VwGH 97/08/0051

VwGH97/08/005118.3.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek sowie den Senatspräsidenten Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden der Salzburger Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in S, gegen zwei Bescheide des Landeshauptmannes von Salzburg vom 3. Februar 1994, jeweils Zl. 3/01-12.945/3-94, betreffend Betriebsnachfolgehaftung gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Z-Gesellschaft mbH in H, 2. X-GesmbH in H, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §67 Abs4 idF 1986/111;
ASVG §67 Abs5 idF 1986/111;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
ASVG §67 Abs4 idF 1986/111;
ASVG §67 Abs5 idF 1986/111;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- und den mitbeteiligten Parteien je S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Parteien wird abgewiesen.

Begründung

Mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 15. März 1993, Sa N2/93, wurde über das Vermögen der X-AG das Ausgleichsverfahren eröffnet. Im Zuge des Ausgleichsverfahrens wurden zur geplanten Fortführung der betrieblichen Tätigkeit dieser Gesellschaft zwei Auffanggesellschaften, nämlich die K-GesmbH und die Z-GesmbH, gegründet, die mit Kaufverträgen vom 27. Mai 1993 Teile des Anlagevermögens der X-AG erwarben. Die übrigen Teile des Anlagevermögens, insbesondere die Liegenschaften, wurden von der X-AG an die beiden Auffanggesellschaften verpachtet.

Mit zwei Bescheiden vom 21. Juni 1993 stellte die Beschwerdeführerin fest, daß die beiden Auffanggesellschaften als Erwerber je eines Teilbetriebes der X-AG gemäß § 67 Abs. 4 ASVG dem Grunde nach für die Beiträge, die die X-AG für die Zeit vom 28. Mai 1992 bis 27. Mai 1993 zu zahlen gehabt hätte, hafteten. Begründet wurden diese Bescheide damit, daß der Erwerb näher angeführter Teile des Anlagevermögens der X-AG mit den Kaufverträgen vom 27. Mai 1993, die die wesentliche Grundlage des Betriebes der X-AG gebildet hätten, den Auffanggesellschaften die Fortsetzung "des Teilbetriebes" (gemeint: als Teilbetrieb der Papiererzeugung bzw. der Zellstofferzeugung) ermögliche.

Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Einsprüchen der mitbeteiligten Auffanggesellschaften (die K-GesmbH wurde im Einspruchsverfahren in X-AG umbenannt) Folge und hob die bekämpften Bescheide der Beschwerdeführerin als rechtswidrig auf. Begründet wurden diese Bescheide im wesentlichen damit, daß die beiden Auffanggesellschaften durch den Erwerb der jeweils angeführten Teile des Anlagevermögens der X-AG nicht in der Lage gewesen seien, den Betrieb der Betriebsvorgängerin auch nur teilweise (als Teilbetrieb) fortzusetzen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, nach denen sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt erachtet, die mitbeteiligten Auffanggesellschaften als Betriebsnachfolger der X-AG zur Haftung für die in ihren Bescheiden genannten Beiträge heranzuziehen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die beiden mitbeteiligten Auffanggesellschaften eine Gegenschrift.

Mit zwei Beschlüssen vom 14. November 1995, Zlen. A 175/95 und A 176/95, stellte der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG den Antrag, erstens § 67 Abs. 5 ASVG, zweitens in eventu § 67 Abs. 4 und 5 ASVG, jeweils in der Fassung der 41. Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 30. November 1996, Zlen. 1381, 1382/95, sprach der Verfassungsgerichtshof (vor dem Hintergrund der Neufassung des § 67 Abs. 5 ASVG durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 411) aus, daß § 67 Abs. 5 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 111/1986 verfassungswidrig war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG sind dann, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist oder der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen hat, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.

Da die beiden Beschwerdefälle Anlaßfälle im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG darstellen, ist bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der beiden angefochtenen Bescheide so vorzugehen, als ob bei ihrer Erlassung § 67 Abs. 5 ASVG in der genannten Fassung nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 6. Juni 1984, Zl. 11/0205/79). Dies aber hat, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Anfechtungsbeschluß vom 14. November 1995, Zl. A 176/95, näher dargelegt hat, zur Folge, daß § 67 Abs. 4 ASVG in der in den Beschwerdefällen anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 111/1986 wegen der Bezugnahme auf § 1409 a ABGB und auf § 25 HGB gleichheitskonform so auszulegen ist, daß auch bei Erwerb eines Betriebes im Ausgleich eine Haftung nach § 67 Abs. 4 ASVG nicht eintritt. Die Verneinung einer Haftung der beiden mitbeteiligten Auffanggesellschaften durch die belangte Behörde entspricht daher im Ergebnis der Rechtslage.

Die beiden Beschwerden waren deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die mitbeteiligten Parteien haben - nach Inkrafttreten der zuletzt genannten Verordnung - an Schriftsatzaufwand zwar weniger, zuzüglich der verzeichneten, aber nicht gesondert zuzusprechenden Umsatzsteuer jedoch mehr als den nach der genannten Verordnung zulässigen Höchstbetrag begehrt. Es gebührt ihnen daher Aufwandersatz in der verordneten Höhe. Das darüber hinausgehende Begehren war demgemäß abzuweisen (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 23. Oktober 1990, Zl. 90/14/0035, und vom 11. November 1992, Zl. 92/02/0210).

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