VwGH 97/05/0027

VwGH97/05/002727.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Dezember 1996, Zl. RU1-V-96144/00, betreffend Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §15;
AVG §47;
BauO NÖ 1969 §111 Abs1;
BauO NÖ 1976 §111 Abs1;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1;
ZPO §292 Abs2;
AVG §15;
AVG §47;
BauO NÖ 1969 §111 Abs1;
BauO NÖ 1976 §111 Abs1;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1;
ZPO §292 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist zu 2/158 Anteilen Eigentümerin der Liegenschaft EZ 295, Grundbuch nn V, mit dem Grundstück Nr. 362/1 Gewässer (Teich) und des auf Teilen des vorgenannten Grundstückes errichteten Superädifikat-Badehauses K-See Nr. 100 aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9. Oktober 1990. Die Errichtung dieses Badehauses wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 11. September 1972 aufgrund der Verhandlungsergebnisse in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 1972 und des einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Bauplanes baubehördlich bewilligt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. November 1973 wurde für das bewilligte Bauvorhaben gemäß § 111 der NÖ Bauordnung die Bewohnungs- und Benützungsbewilligung erteilt. In der einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Niederschrift vom 13. Oktober 1973 wurde festgehalten, daß das genehmigte Bauvorhaben "plan-, beschreibungs- und bauordnungsgemäß als Badehaus errichtet wurde".

Aufgrund des im Verwaltungsakt erliegenden, dem Baubewilligungs- und Benützungsbewilligungsbescheid zugrunde gelegenen Einreichplanes sollte die durch das bewilligte Gebäude verbaute Fläche 48,77 m2 betragen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. November 1995 wurde der Beschwerdeführerin der Auftrag erteilt, "jene Bauteile abzutragen, die über den, mit Bescheid vom 11. September 1972 bewilligten Konsens hinausgehen". Das bewilligte Badehaus sei mit Zubauten in einem Gesamtausmaß von rund 97 m2 ausgeführt worden.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Juni 1996 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen, der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides jedoch dahingehend abgeändert, "daß lediglich nur mehr jene Bauteile abzutragen sind, die über das nunmehr zulässige Ausmaß von 59 m2 Nutzfläche des Badehauses bzw. über das Ausmaß von 10 m2 bebauter Fläche eines Abstellraumes hinausgehen und die sich im Vorgartenbereich der gegenständlichen Liegenschaft befinden". Die abzutragenden Bauteile wurden im Berufungsbescheid verbal nach Nutzung und Lage sowie größenmäßig durch Quadratmeterangabe genau beschrieben.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Dezember 1996 als unbegründet abgewiesen. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde habe ohne Rechtsirrtum die zu diesem Zeitpunkt rechtskräftigen Bebauungsvorschriften herangezogen. Die Übergangsbestimmung des § 120 der NÖ Bauordnung 1976 finde im gegenständlichen Fall keine Anwendung. Ein Badehaus, welches die zulässige Nutzfläche um 60 m2 überschreite, unterscheide sich optisch von den anderen angrenzenden Badehäusern. Ein Gebäude, welches dem Bebauungsplan bzw. den Bebauungsvorschriften widerspreche und nicht genehmigt werden könne, könne durch die Baubehörde auch nicht einfach zur Kenntnis genommen werden. Bei der angrenzenden Umfahrungsstraße handle es sich nicht um das Grundstück der Beschwerdeführerin, sodaß der im Gesetz geregelte Bauwich einzuhalten sei. Die Änderung der Bebauungsvorschriften sei in der Zeit vom 5. Dezember 1983 bis 30. Jänner 1984 an den Amtstafeln der maßgeblichen Katastralgemeinden durch Anschlag kundgemacht worden; auch der Beschwerdeführerin bzw. deren Rechtsvorgängern wäre es daher möglich gewesen, in die Bebauungsvorschriften im Gemeindeamt H Einsicht zu nehmen. Nach Beschluß der Bebauungsvorschriften durch den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde am 23. Februar 1984 sei die entsprechende Verordnung in der Zeit vom 24. Februar 1984 bis 12. März 1984 an den jeweiligen Amtstafeln angeschlagen gewesen. Die angrenzenden B-Seen lägen im "Bauland-Sondergebiet" der Gemeinde M, deren Gemeinderat aufgrund anderer infrastruktureller Voraussetzungen Bebauungsvorschriften beschlossen habe, die eine andere Bebaubarkeit als beim K-See zuließen. Es obläge jeder Gemeinde selbst, einen entsprechenden Bebauungsplan bzw. Bebauungsvorschriften dem Gesetz nach zu erlassen. Die Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer dem Rechtsbestand angehörigen Verordnung (Bebauungsvorschriften, Bebauungsplan) sei der Aufsichtsbehörde aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verwehrt. Die Beschwerdeführerin sei daher durch den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde weder formell noch materiell in ihren Rechten verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid ihrem Vorbringen zufolge in dem Recht auf Nichterteilung eines Abbruchauftrages verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 der hier anzuwendenden

NÖ Bauordnung 1976 (BO) hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerkes anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und

a) die fehlende Bewilligung nicht erteilt werden darf, weil das Bauvorhaben nicht zulässig ist oder

b) der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

Die Beschwerdeführerin wiederholt ihre schon gegenüber der Vorstellungsbehörde vorgetragenen Behauptungen, mit dem Benützungsbewilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. November 1973 seien die vom Abbruchauftrag umfaßten - im Baubewilligungsbescheid nicht enthaltenen, weil bereits vorhandenen - Baumaßnahmen, mitbewilligt worden.

Eine Benützungsbewilligung gemäß § 111 BO, deren Gegenstand und Inhalt ausschließlich die Erlaubnis zur Benützung des Bauwerkes bildet, kann den Baukonsens nicht abändern oder ersetzen. Erteilt die Baubehörde aber unter dem Titel der "Benützungsbewilligung" offensichtlich eine Bewilligung für Abweichungen vom Baukonsens oder erweitert sie diesen, so weist eine solche Benützungsbewilligung, und zwar auch ohne daß dies in ihrer Form zum Ausdruck kommen muß, Merkmale einer Baubewilligung auf (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 95/05/0320). In der Niederschrift der Baubehörde erster Instanz vom 13. Oktober 1973 über das Ansuchen um Erteilung der mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. November 1973 erteilten Benützungsbewilligung ist festgehalten, daß das "genehmigte Bauvorhaben plan-, beschreibungs- und bauordnungsgemäß als Badehaus errichtet wurde". Diese Niederschrift stellt eine öffentliche Urkunde dar, die gemäß § 47 AVG über ihren Inhalt vollen Beweis macht. Zwar ist der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung ebenso zulässig wie der Beweis der Unvollständigkeit derselben, bloß auf Mutmaßungen gegründete Zweifel an der Vollständigkeit der Protokollierung genügen jedoch für den Gegenbeweis nicht. Die Beweislast für die behauptete Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges in der Niederschrift trifft den, der diese Unrichtigkeit behauptet. Er hat konkrete Gründe zur Entkräftung der Beweiskraft der Niederschrift vorzubringen (vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, Seite 348 zu § 47 AVG referierte Rechtsprechung). Diesen Anforderungen wurde das Vorbringen der Beschwerdeführerin weder vor den Verwaltungsbehörden noch vor dem Verwaltungsgerichtshof gerecht. Es ist daher davon auszugehen, daß für die vom Abbruchsauftrag betroffenen durchgeführten baulichen Maßnahmen keine Baubewilligung vorliegt.

Die Beschwerdeführerin meint, daß die derzeit in Kraft stehenden Bebauungsvorschriften für das gegenständliche Grundstück nicht anzuwenden seien, weil die hier betroffenen Baumaßnahmen bereits vor dem 14. November 1973 ausgeführt worden seien. Im vorliegenden Fall müßte die Übergangsvorschrift des § 120 der NÖ Bauordnung 1976 angewendet werden.

Die Übergangsbestimmung des § 120 BO findet nur dann Anwendung, wenn keine entsprechende Regelung eines im Regime der BO erlassenen Bebauungsplanes oder eines vereinfachten Bebauungsplanes i.S. des § 120 Abs. 1 BO vorliegt. Es steht fest und wird auch von der Beschwerdeführerin nicht angezweifelt, daß bezüglich ihres Grundstückes am 23. Februar 1984 Bebauungsvorschriften vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde erlassen worden sind, welche einer baubehördlichen Bewilligung der hier zu beurteilenden baulichen Maßnahmen im Sinne des § 113 Abs. 2 Z. 3 lit. a BO entgegenstehen. Diese Bebauungsvorschriften sind ein Bebauungsplan im Sinne der §§ 3 ff BO. Für die Anwendung der Übergangsbestimmungen des § 120 BO bleibt sohin im vorliegenden Fall kein Raum. Die Beschwerdeführerin zieht in ihren Beschwerdeausführungen nicht in Zweifel, daß die vom Abbruch betroffenen Gebäude (-teile) den hier anzuwendenden Bebauungsvorschriften widersprechen. Aus den von der mitbeteiligten Gemeinde vorgelegten Beweismitteln ergibt sich, daß keine Bedenken gegen die ordnungsgemäße Erlassung des anzuwendenden Bebauungsplanes bestehen. Die gegenteiligen Behauptungen der Beschwerdeführerin sind nicht stichhältig begründet.

Warum die Bebauungsvorschriften dem Gleichheitsgebot widersprechen sollen, ist für den Verwaltungsgerichtshof aufgrund der diesbezüglich vorliegenden Urkunden nicht erkennbar.

Insgesamt erweist sich somit die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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