Normen
ArbIG 1993 §23 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9 Abs4;
ArbIG 1993 §23 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9 Abs4;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat jedem der beiden Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 25.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurden über die Beschwerdeführer jeweils wegen insgesamt 12 Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (in Verbindung mit näher genannten Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 ) Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Ihnen wurde zur Last gelegt, sie hätten es als handelsrechtliche Geschäftsführer einer näher bezeichneten Ges.m.b.H. zu verantworten, daß hinsichtlich namentlich genannter Arbeitnehmer an näher bezeichneten Tagen im September und November 1996 die tägliche Mindestruhezeit unterschritten, die zulässige Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten überschritten und Lenkpausen nicht eingehalten worden seien.
In der Begründung der angefochtenen Bescheide führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Beschwerdeführer seien seit 1986 bzw. 1989 Geschäftsführer der Ges.m.b.H. Diese sei mit Unternehmensteilen zur Jahreswende 1995/96 von G. nach Z. im politischen Bezirk Graz-Umgebung gezogen. Dieser Ort sei nunmehr auch als Sitz der Gesellschaft im Firmenbuch eingetragen. Der oben unter I. genannte Beschwerdeführer E.F. sei für Technik und Personal zuständig, der unter II. genannte Beschwerdeführer W.F. für Finanzen und Verwaltung. Am 28. Dezember 1989 sei zwischen der Gesellschaft und H.R. eine Vereinbarung geschlossen worden, mit der dieser als Personalbereichsleiter zum verantwortlichen Beauftragten für sämtliche Agenden, die die Leitung des Personals betreffen, bestellt worden sei. Insbesondere sei er mit der Überwachung der Einhaltung von arbeitsrechtlichen Vorschriften beauftragt worden. H.R. habe sich mit der Namhaftmachung als verantwortlicher Beauftragter gegenüber der "Gewerbebehörde" ausdrücklich einverstanden erklärt. Für den Zeitraum der Bestellung als verantwortlicher Beauftragter sei eine monatliche Prämie von S 1.500,-- vereinbart worden. Diese Vereinbarung sei am 1. Februar 1990 insoweit ergänzt worden, als H.R. auch die Aufnahme und Entlassung von Dienstnehmern übertragen worden sei. Diese Vereinbarung sei seit damals in Kraft und entspreche der Realität.
Am 10. Mai 1993 sei beim Arbeitsinpektorat ein ausgefüllter amtlicher Vordruck eingelangt, in welchem seitens der Ges.m.b.H. mit Sitz in G. die Bestellung des H.R. zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 und aller Arbeitnehmerschutzvorschriften bekanntgegeben worden sei. Seine Stellung sei als Personalreferent angegeben worden, der sämtliche Befugnisse habe. Diese Urkunde sei von H.R. und dem Geschäftsführer E.F. unterschrieben, nicht jedoch vom Geschäftsführer W.F.
In rechtlicher Hinsichtlich führte die belangte Behörde aus, zur Vertretung einer juristischen Person nach außen Berufene seien nur dann von ihrer Verantwortung durch Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten befreit, wenn und sobald beim Arbeitsinspektorat "eine derartige Verantwortungsübernahme schriftlich eingetroffen" sei. Unter diesem Gesichtspunkt komme der Tatsache entscheidende Bedeutung zu, daß W.F. der Bestellung von H.R. zum verantwortlichen Beauftragten nicht schriftlich zugestimmt habe. Es sei nicht maßgeblich, daß W.F. vermutlich den Willen zur Delegierung der Verantwortung und Kenntnis von dem Schreiben vom 10. Mai 1993 gehabt und nur deshalb nicht unterschrieben habe, weil auf Grund der internen Aufgabenverteilung Personalangelegenheiten der Fahrer und Hilfsarbeiter nicht in seine Kompetenz gefallen seien. Im Verwaltungsstrafverfahren sei einzig und allein relevant, "ob eine allen formalen und inhaltlichen Anforderungen genügende Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten vorliege". Warum es allenfalls zu einer derartigen Bestellung nicht gekommen sei, müsse bei der Beurteilung der Gültigkeit der Bestellung außer Betracht bleiben.
Die Auffassung des Arbeitsinspektorates für den
11. Aufsichtsbezirk in G., die vorgelegte Urkunde vom 10. Mai 1993 sei als Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten so lange zu akzeptieren gewesen, als die Ges.m.b.H. ihren Sitz in G. gehabt habe, nicht aber ab dem Zeitpunkt der Sitzverlegung nach Z., könne nicht nachvollzogen werden. Die Identität des Unternehmens und der Aufgabenbereich des H.R. sei durch die Sitzverlegung nicht geändert worden. Der Grund für die Nichtanerkennung der Urkunde sei daher einzig und allein das Fehlen der Unterschrift des W.R., nicht aber die Sitzverlegung.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und beantragt in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeverfahren wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist.
Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, daß die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten von Arbeitgebern bzw. den zur Vertretung nach außen berufenen Organen erst während eines Verwaltungsstrafverfahrens unter Vorlage eines entsprechend datierten Zustimmungsnachweises behauptet und damit Sanktionen im Falle der Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften durch eine entsprechende Gestaltungsmöglichkeit bei der nachträglichen Bekanntgabe von verantwortlichen Beauftragten vermieden werden können (siehe dazu die Erläuterungen zur RV des ArbIG, 813 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen XVIII. GP, 32).
Die von der belangten Behörde zu beurteilende Mitteilung vom 10. Mai 1993 genügt - auch unter Bedachtnahme auf den dargestellten Gesetzeszweck - den gesetzlichen Anforderungen. Das Gesetz fordert nämlich nur die schriftliche Mitteilung des Arbeitgebers über die erfolgte Bestellung sowie den Nachweis der Zustimmung des Bestellten. Die Vorlage einer schriftlichen Bestellungsurkunde und deren firmenmäßige Fertigung durch den Arbeitgeber als Gültigkeitserfordernis wird hingegen nicht verlangt, sodaß die auf diesem Erfordernis aufbauende Argumentation der belangten Behörde rechtlich verfehlt ist. Die Bestellung selbst kann formfrei erfolgen (vgl. dazu das - zur Rechtslage vor dem ArbIG ergangene - hg. Erkenntnis vom 24. März 1994, Zlen. 92/18/0176, 0181). § 23 Abs. 1 ArbIG verlangt für die Rechtswirksamkeit der Bestellung lediglich die schriftliche Mitteilung an das zuständige Arbeitsinspektorat über die Bestellung samt Nachweis der Zustimmung des Bestellten.
Daß die Mitteilung vom 10. Mai 1993 der Ges.m.b.H. zuzurechnen ist, auch wenn sie nur von einem der beiden kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer unterschrieben wurde, war für das Arbeitsinspektorat zu Recht nicht zweifelhaft, zumal der Firmenwortlaut der Gesellschaft vollständig angegeben und die Mitteilung offenbar unter Verwendung eines amtlichen Vordruckes erfolgt ist. Einer Aufforderung zur Klarstellung bedurfte es daher nicht. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beschwerdeführer ist es nach der Mitteilung vom 10. Mai 1993 auch mehrmals zu Verwaltungsstrafverfahren gegen H.R. gekommen.
Die Auffassung des Arbeitsinspektorates, seit der Sitzverlegung der Gesellschaft könne nicht mehr von einer wirksamen Bestellung des H.R. zum verantwortlichen Beauftragten ausgegangen werden, hat die belangte Behörde mit Recht verworfen, weil sich durch die Sitzverlegung an der Identität des Unternehmens nichts geändert hat und die Mitteilung vom 10. Mai 1993 zudem keine Einschränkung des örtlichen Zuständigkeitsbereiches des H.R. enthält. Auch der oben dargestellte Gesetzeszweck spricht nicht für die Auffassung des Arbeitsinspektorates, weil die Sitzverlegung nach der erfolgten Mitteilung über die Bestellung keine "entsprechende Gestaltungsmöglichkeit" durch die nachträgliche Bekanntgabe von verantwortlichen Beauftragten eröffnet. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß sich durch die Sitzverlegung an der Zuständigkeit des Arbeitsinspektorates für den
11. Aufsichtsbezirk nichts geändert hat. Dieses Arbeitsinspektorat, an das die seinerzeitige Mitteilung vom 10. Mai 1993 gerichtet war, hat auch die den vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Anzeigen verfaßt.
Aus den dargelegten Erwägungen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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