VwGH 97/09/0241

VwGH97/09/024120.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 22. April 1997, Zl. VwSen-250511/43/Lg/Bk, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Walter E, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §2 Abs2 litb idF 1995/895;
AuslBG §2 Abs3 lita;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AuslBG §2 Abs2 litb idF 1995/895;
AuslBG §2 Abs3 lita;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei (mP) wurde mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 12. Februar 1996 zu zwei Geldstrafen in Höhe von je S 5.000,-- bzw. zwei Ersatzfreiheitsstrafen in Höhe von je 28 Stunden verurteilt, weil sie in der Zeit von Anfang August 1995 bis 4. Oktober 1995 die Arbeitsleistung des tschechischen Staatsangehörigen Kl und in der Zeit von Anfang September 1995 bis 4. Oktober 1995 die Arbeitsleistung des tschechischen Staatsangehörigen Ko, beide Arbeitnehmer bei der B GmbH in Tschechien, auf der Baustelle der Sparkasse in G in Anspruch genommen habe, ohne daß die gemäß § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für eine legale Ausländerbeschäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere vorgelegen seien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. April 1997 gab die belangte Behörde der Berufung Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein.

Den Gang des Verfahrens gab die belangte Behörde folgendermaßen wieder: In der Berufung sei eingewendet worden, es sei nicht erwiesen, daß die Ausländer die Arbeiten ausgeführt hätten bzw. von einer ausländischen Firma im Inland beschäftigt worden seien. Wegen der Zusicherung der tschechischen Firma B sei die mP davon ausgegangen, daß keine Beschäftigungsbewilligung notwendig sei. Es sei kein Verschulden gegeben.

Aus dem erstbehördlichen Akt sei ersichtlich, daß die mP dem Arbeitsinspektorat zwei mit "Werkvertrag" betitelte Schriftstücke vorgelegt hatte. Der "Werkvertrag Nr. 120995" vom 14. August 1995 zwischen der Firma E (Auftraggeber) und der Firma B, Budweis (Auftragnehmer), enthalte in der Rubrik "Auftragsgegenstand" keine Angabe. Als "Leistungszeitraum" sei 10. August bis 30. September 1995 angegeben. Als "Pauschalpreis" sei 330.000 (ohne Währungsangabe) angeführt (Haftungsrücklaß 5 % im Pauschalpreis berücksichtigt). Der "Werkvertrag Nr. 031994" vom 19. Dezember 1994 zwischen der Firma E (Auftraggeber) und der Firma K, Ledinice (Auftragnehmer), enthalte als Auftragsgegenstand "Institut St. Pius, GWB, Musikschule, Sparkasse" im Leistungszeitraum 1. April 1995 bis 15. Dezember 1995. Als Pauschalpreis sei ATS 273.000 S angeführt (1/7 des Pauschalpreises, zahlbar monatlich im nachhinein, Rest nach Abnahme, Haftungsrücklaß 5 % im Pauschalpreis berücksichtigt).

Das Erhebungsorgan habe bei der Baustellenkontrolle am 4. Oktober 1995 den Ausländer Ko bei Malerarbeiten und den Ausländer Kl bei Parkettversiegelungsarbeiten angetroffen. Der Sohn der mP habe angegeben, es sei von Herrn Ec von der Firma B versichert worden, daß es keine Probleme mit diesem Vertrag gebe. Herr Ec sei auf der Baustelle gewesen und habe den ausländischen Arbeitnehmern Anweisungen auf tschechisch gegeben. Die Bodenschleifmaschine und das Malerwerkzeug stammten von der Firma E, wer die Malerfarben bestellt habe, könne er nicht sagen.

In der Strafanzeige habe das Arbeitsinspektorat die Auffassung vertreten, der vorgelegte "Werkvertrag" sei ein "reiner Umgehungsvertrag des AuslBG". Die Beteiligung der Firma B sei im Ermittlungsverfahren festzustellen. Laut Firmenbuch sei kein inländischer Betriebssitz der Firma B vorhanden.

In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. Dezember 1995 wurde der mP sowohl ein Verstoß im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG (Beschäftigung des Ko und Kl in einem Arbeitsverhältnis bzw. arbeitnehmerähnlichen Verhältnis auf der Baustelle der Sparkasse in G als Maler) als auch im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b AuslBG (Inanspruchnahme der Arbeitsleistung des Kl und Ko, beide Arbeitnehmer der Firma B in Tschechien, auf der genannten Baustelle als Maler) vorgeworfen.

Das Arbeitsmarktservice Oberösterreich vertrat in einer Stellungnahme vom 10. Jänner 1996 die Auffassung, je nach Gültigkeit bzw. Scheincharakter des Werkvertrages sei ein Verstoß gegen § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a bzw. § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b AuslBG anzunehmen. Der Vertrag mit der Firma K sei ein reiner Umgehungsvertrag.

In der Rechtfertigung vom 17. Jänner 1996 bestritt die mP das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen der Firma E und den Ausländern. Es habe lediglich ein Werkvertrag zwischen der Firma E und der Firma B bestanden.

Die belangte Behörde führte eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch. Sie gab im angefochtenen Bescheid das Ergebnis der Aussagen in der Verhandlung vernommenen Personen (Darstellung des Rechtsvertreters der mP, Zeuge Reinhard E, Zeuge Ec, Zeuge Kl, Zeuge P) auszugsweise wieder.

Als verfahrensrelevant wird hieraus wiederholt:

Laut mP habe zwischen der Firma E und der Firma B ein Werkvertrag bestanden. Die Firma B habe mit Ko und Kl Sub-Werkverträge abgeschlossen. Die beiden Ausländer seien selbständige Gewerbetreibende. Vorgelegt seien die (tschechischen) Gewerbescheine der Ausländer und die Werkverträge zwischen ihnen und der Firma B worden. Aus den Werkverträgen gehe hervor, daß sie Tischler seien und Auftragsgegenstand die Verlegung von 600 m2 Parkettböden in der Sparkasse G sei. Der Vertreter der Behörde erster Instanz habe zwei Werkverträge zwischen der Firma E und zwei weiteren Tschechen vorgelegt, die sich mit dem eingangs zitierten "Werkvertrag Nr. 031994" hinsichtlich Auftragsgegenstand vollständig und hinsichtlich des Leistungszeitraumes im wesentlichen deckten.

Die mP habe angegeben, beim Auftragsgegenstand habe es sich um die Parkettverlegung der Sparkasse G mit Auftragsvolumen S 300.000,-- gehandelt. Sie sei in Terminnot gewesen und habe diese Arbeit vergeben müssen. Herr Ec von der Firma B habe erklärt, daß auf Werkvertragsbasis alles legal sei. Die Bezahlung sei an die Firma B erfolgt. Die Tschechen hätten selbständig und unabhängig vom Personal der Firma E gearbeitet. An Material und Werkzeug seien nur eine Handkreissäge und eine Bodenschleifmaschine von der Firma E beigestellt worden. Die Betretung eines der beiden Ausländer bei Malerarbeiten könne sich die mP nur aus einer momentanen Gefälligkeit erklären.

Der Zeuge Reinhard E habe ergänzt, die Malerarbeiten seien von firmeneigenem Personal der Firma E gemacht worden. Der Zeuge Ec, Gesellschafter der Firma B, habe ausgesagt, daß diese Firma unter anderem eine Gewerbeberechtigung nach tschechischem Recht für Bodenlegearbeiten besitze. Die Geschäftstätigkeit bestehe auch darin, in Österreich Aufträge zu aquirieren und gewinnbringend an tschechische Subunternehmer zu vergeben. Dies sei im konkreten Fall geschehen. Die fehlende Bezeichnung des Auftragsgegenstandes im von der mP vorgelegten "Werkvertrag Nr. 120995" könne der Zeuge nicht erklären, es sei aber klar gewesen, daß es sich um die Verlegung von ca. 600 m2 Parkettböden im Wert von S 300.000,-- in der Sparkasse G gehandelt habe. Er habe die selbständig tätigen Tschechen nicht angewiesen, sondern nur den Arbeitsfortschritt kontrolliert. Es sei bewußt riskiert worden, daß es bei der selbständigen Tätigkeit der Tschechen in Österreich gewerberechtliche Probleme geben könne. Die Abrechnung sei in Teilrechnungen nach dem Baufortschritt erfolgt. Es sei nur der Vertrag zwischen der Firma E und der Firma B zur Durchführung gelangt, nicht auch die sonstigen aktenkundigen "Werkverträge" zwischen der Firma E und den Tschechen Kl, G und Pa. Bei den letztgenannten drei Verträgen habe es sich um reine Scheinverträge gehandelt, um den Tschechen die Erlangung der Aufenthaltsbewilligung zu erleichtern. Das Gesamtauftragsvolumen sei zwischen Kl und Ko geteilt worden. Jeder habe seinen Teilbereich etappenweise fertig gemacht. Eine genauere Leistungsumschreibung in den Werkvertragsurkunden habe es nicht gegeben. Es gebe grundsätzliche Vereinbarungen zwischen der Firma B und den tschechischen Partnern, bei gegebener Auftragslage der Firma B Werkverträge zu schließen. Diese würden bei manchen tschechischen Partnern bis zu 80 % von deren Kapazität in Anspruch nehmen. Die Partner seien aber nicht verpflichtet, die Aufträge anzunehmen oder gehindert, Aufträge von Dritten anzunehmen. Betreffend Ko und Kl: Dies sei der einzige Einsatz im Sinne der Kooperation der Ausländer mit der Firma B in einem Zeitraum von etwa je einem halben Jahr vor und nach der Tätigkeit der Ausländer bei der Sparkasse G gewesen. Einzige Ausnahme sei ein Auftrag für Kl mit einem Auftragsvolumen von S 10.000,-- (privat für einen Gesellschafter der Firma B gewesen. Es habe seitens der Firma B kein Weisungsrecht gegenüber den Ausländern in persönlicher oder fachlicher Hinsicht gegeben, auf die Zeiteinteilung von Ko und Kl sei kein Einfluß genommen worden. Kontrolliert seien lediglich die Termineinhaltung bzw. die Qualität der Arbeit worden. Persönliche Erfüllungspflicht sei nicht vereinbart gewesen. Wegen der räumlichen Entfernung sei vorgesehen gewesen, daß die Ausländer von der Firma "Ec" (gemeint wohl: E) zur Verfügung gestellte Arbeitskräfte benutzen. Kl verfüge über eine eigene Tischlerei, Ko nicht.

Der Zeuge Kl habe ausgesagt, er sei selbständiger Tischler und Bodenleger mit entsprechendem Gewerbeschein. 1994 sei mit der Firma B eine unbefristete Vereinbarung über die Kooperation getroffen worden. Je nach Auftragslage sei die Aussicht auf einzelne Aufträge eröffnet gewesen, solche seien nach Ansicht des Projektes und Vereinbarung über die Höhe des Entgeltes zustandegekommen. Dies sei im gegenständlichen Fall auch so erfolgt. Er habe im Zeitraum von ca. je einem halben Jahr vor und nach der gegenständlichen Baustelle von dritter Seite keine Aufträge gehabt. Die konkrete Baustelle sei seine einzige in Österreich gewesen. Es habe keine Zusammenarbeit mit Personal der Firma E gegeben.

Der Zeuge P habe angegeben, einen der Tschechen bei Malerarbeiten, den anderen beim Bodenschleifen angetroffen zu haben. Sie hätten gesagt, bei einer tschechischen Firma beschäftigt zu sein. Er habe deren Aussage so verstanden, daß die Tschechen in Tschechien einen tschechischen Arbeitgeber hätten und in Österreich für die Firma E gearbeitet hätten.

Der Ausländer Ko habe nicht vernommen werden können.

Als Sachverhalt stellte die belangte Behörde fest, daß im konkreten Fall zwischen der Firma E und der Firma B ein Vertrag über die Verlegung von Parkettböden in der Sparkasse G im Umfang von 600 m2 zu einem Preis von S 300.000,-- bestanden habe. Dieser Behauptung stehe die Mangelhaftigkeit der im erstbehördlichen Verfahren vorgelegten Urkunden nicht zwingend entgegen, da der Abschluß von Werkverträgen nicht formgebunden sei und mündliche Vereinbarungen daher beachtlich seien. Dieser Vertrag sei auf die Parkettverlegung gerichtet gewesen und nicht auf die Überlassung von Arbeitskräften. Zum Verhältnis zwischen den Ausländern und der Firma B stellte der UVS fest, daß es sich um eine in persönlicher Unabhängigkeit erbrachte Erfüllung von Zielschuldverhältnissen handle und ein Arbeitsverhältnis zwischen der Firma B und den Ausländern auszuschließen sei.

Der UVS hielt es allerdings für "denkbar ..., die Werkverträge zwischen der Firma B und den Ausländern als arbeitnehmerähnliches Verhältnis zu deuten und sohin eine Beschäftigung der Ausländer durch die Firma B anzunehmen, was den Tatvorwurf der Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen betriebsentsandter Ausländer durch den Berufungswerber stützen könnte".

Die belangte Behörde befaßte sich mit dieser Frage jedoch nicht näher, weil sie aufgrund der "für einen juristischen Laien" nicht mehr durchschaubaren Rechtslage und der Annahme, daß die dann bestehende Pflicht, sich bei der zuständigen Behörde über die Rechtslage zu erkundigen, nicht zielführend gewesen wäre, denn die zuständige Behörde wäre "selbst mit der rechtlichen Beurteilung überfordert". Begründet wird dies im wesentlichen mit dem - kritisierten - Versuch des Gesetzgebers, die "Werkverträge" im ASVG zu erfassen. Dabei sei eine Bestimmung (§ 4 Abs. 5 ASVG) vom Verfassungsgerichtshof wegen gravierender Unklarheiten aufgehoben worden. Unter diesen Voraussetzungen seien weder dem Berufungswerber noch der zuständigen Behörde ausreichende Rechtskenntnisse dahingehend zuzumuten, unter welchen Voraussetzungen in persönlicher Unabhängigkeit erbrachte Erfüllungen von Zielschuldverhältnissen zwischen dem ausländischen Geschäftspartner und dessen Auftragnehmern als Beschäftigung im Sinne des § 18 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 2 lit. c, § 2 Abs. 3 lit. b und § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b AuslBG zu werten seien. Das Vertrauen der mP, rechtmäßig gehandelt zu haben, entschuldige sie daher.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die beschwerdeführende Bundesministerin bringt

- zusammengefaßt - vor, hinsichtlich des Beschäftigungsbegriffes des § 18 Abs. 1 AuslBG bestehe keine Unklarheit, dieser sei im Sinne der Begriffsbestimmungen des AuslBG zu verstehen. Bei Unklarheiten oder Zweifel der Beschwerdeführerin über den Inhalt des Gesetzes sei sie verpflichtet gewesen, hierüber bei der zuständigen Behörde Auskunft einzuholen. Nur dann, wenn von kompetenter Seite erteilte Auskünfte erfolgt werden, können trotzdem erfolgte Gesetzesverstöße nicht als Verschulden angerechnet werden. Die belangte Behörde habe die äußere Erscheinungsform der "ganzen Konstruktion" nicht hinterfragt, im Sinne der Bestimmung des § 2 Abs. 4 AuslBG (wahrer wirtschaftlicher Gehalt) wäre dies notwendig gewesen, da die späteren Beweisergebnisse wesentlich von den ursprünglichen Ermittlungsergebnissen bei der Kontrolle abgewichen seien und die nach und nach vorgelegten schriftlichen Verträge zueinander in Konkurrenz stünden. Der wahre wirtschaftliche Gehalt sei ohne weiteres als eine - mit der Absicht der Umgehung des AuslBG mittels Werkverträgen - verwirklichte Verwendung von ausländischen Arbeitskräften erkennbar. Zudem habe die belangte Behörde den Sachverhalt insofern aktenwidrig angenommen, als sie ungeachtet der Zeugenaussage P, daß zumindest ein Ausländer Malerarbeiten auf der Baustelle verrichtet habe, dessen ungeachtet auch in diesem Fall von der Erfüllung eines auf Parkettbodenverlegung gerichteten Werkvertrages ausging. Die belangte Behörde habe nicht begründet, weshalb sie im Fall des bei Malerarbeiten angetroffenen Ausländers Ko seine Tätigkeit als Parkettverlegung gewertet habe.

Nicht schlüssig sei weiters die Feststellung, daß - ungeachtet der starken Indizien für die gegenteilige Auffassung - trotz abgeschlossener und vorgelegter Verträge aller Beteiligten (E, B, Kl, Ko) in "fast allen denkbar möglichen Konstellationen" als Vertragspartner keinerlei Umgehungsabsicht mittels Scheinverträgen vorgelegen sei. Die Begründung gehe auf den "in diesem Zusammenhang relevanten Akteninhalt (Rechtsmeinung des Arbeitsinspektorates und des Arbeitsmarktservice, Zeugenaussage zum Scheincharakter der "Werkverträge" der Firma E mit den Ausländern) sowie auf andere Ungereimtheiten (Malerarbeiten bei der Kontrolle laut niederschriftlichen Angaben der Ausländer und Zeugenaussage anstatt behaupteter selbständiger Tätigkeit als Tischler bzw. Ausführung eines Werkvertrages lautend auf Parkettverlegung, Weisungen durch die Firma B an Ausländer laut Niederschrift, kein schriftlich vereinbarter konkreter Vertragsinhalt mit der Firma B) nicht oder unzureichend ein". In der Beschwerde wird fortgesetzt:

"Die Feststellung, ein Arbeitsverhältnis der Ausländer mit der Fa. B sei daher auszuschließen, ist daher weder nachvollziehbar noch schlüssig, da keine Erwägungen dahingehend getroffen wurden, weshalb der Ausländer Ko bei Malerarbeiten angetroffen wurde, weshalb auch die Fa. E Werkverträge mit beiden Ausländern abgeschlossen hatte und weshalb die Zeugenaussage des Kl auch für die Tätigkeit des Ko relevant sein kann. Letztlich erscheint die Annahme der belangten Behörde lebensfremd, auf einer Baustelle des laut eigenen Angaben vor der Auftragsvergabe in Terminnot stehenden Berufungswerbers sei dann ein Auftrag an ein ausländisches Unternehmen erfolgt, das "selbständige Tischler und Bodenleger" entsendet, für die "keine persönlichen oder fachlichen Weisungen vorgesehen waren" und die ohne "Einfluß auf die Zeiteinteilung" und ohne "persönliche Erfüllungspflicht" sowie ohne "Zusammenarbeit mit Personal der Fa. E", somit vollkommen unkoordiniert und beliebig ihre Arbeitsleistungen erbringen. Wie dies möglich sein kann, dafür bleibt der angefochtene Bescheid jede Erklärung schuldig."

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung des Bescheides.

Die belangte Behörde und die mP erstatteten Gegenschriften, mit welchen sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 895/1995, lauten:

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Beschäftigung von Ausländern (§ 2) im Bundesgebiet.

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Als Ausländer im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt, wer nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung

  1. a) in einem Arbeitsverhältnis,
  2. b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird, ...
  3. d) nach den Bestimmungen des § 18 ...

(3) Den Arbeitgebern gleichzuhalten sind

a) in den Fällen des Abs. 2 lit. b die inländischen Vertragspartner jener Personen, für deren Verwendung eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich ist, ...

Betriebsentsandte Ausländer

Voraussetzungen für die Beschäftigung

§ 18. (1) Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, bedürfen, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, einer Beschäftigungsbewilligung.

Strafbestimmungen

§ 28. (1) Personen, die ...

  1. b) entgegen dem § 18 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird, in Anspruch nehmen, ohne daß für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung (§ 18 Abs. 1, 4 und 7) erteilt wurde ...

    begehen eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafen zu bestrafen."

Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Begriffsbestimmungen des § 2 AuslBG für das gesamte AuslBG Geltung haben. Ebenso kann kein Zweifel daran bestehen, daß es keinen Unterschied macht, ob das Gesetz das Wort "Beschäftigung" als Hauptwort oder "beschäftigt" als Zeitwort gebraucht. Wenn also in § 18 Abs. 1 AuslBG von Ausländern, die im Inland "beschäftigt werden" spricht, so ist unter diesem "Beschäftigtwerden" nichts anderes zu verstehen als die Umschreibung des § 2 Abs. 2 AuslBG für die Beschäftigung. § 18 Abs. 1 AuslBG umfaßt daher auch die Verwendung in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird.

Was unter arbeitnehmerähnlichen Verhältnissen zu verstehen ist, ist nach Judikatur und Lehre unumstritten. Aufgrund des nunmehr in § 2 Abs. 4 AuslBG ausdrücklich normierten Grundsatzes der Beurteilung nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht der äußeren Erscheinungsform des Sachverhaltes kommt es auch im Falle eines vorgelegten Werkvertrages (hier die Werkverträge zwischen der Firma B und den Ausländern Kl und Ko) nicht darauf an, in welchem Rechtsverhältnis die Vertragspartner zueinander stehen, sondern auf die Verwendung unter bestimmten Umständen.

Arbeitnehmerähnlichkeit ist dadurch gekennzeichnet, daß an sich ein Arbeits(Vertrags)verhältnis nicht vorliegt, d.h. daß die für den Arbeitnehmertypus charakteristischen Merkmale der persönlichen Abhängigkeit zu gering ausgeprägt sind, um daraus ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis ableiten zu können, jedoch in einem gewissen Umfang gegeben sind. Wesen der Arbeitnehmerähnlichkeit ist, daß der Verpflichtete in seiner Entschlußfähigkeit auf ein Minimum beschränkt ist. Es kommt ausschließlich darauf an, ob das konkrete und genau erhobene Gesamtbild der Tätigkeit, die eine Person im Auftrag und für Rechnung eines anderen leistet, so beschaffen ist, daß sich die betreffende Person im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber wirtschaftlich in einer ähnlichen Situation befindet, wie dies beim persönlich abhängigen Arbeitnehmer typischerweise der Fall ist. Solche typische Merkmale wirtschaftlicher Unselbständigkeit sind:

  1. 1. die Verrichtung der Tätigkeit nicht in einem Betrieb oder einer Betriebsstätte des Verpflichteten, sondern in einem Betrieb des Unternehmers;
  2. 2. eine gewisse Regelmäßigkeit und längere Dauer der Tätigkeit;
  3. 3. die Verpflichtung zur persönlichen Erbringung der geschuldeten Leistung;
  4. 4. Beschränkungen der Entscheidungsfreiheit des Verpflichteten hinsichtlich der Verrichtung der Tätigkeit (Weisungsgebundenheit, "stille" Autorität);
  5. 5. die Berichterstattungspflicht;
  6. 6. die Arbeit mit Arbeitsmitteln des Unternehmers;
  7. 7. das Ausüben der Tätigkeit für einen oder eine geringe Anzahl, nicht aber für eine unbegrenzte Anzahl ständig wechselnder Unternehmer;
  8. 8. die vertragliche Einschränkung der Tätigkeit des Verpflichteten in bezug auf andere Personen (Unternehmerbindung, Konkurrenzverbot);
  9. 9. die Entgeltlichkeit und
  10. 10. die Frage, wem die Arbeitsleistung zugute kommt.

Bei der Beurteilung müssen nicht alle Kriterien, welche möglicherweise zur Bestimmung der wirtschaftlichen Unselbständigkeit relevant sein könnten, verwirklicht sein; sie müssen in einer Gesamtbetrachtung nach Zahl, Stärke und Gewicht bewertet werden. Bei der Beurteilung des konkret und genau erhobenen Sachverhaltes geht es nicht darum, daß lückenlos alle rechtlichen und faktischen Merkmale festgestellt sind, sondern darum, die vorhandenen Merkmale zu gewichten und sodann das Gesamtbild daraufhin zu bewerten, ob wirtschaftliche Unselbständigkeit vorliegt oder nicht. Das totale Fehlen des einen oder anderen Merkmales muß dabei nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Die vorhandenen Merkmale werden in aller Regel unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Ihre Bewertung erfolgt nach den Regeln des "beweglichen Systems", indem das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Tatbestandsmerkmale zueinander derart in eine Beziehung zu setzen ist, daß man berücksichtigt, daß eine Art von wechselseitiger Kompensation der einzelnen Gewichte vorgenommen wird. Das bedeutet nichts anderes, als daß das Fehlen wie auch eine schwache Ausprägung des einen oder anderen Merkmales durch ein besonders stark ausgeprägtes Vorhandensein eines anderen oder mehrerer anderer Merkmale ausgeglichen bzw. überkompensiert werden kann (vgl. mit zahlreichen weiteren Nachweisen Bachler, Ausländerbeschäftigung (1995), Seite 9 ff).

Die belangte Behörde verkannte durch den Hinweis auf die Werkvertragsregelung des ASVG, daß es eine nahezu unlösbare legistische Aufgabe darstellt, diese Merkmale, welche in einem beweglichen System zu bewerten sind, als positive Norm zu erfassen. Darüber hinaus verweist die belangte Behörde unzutreffenderweise auf einen Normierungsversuch im Bereich des ASVG, welcher auf den Begriff der Arbeitnehmerähnlichkeit, wie er in Judikatur und Lehre feststeht, im Grundsätzlichen (d.h. über den Bereich des ASVG hinaus) keine Bedeutung hat.

Unzweifelhaft steht fest, daß die mP keinen Versuch unternommen hat, vor dem Beginn der Arbeiten in der Sparkasse G durch die verfahrensgegenständlichen Ausländer bei der zuständigen Behörde eine Rechtsmeinung über die Zulässigkeit des Einsatzes dieser Ausländer einzuholen. Es ist eine reine spekulative und durch eine unrichtige Rechtsmeinung gestützte Annahme der belangten Behörde, die zuständige Behörde hätte zumutbarerweise keine Rechtsauskunft erteilen können.

Doch selbst im Falle des Zutreffens der Annahme der belangten Behörde, die zuständige Behörde hätte keine richtige Rechtsauskunft erteilen können, ist nicht auf mangelndes Verschulden zu schließen, wenn die mP jeden Versuch zur Erlangung der Rechtsauskunft der zuständigen Behörde unterläßt; denn nur im Falle der Erteilung einer unrichtigen Auskunft könnten im Vertrauen auf die Auskunft erfolgte Gesetzesverstöße nicht als Verschulden angerechnet werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0160, und vom 22. April 1993, Zlen. 92/09/0347, 0349, entschieden hat, ist auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung bekannt, daß die Beschäftigung eines Ausländers grundsätzlich einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung bedarf. Der mP hätten (im Beschwerdefall) zumindest Zweifel kommen müssen, ob die Heranziehung zweier Ausländer zu bestimmten Arbeiten gegen Entgelt nicht einer Bewilligungspflicht unterliegt. In der Unterlassung von Erkundigungen bei der zuständigen Bewilligungsbehörde durch die mP liegt nach den obigen Ausführungen zumindest ein fahrlässiges Verhalten, das die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 VStG für den Fall, daß die Beschäftigung des Kl und des Ko im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG zur Firma B als arbeitnehmerähnliches Verhältnis zu beurteilen sei, ausschließt. Auf die bloße Versicherung des Ec (dessen Tätigkeit in der Firma B der mP übrigens völlig im dunkeln geblieben ist), aufgrund der zwischen den Ausländern und der Firma B geschlossenen Werkverträge liege keine Bewilligungspflicht in Österreich vor, durfte die mP nicht schuldbefreiend vertrauen, zumal sie gemäß ihrer Aussage in der öffentlichen mündlichen Verhandlung (der diesbezügliche Inhalt ihrer Aussage wurde im angefochtenen Bescheid nicht wiedergegeben) über die Umstände der Ausgestaltung der "Werkverträge" zwischen Kl und Ko einerseits sowie der Firma B andererseits keine Ahnung hatte.

Damit erweist sich aber die Unterlassung der Auseinandersetzung der belangten Behörde mit der Frage, ob die Beschäftigung des Ko und Kl zur Firma B ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis darstellt, als wesentlich. Die belangte Behörde zeigt auf Seite 16 und 17 des angefochtenen Bescheides selbst ein Merkmal auf, welches in Richtung wirtschaftlicher Unselbständigkeit des Kl und Ko deutet (Ausüben der Tätigkeit nur für die Firma B). Darüber hinaus ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid der Hinweis auf eine fast dreimonatige geplante Dauer der Tätigkeit, die Arbeit mit von der Firma B organisierten und von der Firma E bereitgestellten Arbeitsmitteln und die - im angefochtenen Bescheid nicht wiedergegebene - letztlich nach wiedersprüchlicher Darstellung in der öffentlichen mündlichen Verhandlung zugestandene Zahlung der Beherbergungskosten (zumindest) für Kl in einer Gaststätte durch die Firma B, ohne daß diese auf den "Werkvertragslohn" angerechnet würde.

Daß auf Kl und Ko die Bestimmung des § 2 Abs. 2 lit. b zweiter Halbsatz AuslBG ("sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird") in Österreich zuträfe, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt. In diesem Zusammenhang sei auf das im Akt erliegende Schreiben des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung vom 18. April 1996 betreffend "Herüberarbeiten von tschechischen Gewerbetreibenden - Rechtsauskunft" hingewiesen, wonach für Gesellschaften und Staatsangehörige der tschechischen Republik, die in Tschechien ansässig sind, ein Herüberarbeiten über die Grenze, wie dies nach § 373g GewO 1994 möglich sei, nicht in Frage käme, weshalb zur rechtmäßigen Ausübung in Österreich auch eine (österreichische) Gewerbeberechtigung erlangt werden müsse.

Dem Verwaltungsgerichtshof ist es verwehrt, anstelle der belangten Behörde Sachverhaltselemente festzustellen und zu würdigen. Aufgrund der aufgezeigten Hinweise, daß Kl und Ko in arbeitnehmerähnlicher Weise bei der Firma B beschäftigt waren, ist nicht auszuschließen, daß die belangte Behörde bei vollständiger Feststellung und Würdigung sämtlicher Sachverhaltselemente im Gesamtbild der Tätigkeit des Ko und Kl zur Firma B zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Die aufgezeigten Verfahrensmängel beruhen auf der Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde zu § 18 Abs. 1 AuslBG und § 5 Abs. 1 und 2 VStG, weshalb der Bescheid wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der von der Beschwerdeführerin darüber hinaus behaupteten Unschlüssigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Außerachtlassung von Unstimmigkeiten und Widersprüchen betreffend die Feststellung der belangten Behörde, daß kein Arbeitsverhältnis der Ausländer Kl und Ko zur Firma B vorläge.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte