VwGH 97/05/0105

VwGH97/05/010528.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. September 1996, Zl. UVS-04/A/41/00252/96, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs5;
BauO Wr §135 Abs1;
BauRallg;
VStG §1 Abs1;
WRG 1959 §137 Abs1;
BauO Wr §129 Abs5;
BauO Wr §135 Abs1;
BauRallg;
VStG §1 Abs1;
WRG 1959 §137 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit rechtskräftigem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 23. Mai 1995, wurde "den Eigentümern des Hauses ... gemäß § 129 Abs. 2, 4 und 5 der Bauordnung für Wien" u.a. der Auftrag erteilt

"...

3) binnen drei Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides die Decke über dem straßenseitigen Zimmer der Wohnung im zweiten Stock des Vordergebäudes hinsichtlich ihres Bauzustandes bzw. ihrer Tragfähigkeit "zu" untersuchen und der Baubehörde über das Untersuchungsergebnis einen Befund" vorzulegen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungsssenates Wien vom 27. September 1996 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt wie folgt:

"Sie haben als Miteigentümer des Hauses entgegen ihrer mit rechtskräftigem Bescheid der MA 37/7 vom 23. Mai 1995, Zl. 2/95, auferlegten Verpflichtung, über das Vorliegen eines vermuteten Baugebrechens, dessen Art und Umfang sich nicht durch bloßen Augenschein feststellen läßt, und zwar den Bauzustand bzw. die Tragfähigkeit der Decke über dem straßenseitigen Zimmer der Wohnung im 2. Stock des Vordergebäudes und gegebenenfalls über dessen Art und Umfang binnen einer Frist von drei Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides den Befund eines Sachverständigen vorzulegen, dessen zugrundeliegender Sachverhalt durch die Behörde überprüfbar sein muß, es in der Zeit vom 2. Oktober 1995 bis 18. Oktober 1995 unterlassen haben, den aufgetragenen tauglichen Befund vorzulegen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 129 Abs. 5 in Verbindung mit § 135 Abs. 1 und Abs. 3 der Bauordnung für Wien."

Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien eine Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich dem gesamten Vorbringen in der Beschwerde zufolge in dem Recht, nicht bestraft zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 5 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 idF der Novelle LGBl. Nr. 18/1976, (BO) ist der Eigentümer (jeder Miteigentümer) eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage verpflichtet, deren Bauzustand zu überwachen. Läßt dieser das Vorliegen eines Baugebrechens vermuten, hat er den Befund eines Sachverständigen einzuholen. Lassen sich Art und Umfang eines vermuteten Baugebrechens nicht durch bloßen Augenschein feststellen, ist er über Auftrag der Behörde verpflichtet, über das Vorliegen des vermuteten Baugebrechens und gegebenenfalls über dessen Art und Umfang den Befund eines Sachverständigen vorzulegen. Der dem Befund zugrunde gelegte Sachverhalt muß durch die Behörde überprüfbar sein.

Gemäß § 135 Abs. 1 leg. cit. idF der Novelle LGBl. Nr. 48/1992 werden Übertretungen dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen mit Geldstrafe bis zu S 300.000,-- oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft.

Gemäß § 1 Abs. 1 VStG kann als Verwaltungsübertretung eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

§ 135 Abs. 1 BO ist eine Blankett-Strafvorschrift, welche selbst keinen Tatbestand enthält, sondern auf andere Vorschriften, die damit Teil des Verwaltungsstraftatbestandes werden, verweist. Die Blankett-Strafnorm des § 135 Abs. 1 BO enthält die deutliche Verweisung auf die Bauordnung und die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen als Rechtsquelle für das Tatbild von Übertretungen im Sinne dieses Gesetzes, nicht jedoch die Nichteinhaltung der in Bescheiden getroffenen Anordnungen der Behörden, wie dies beispielsweise im § 137 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 vor Inkrafttreten der Wasserrechtsgesetznovelle 1990 normiert war (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Anordnung u.a. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

6. Auflage, Rz. 714, und die dort zitierte Literatur und Rechtsprechung, sowie Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 743 f). Ob eine Bestimmung der BO überhaupt eine Norm enthält, der zuwidergehandelt werden kann, muß daher in jedem einzelnen Fall geprüft werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1963, Slg. Nr. 6070/A). Mangels einer Bestimmung im § 135 Abs. 1 BO, daß ein Zuwiderhandeln gegen Bescheide strafbar ist, scheidet die Nichterfüllung eines baupolizeilichen Auftrages als Straftatbestand jedenfalls aus (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 1. April 1963, Zl. 1665/62; Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, 3. Auflage, E. 9 zu § 135 BO).

Gemäß § 129 Abs. 5 BO kann daher der Eigentümer eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage gemäß § 135 Abs. 1 leg. cit. bestraft werden, wenn er seiner den Bauzustand betreffenden Überwachungspflicht nicht nachgekommen ist. Satz zwei des § 129 Abs. 5 leg. cit. konkretisiert diese Verpflichtung, sich laufend über den guten Zustand des Gebäudes zu unterrichten, dahingehend, sich bei dieser Überprüfung eines Sachverständigen zu bedienen. Die im Satz drei dieser Gesetzesstelle angeordnete Verpflichtung zur Vorlage eines Sachverständigenbefundes über Art und Umfang des vermuteten Baugebrechens unter den dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen entsteht hingegen erst über Auftrag der Behörde, also erst durch bescheidmäßige Anordnung.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die auf § 135 Abs. 1 und Abs. 3 im Grunde des § 129 Abs. 5 BO gestützte Bestrafung des Beschwerdeführers auf die diesem mit Bescheid der MA 37/7 vom 23. Mai 1995 auferlegte Verpflichtung nach § 129 Abs. 5 dritter Satz BO gestützt. Damit hat sie ein Verhalten des Beschwerdeführers einem Tatbestand unterstellt, welcher gemäß § 135 Abs. 1 BO nicht mit Strafe bedroht ist. Sie belastete damit den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Umsatzsteuer ist im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten.

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