VwGH 97/09/0280

VwGH97/09/028028.7.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der R in Wien, vertreten durch Dr. Peter Gregorich, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Servitengasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. August 1996, Zl. UVS - 07/A/01/311/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen eine Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AVG §63 Abs1;
AVG §9;
GmbHG §18;
VStG §24;
VStG §9 Abs1;
VwRallg;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AVG §63 Abs1;
AVG §9;
GmbHG §18;
VStG §24;
VStG §9 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 26. März 1996 wurde ausgesprochen, dass der Adressat dieses Bescheides als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als zur Vertretung nach außen Berufene der R Ges.m.b.H. mit Sitz in Wien zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft vom 11. November 1995 bis zum 11. Dezember 1995 drei näher genannte Ausländer als Küchengehilfe bzw. als Koch beschäftigt habe, obwohl für sie weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine gültige Arbeitserlaubnis oder ein gültiger Befreiungsschein ausgestellt worden sei. Dadurch seien § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) verletzt worden und es würden drei Geldstrafen zu je S 8.000,--, im Fall der Uneinbringlichkei drei Ersatzfreiheitsstrafen von je zwei Tagen, verhängt. An Kosten des Strafverfahrens seien S 2.400,-- zu bezahlen.

Der Adressat dieses Straferkenntnisses ist wie folgt

bezeichnet:

"Frau

R

p.A.R Ges.mbh

E-Straße 202

A - 1030 Wien"

Gegen diesen Bescheid wurde eine Berufung eingebracht, die auszugsweise folgende Merkmale aufweist:

"Firma

R Ges.m.b.H.

E-Str. 202

1030 Wien

...

Gegen den Bescheid vom 26.3.1996, o. g. Zahl, erhebe ich zu

Punkt 1) sowie Punkt 3) Berufung.

...

Eine Person namens 'N' ist der Geschäftsleitung der Firma R Ges.m.b.H. weder bekannt, noch hat sich ...

...

Wir ersuchen um nochmalige Überprüfung zu diesen beiden Punkten.

Hochachtungsvoll

R Ges.m.b.H.

E-Straße 202

1030 Wien

Unterschrift"

Die belangte Behörde gab daraufhin der Beschwerdeführerin sowie der R Ges.m.b.H. gemäß § 37 AVG Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen schriftlich klarzustellen, wer Berufungswerber sei.

Daraufhin wurde folgendes Schreiben vom 4. März 1996 an die belangte Behörde gerichtet:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

In Beantwortung zu Ihrem o.g. Schreiben geben wir den Berufungswerber unseres Schreibens vom 29.4.1996 bekannt:

Der Berufungswerber ist

Frau R

vertretend für

Firma R G.m.b.H.

E-Straße 202

1030 Wien

Wir hoffen Ihnen gedient zu haben und verbleiben R Ges.m.b.H.

E-Straße 202

1030 Wien

Unterschrift"

Die Beschwerdeführerin wurde sodann von der belangten Behörde am 13. August 1996 niederschriftlich einvernommen und gab Folgendes an:

"Sowohl die Berufung als auch die Stellungnahme vom 4.7.1996 wurden von mir persönlich verfasst und unterschrieben. Die Zeichnung erfolgte firmenmäßig. Diese beiden Schreiben sind der R GesmbH zuzurechnen, für die ich als Geschäftsführerin tätig wurde und unterschrieben habe.

Das Straferkenntnis war an mich, p.A. R GesmbH gerichtet. Ich kannte diese Abkürzung nicht und wusste nicht, was sie bedeutet, sodass ich annahm, das Straferkenntnis wäre an mich als Vertreterin der Firma gerichtet und würde auch die Firma (GesmbH) betreffen. Aus diesem Grund sind auch beide Schreiben in der Wir-Form verfasst und firmenmäßig gezeichnet."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. August 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass als Empfänger des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz die Beschwerdeführerin bezeichnet gewesen sei. In der gegen dieses Straferkenntnis gerichteten Berufung, die zum Teil in der "Ich-Form", zum Teil in der "Wir-Form" gehalten sei, sei die Firmenstampiglie der R Ges.m.b.H. verwendet und als Absender diese Ges.m.b.H. angegeben worden. Aufgrund der schriftlichen Klarstellung vom 4. Juli 1996 und der Angaben der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Einvernahme sei nun insgesamt zweifelsfrei davon auszugehen, dass Berufungwerber die R Ges.m.b.H. sei, da die Beschwerdeführerin nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreterin für diese Ges.m.b.H. aufgetreten sei; die Berufung sei daher der R Ges.m.b.H. zuzurechnen. Daher sei sie als unzulässig zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil sie in der Berufung ausdrücklich angeführt habe, dass sie selbst gegen das obige Straferkenntnis Berufung erhebe. Sie wirft der belangten Behörde einen Verfahrensmangel insoferne vor, als diese sie nicht aufgeklärt habe, ihre unrichtige Rechtsansicht über die Zurechnung der von ihr erhobenen Berufung nicht richtig stellte und ihrer Entscheidung bewusst zugrunde legte. Als rechtsunkundige Person sei die Beschwerdeführerin nach Zustellung des Straferkenntnisses der Auffassung gewesen, dass dieses der Gesellschaft zuzurechnen sei und die Beschwerdeführerin für diese Gesellschaft als dessen vertretungsbefugte Geschäftsführerin Rechtsmittelwerberin sei. Bereits aus der Mitteilung der Beschwerdeführerin vom 4. Juli 1996 sei wohl ersichtlich, dass diese selbst Berufungswerberin sei, ungeachtet ihres Zusatzes als Vertreter für die R Ges.m.b.H. tätig zu sein. Der allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben habe auch im Verhältnis zwischen Behörden und Partei seine Gültigkeit. Daraus folge, dass missverständlich formulierte Erklärungen nicht in einer dem Willen der Partei widersprechenden Weise ausgelegt werden dürften. Aus § 13a AVG ergebe sich ein behördliches Anleitungsrecht hinsichtlich der Rechtsmittellegitimation bei auftretenden Zweifeln über die Zurechnung des erhobenen Rechtsmittels. Dieser Verpflichtung sei die belangte Behörde nicht nachgekommen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Darin führt die belangte Behörde aus, dass die Behörde im Fall eines Zweifels über die Zurechnung einer Prozesshandlung diesen nicht im Wege eines Auftrages zur Behebung von Formgebrechen gemäß § 13 Abs. 3 AVG auszuräumen habe, sondern sich im Sinne des § 37 AVG Klarheit darüber verschaffen müsse, wer Rechtsmittelwerber sei. Gerade dies habe sie bei Erlassung des angefochtenen Bescheides getan. Eine nachträgliche Änderung des ursprünglichen Parteiwillens käme weder im Rahmen einer Klarstellung im Sinne des § 37 AVG, noch im Rahmen der Manuduktion nach § 13a AVG in Betracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz wurde im vorliegenden Fall zweifellos der Beschwerdeführerin, nicht aber der R Ges.m.b.H. als Bescheidadressat zugestellt. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt daher davon ab, ob die Berufung tatsächlich (nur) von der R Ges.m.b.H. erhoben worden ist.

Die Frage der Zurechnung einer Verfahrenshandlung ist im AVG nicht geregelt. Die Vorschrift des § 9 AVG - wonach, insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen ist - bezieht sich nach ihrem Wortlaut nur auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit. Gemäß § 18 Abs. 1 des Gesetzes vom 6. März 1906, RGBl. Nr. 58, über Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG), i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 304/1996, wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Zu Willenserklärungen, insbesondere zur Zeichnung der Geschäftsführer für die Gesellschaft bedarf es nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle der Mitwirkung sämtlicher Geschäftsführer, wenn im Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Zeichnung geschieht in der Weise, dass die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft ihre Unterschrift hinzufügen. Hat daher die Beschwerdeführerin die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis mit ihrer Unterschrift unter Beisetzung einer Firmenstampiglie der Gesellschaft, zu deren Vertretung sie befugt war, versehen, so deutet dies nach dem äußeren Tatbestand wohl darauf hin, dass dieses Rechtsmittel von ihr nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Gesellschaft erhoben worden ist.

Dieser Schluss ist aber nicht zwingend, weil die Vorschrift des § 18 Abs. 2 letzter Satz GmbHG nicht zwangsläufig auch zu der Annahme führt, eine unter Einhaltung der dort genannten Formvorschriften abgegebene Willenserklärung müsse unter allen Umständen als Erklärung im Namen der Gesellschaft gewertet werden. Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 letzter Satz des genannten Gesetzes stellt vielmehr eine Ordnungsvorschrift dar. Eine Vermutung, dass der Geschäftsführer einer Ges.m.b.H. oder überhaupt Gesellschafter einer Handelsgesellschaft im Zweifel für die Gesellschaft handelt, gibt es nicht (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1984, Slg. N.F. Nr. 11.625/A, m.w.N.). Auch der Umstand, dass bei Abfassung bzw. Erhebung der Berufung ein Briefpapier und Briefumschlag der Gesellschaft verwendet und hiebei teilweise die "Wir"-Form gebraucht wurde, lassen eine abschließende Beurteilung dieser Frage nicht zu. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass den der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen ihre geschäftliche Tätigkeit im Rahmen der Gesellschaft zugrunde liegt, weshalb es - ohne dass darauf auf eine Zurechnung dieser Verfahrenshandlungen an die Gesellschaft abgeleitet werden kann - verständlich erscheint, dass sich die Beschwerdeführerin auch in diesem Fall, obwohl das Straferkenntnis gegen sie persönlich gerichtet war, jedenfalls teilweise auch einer Form bedient hat, die im geschäftlichen Verkehr den allgemeinen kaufmännischen Gepflogenheiten entspricht. Für die Annahme, die Beschwerdeführerin habe die Berufung im eigenen Namen eingebracht, spricht auch, dass sich das erstinstanzliche Straferkenntnis gegen sie persönlich gerichtet hat und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Strafverfahren gegen das satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organ einer Gesellschaft, einer Genossenschaft oder eines Vereines diesen keine Parteistellung zukommt (vgl. auch dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984 m.w.N.; zur verfassungsrechtlichen Problematik vgl. auch Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 7. Auflage 1999, Rzlen. 780 f).

Rechtsmitteln ist im Zweifel eine Deutung zu geben, die dem darin zum Ausdruck kommenden Rechtsschutzbedürfnis so weit wie möglich entgegen kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/11/0153). Dieser Gedanke kommt etwa auch darin zum Ausdruck, dass bei der Beurteilung, ob eine Berufung einen begründeten Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG enthält, nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes kein strenger Maßstab angelegt werden soll, weil es sich um eine Vorschrift handelt, die sich auch an rechtsunkundige Parteien richtet, zumal dem AVG ein übertriebener Formalismus fremd ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0347, m. w.N.).

Im vorliegenden Fall hat kein Zweifel daran bestanden, dass die Beschwerdeführerin mit der Einbringung der Berufung den ihr aus dem Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien erfließenden Nachteil abwenden wollte. Bei dieser Sach- und Rechtslage musste die belangte Behörde angesichts der in der Berufung enthaltenen Erklärung "... erhebe ich zu Punkt 1) sowie Punkt 3) Berufung" davon ausgehen, dass die Berufung jedenfalls auch der Beschwerdeführerin zuzurechnen war und waren ihre weiteren Ermittlungen hinsichtlich der Zurechnung der Berufung entbehrlich.

Mit der Zurückweisung der Berufung verkannte sie die Rechtslage.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1

VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG

i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Juli 1999

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