchgemäß entschieden werden".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Eine Berufung muß gemäß § 250 Abs. 1 BAO enthalten:
- a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
- b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
- c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
- d) eine Begründung.
Entspricht eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde erster Instanz dem Berufungswerber gemäß § 275 BAO die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.
Fehlen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages nach § 275 BAO, zieht dies die Gesetzwidrigkeit des Zurücknahmebescheides nach sich (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1998, 96/13/0081). Die Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist daher zunächst unter dem Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des Mängelbehebungsauftrages vom 24. September 1997 zu prüfen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. März 1994, 93/15/0137).
Im Berufungsschriftsatz vom 4. August 1997 wird der bekämpfte Bescheid vom 11. Juni 1997 konkret bezeichnet und dazu unter "Betreff" der gesamte im Spruch dieses Bescheides zur Vorschreibung gelangte Betrag an "Kapitalertragsteuer-Abfuhrdifferenzen" von S 726.880,-- genannt. Es ist nicht erkennbar (und wird dies auch im angefochtenen Bescheid in keiner Weise dargelegt), warum mit dieser Erklärung nicht die Punkte des erstinstanzlichen Bescheides bezeichnet gewesen sein sollten, die Anfechtungsgegenstand der Berufung waren. Daß die mit der Berufung angestrebte Änderung auch darin bestand, die vorgeschriebene "Kapitalertragsteuer-Abfuhrdifferenz" im Gesamtbetrag von S 726.880,-- zur Gänze zum Wegfall zu bringen, ergibt sich aus dem zusammen mit dem Antrag auf Berufungsstattgabe gestellten Ersuchen um Aussetzung des Rückstandes von S 726.880,-- bis zur Berufungserledigung. Die Berufung vom 4. August 1997 enthielt weiters als Begründung zu verstehende Ausführungen, die die Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung vom 13. Juni 1996 darzustellen versuchten und im übrigen auch auf die dazu seinerzeit eingebrachte Berufung vom 7. Dezember 1995 (und den diesbezüglichen Schriftverkehr) verwiesen. Auch die Berufungsergänzung vom 12. August 1997 enthielt mit der darin vertretenen Ansicht einer unzulässigen Entscheidung des Berufungssenates über die Kapitalertragsteuer eine Begründung und einen auf dieser Rechtsansicht beruhenden Änderungsantrag (keine Berechtigung zur Erhöhung der vorgeschriebenen Kapitalertragsteuer von S 163.454,-- auf S 726.880,--). Darauf, ob eine Begründung inhaltlich zutreffend oder schlüssig ist, kommt es zur Erfüllung der Voraussetzung des Berufungserfordernisses nach § 250 Abs. 1 lit. d BAO nicht an (vgl. z.B. nochmals das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1998, 96/13/0081). Daß die belangte Behörde im letzteren Punkt die Rechtslage verkennt, geht insbesondere aus den Ausführungen im angefochtenen Bescheid hervor, in denen wegen inhaltlicher Unrichtigkeit der Ausführungen im Schriftsatz vom 12. August 1997 angenommen wird, es sei dem "Mängelbehebungsauftrag gemäß § 250 BAO" in bezug auf die Beibringung einer Begründung nicht entsprochen worden.
Aus dem Gesagten ergibt sich, daß der Mängelbehebungsauftrag vom 24. September 1997 nicht rechtskonform war, weshalb der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet ist. Er war daher bereits deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß etwa auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war, die Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages im Punkt b) beruhe deshalb "offenbar auf einem Irrtum", weil ohnedies immer die Aufhebung des gesamten Bescheides (und damit keine "ziffernmäßige Änderung") beantragt worden sei.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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