VwGH 97/10/0195

VwGH97/10/019527.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde des M in Graz, vertreten durch Mag. S und Mag. J, Rechtsanwälte in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 11. August 1997, Zl. UVS 30.13-69/97-2, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug erlassenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft G. vom 16. Mai 1997 abgewiesen. Begründend wurde dargelegt, das Straferkenntnis der BH vom 16. Mai 1997 sei dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsanwälte am 22. Mai 1997 zugestellt worden. Die Berufung sei am 12. Juni 1997 und somit nach Ablauf der Berufungsfrist zur Post gegeben worden. Gleichzeitig sei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden. Dieser werde damit begründet, daß die für die Einhaltung der Rechtsmittelfristen verantwortliche Kanzleileiterin die 14-tägige Berufungsfrist auf dem einlangenden Bescheid vermerkt und sodann diese in das Fristenbuch eingetragen habe. Beim Eintragen sei der Kanzleileiterin ein Fehler in Form eines "Kalendersturzes" passiert, d.h. es sei versehentlich hiebei eine Woche überblättert und daher das Fristende nicht mit Donnerstag, dem 5. Juni 1997, sondern mit Donnerstag, dem 12. Juni 1997 in das Fristenbuch eingetragen worden. Der Akt sei sodann ins Register gelegt und am 11. Juni 1997, wie in der Kanzlei üblich, wiederum zur Vorlage gebracht worden. Hiebei sei das Versehen hervorgekommen. Die Kanzleileiterin sei seit 13 Jahren in der Rechtsanwaltskanzlei tätig und seit mehreren Jahren mit der Führung des Fristenbuches befaßt. Sie gelte als überaus verläßlich und es habe auf Grund ihrer Verläßlichkeit, Fachkenntnisse und jahrelangen Erfahrung nie Anlaß zur Sorge gegeben, sie könne ihren übertragenen Aufgaben im Zusammenhang mit der Evidenz von Fristen nicht nachkommen. Der Beschwerdeführer und sein Vertreter seien daher unverschuldet daran gehindert worden, das Rechtsmittel rechtzeitig auszuführen. Nach Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertrat die belangte Behörde die Auffassung, der Beschwerdeführer habe sich damit begnügt, die Verläßlichkeit der für die Einhaltung der Rechtsmittelfristen verantwortlichen Kanzleileiterin seines Rechtsanwaltes zu behaupten. Daß dieser für die Einhaltung der Fristen ein Kontrollsystem installiert habe, das die Einhaltung von Fristen gewährleiste, sei weder im Wiedereinsetzungsantrag noch in der Berufung behauptet worden. Schon aus diesem Grund sei der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerde führt aus, es könne der belangten Behörde insoweit gefolgt werden, als weder im Wiedereinsetzungsantrag noch in der Berufung dargelegt worden sei, worin der Kontrollmechanismus zur Abwendung des unterlaufenen Fehlers in der Kanzleiorganisation bestehe. Solche Darlegungen seien im vorliegenden Fall entbehrlich gewesen, weil selbst die belangte Behörde davon ausgehe, daß die Frist zur Erhebung der Berufung richtig am Bescheid selbst vorgemerkt worden sei und der Fehler lediglich in der Eintragung der bereits festgelegten Frist im Fristenbuch datiert sei. Die Kontrollpflicht dahin auszuweiten, daß die Eintragung der richtig vorgemerkten Berufungsfrist im Fristenbuch dem Parteienvertreter auferlegt werde, gehe zu weit, da die Kanzleikraft 13 Jahre in einer Anwaltskanzlei tätig und ihr ein solches Mißgeschick noch nie passiert sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung zu § 46 VwGG und § 71 AVG davon aus, daß der Rechtsanwalt lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen darf. Hingegen ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist stets der Anwalt selbst verantwortlich. Er selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hiebei ein Versehen, ohne daß er dartun kann, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden an der Versäumung. Kommt der Rechtsanwalt im erwähnten Zusammenhang seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl. z.B. den Beschluß vom 27. Jänner 1997, Zl. 96/10/0253, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Davon ausgehend stellt der vorgetragene Sachverhalt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers hat nach dessen eigenem Vorbringen keine konkreten, auf die richtige Eintragung des Endes der Berufungsfrist im konkreten Einzelfall abzielende Maßnahmen gesetzt. Schon aus den Behauptungen im Verwaltungsverfahren und der Beschwerde geht somit hervor, daß im vorliegenden Fall kein auf die Überprüfung der Eintragung der ermittelten Fristen gerichtetes Kontrollsystem bestand; bei dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden, daß auf seiten des Rechtsanwaltes nur ein Verschulden vorläge, das den minderen Grad des Versehens nicht übersteigt.

Schon der Inhalt der Beschwerde läßt somit erkennen, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt; die Beschwerde war gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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