VwGH 97/04/0231

VwGH97/04/023110.2.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 24. September 1997, Zl. IIa-50.010/1-97, betreffend Zurücklegung einer Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
VwRallg;
AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 14.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 24. September 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Februar 1997 auf Aufhebung der Streichung seiner Gewerbeberechtigung für den Einzelhandel mit Gemischtwaren in H Nr. 6 gemäß § 86 GewO 1994 als unzulässig zurückgewiesen. Dazu führte der Landeshauptmann aus, der Beschwerdeführer sei auf Grund des Gewerbescheines der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 5. April 1971 Inhaber einer Berechtigung für das Gewerbe "Einzelhandel mit Gemischtwaren" am Standort in H Nr. 6 gewesen. Weiters sei auf diesem Gewerbeschein vermerkt gewesen, daß die Anmeldung einer weiteren Betriebsstätte für den Einzelhandel mit Gemischtwaren im Standort S Nr. 65 von der Bezirkshauptmannschaft Landeck mit Wirkung vom 15. Oktober 1976 zur Kenntnis genommen worden sei. Seitens der zuletzt genannten Behörde sei am 24. Mai 1989 die Änderung der Hausnummer der weiteren Betriebsstätte von S Nr. 65 auf S Nr. 470 zur Kenntnis genommen worden. Am 29. Juni 1992 habe der Beschwerdeführer an die Bezirkshauptmannschaft Imst folgendes Schreiben übermittelt:

"Betrifft: Löschung Gewerbeberechtigung H

Sehr geehrte Herren,

Mit September 1991 habe ich den Lebensmittelbetrieb in H Nr. 6 geschlossen. Somit betreibe ich nur noch das Lebensmittelgeschäft mit dem Standort in S Nr. 470. Ich ersuche daher die betreffenden Gewerbeberechtigungen zu löschen und zwar,

  1. 1. Einzelhandel mit Gemischtwaren (Gewerbeschein der Bezirkshauptmannschaft Imst
  2. 2. Einzelhandel mit pyrotechnischen Artikeln der Klasse II (Filialverständigung der Bezirkshauptmannschaft Imst).

Für Ihre Bemühungen danke ich ..."

Mit Stellenverständigung der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 14. Juli 1992 sei eine Löschung der Gewerbeberechtigung "Einzelhandel mit Gemischtwaren" im Standort in H Nr. 6 erfolgt. Auf Grund dieser Löschung sei seitens der Bezirkshauptmannschaft Landeck mit Stellenverständigung vom 22. Juli 1992 eine Löschung der weiteren Betriebsstätte in S Nr. 470 erfolgt. Mit Schreiben vom 11. Februar 1997 habe der Beschwerdeführer beantragt, die Streichung der Gewerberechtigung "Einzelhandel mit Gemischtwaren" im Standort S Nr. 470 aufzuheben und den diesbezüglichen behördlichen Akt zu korrigeren. Bei der Zurücklegung der Gewerbeberechtigung handle es sich gemäß § 86 Abs. 1 GewO 1994 um eine einseitige Rechtshandlung des Gewerbeinhabers. Sie sei keine privatgeschäftliche Verfügung, sondern ein nach dem öffentlichen Recht abzugebender empfangsbedürftiger Willensakt. Die Rechtswirkung der Zurücklegung einer Gewerbeberechtigung sei an die Erstattung einer Anzeige im Sinne des § 86 Abs. 1 GewO 1994 gebunden. Bei Zurücklegungen von Gewerbeberechtigungen im Sinne des § 86 GewO 1994 könne nur auf den erklärten Willen der Parteien Bedacht genommen werden. Im vorliegenden Fall habe der Beschwerdeführer ausdrücklich die Gewerbeberechtigung des Gewerbescheines der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 5. April 1971 zurückgelegt und dieser Behörde auch den Gewerbeschein vorgelegt. Auf der Rückseite dieses Gewerbescheines sei auch die erweiterte Betriebsstätte in S Nr. 470 vermerkt. Aus gewerberechtlicher Sicht teile eine weitere Betriebsstätte immer das Schicksal des Stammbetriebes und gehe diese bei Zurücklegung der Gewerbeberechtigung des Stammbetriebes ex lege unter. Eine eigene Zurücklegung von weiteren Betriebsstätten müsse nicht erfolgen. Der Hinweis im Schreiben des Beschwerdeführers vom 29. Juni 1992 auf den weiteren Betrieb des Lebensmittelgeschäftes in S Nr. 470 könne auf Grund der Eindeutigkeit der nachfolgenden Zurücklegung des Gewerbescheines nicht dahingehend ausgelegt werden, daß die Zurücklegung nur unter der Bedingung erfolge, daß die weitere Betriebsstätte weitergeführt werden könne. Dies komme in dieser Form im gegenständlichen Schreiben nicht zum Ausdruck. Dadurch, daß die Gewerbebehörde an den Wortlaut der Zurücklegungserklärung gebunden sei, stehe ihr eine Auslegung des Parteiwillens nicht zu. Der Wortlaut der gegenständlichen Zurücklegungserklärung lasse eine Umdeutung in eine Standortverlegung nicht zu. Eine etwaige Auslegung der Erklärung des Beschwerdeführers dahin, daß die Zurücklegung unter der Bedingung erklärt worden sei, daß die weitere Betriebsstätte in S Nr. 470 fortbetrieben werden könne, wäre unzulässig. Vom Gesetz her sei nur eine sogenannte Suspensivbedingung zulässig. An eine Zurücklegungserklärung geknüpfte Bedingungen könnten somit nur die Wirksamkeit der Zurücklegung bis zum Eintritt der Bedingung hinausschieben. Die Bedingung, daß eine Stammgewerbeberechtigung unter der Bedingung zurückgelegt werde, daß eine weitere Betriebsstätte aufrecht bleibe, wäre nach dem Zweck des § 86 GewO 1994 unzulässig und könne daher keine Rechtswirkungen entfalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Unterbleiben der Feststellung der in Rede stehenden Gewerbeberechtigung als erloschen verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes weist er zunächst darauf hin, daß er im Schreiben vom 29. Juni 1992 einen Antrag gestellt habe, zwei Gewerbeberechtigungen zu löschen. Eine definitive Zurücklegungsanzeige im Sinne des Gesetzes sei nicht vorgelegen. Nach der Gewerbeordnung bedürfe die Zurücklegung eines Gewerbes aber keines Antrages, sondern nur einer ausdrücklichen, auf Löschung gerichteten Anzeige. Eine solche Erklärung oder Anzeige sei dem Schreiben jedoch keinesfalls zu unterstellen. Dies deshalb, da der Beschwerdeführer bereits im ersten Absatz klar und deutlich zum Ausdruck gebracht habe, daß er den Betrieb in H Nr. 6 geschlossen habe und nur noch das Lebensmittelgeschäft in S Nr. 470 betreibe. Bei richtiger Wertung und Auslegung sei damit offen ausgedrückt worden, daß der Beschwerdeführer nur mehr einen Betrieb führe und führen wolle, nämlich den Betrieb in S Nr. 470. Unter Berücksichtigung des vor der Einreichung des Antrages zwischen dem Beschwerdeführer und dem Gewerbereferenten geführten Telefonates, in welchem die Absicht des Beschwerdeführers offengelegt worden sei, hätte daher der Antrag des Beschwerdeführers nur einer einzigen Auslegung unterworfen werden dürfen, nämlich dahin, daß er eine tatsächliche Verlegung aller Agenden von H Nr. 6 nach S Nr. 470 bereits durchgeführt habe und dies gewerberechtlich abgedeckt wissen wolle. Es hätte daher die Behörde den Antrag des Beschwerdeführers als solchen auf Verlegung des Stammbetriebes nach S Nr. 470 werten müssen. Der Gewerbereferent der Bezirkshauptmannschaft Imst habe selbst in einem Verfahren vor dem UVS Tirol zugegeben, daß "ein Mißverständnis durchaus im Bereich des Möglichen" liege und daß die Passage des ersten Absatzes im fraglichen Schreiben mit dem Zweck des Schreibens nicht im Einklang stehe. Die Rechtsansicht, eine Behörde müsse einen in sich widersprüchlichen Text zum Nachteil der Rechte des Antragstellers auslegen, sei unrichtig und geradezu erschreckend. Dies sei weder lebensnah noch bürgerfreundlich. Dem AVG sei eine derartige Auslegungsart fremd. § 37 AVG verpflichte die Behörde, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Die Behörde sei auch an den Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit zu erinnern. Dies bedeute, daß die Behörde nicht an das tatsächliche Parteienvorbringen gebunden sei, sondern die Verpflichtung habe, von sich aus den wahren Sachverhalt durch die Aufnahme der nötigen Beweise festzustellen. Gegen beides habe die belangte Behörde verstoßen. Rechtliches Interesse des Beschwerdeführers sei keineswegs die Schließung seines Betriebes in S Nr. 470 gewesen, sondern vielmehr die Erreichung der gewerbeberechtlichen Bewilligung zur Führung dieses Betriebes. Dies habe die Erstbehörde gewußt. Zumindest hätte sie dies wissen müssen, da es nur eine einzige vernünftige Auslegung des in Rede stehenden Schreibens gebe. Im Fall von Zweifeln hätte die Erstbehörde den Antragsteller, also den Beschwerdeführer, befragen müssen, was denn mit dem fraglichen Schreiben bezweckt werde. Die Löschung eines Gewerberechtes habe nach Ansicht des Beschwerdeführers den Charakter eines Bescheides. Die Behörde nehme mit dieser Löschung einen Akt der Rechtsgestaltung vor. Wenn diese Maßnahme der Behörde den Betroffenen nicht zur Kenntnis gebracht werde und ihm auch kein Rechtsschutz eingeräumt werde, eine für ihn nachteilige Handlung einer Behörde zu bekämpfen, liege darin ein grundsätzlicher Verstoß gegen grundlegende Rechte des Staatsbürgers. Nach Ansicht des Beschwerdeführers seien Eingaben von Personen einem Verbesserungsverfahren zugänglich, wenn sich bei Durchführung der Prüfung eines Antrages seitens der Behörde Zweifel ergeben müßten. Ein solcher Fall liege hier vor.

Gemäß § 348 Abs. 4 GewO 1994 hat die Behörde von Amts wegen oder auf Antrag einer Person, die ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat, mit Bescheid festzustellen, ob eine Gewerbeberechtigung aufrecht ist und verneinendenfalls, in welchem Zeitpunkt sie geendet hat.

Die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Aufhebung der Streichung der in Rede stehenden Gewerbeberechtigung erfolgte durch den angefochtenen Bescheid nach der diesem beigegebenen Begründung, weil die belangte Behörde den Standpunkt vertrat, diese Gewerbeberechtigung habe durch Zurücklegung geendet. Dem angefochtenen Bescheid kommt damit der normative Gehalt einer nach § 348 Abs. 4 GewO 1994 erfolgten Feststellung der Endigung dieser Gewerbeberechtigung zu.

Gemäß § 85 Z. 7 GewO 1994 endigt die Gewerbeberechtigung (unter anderem) mit ihrer Zurücklegung. Gemäß § 86 Abs. 1 leg. cit. wird die Zurücklegung einer Gewerbeberechtigung mit dem Tage wirksam, an dem die Anzeige über die Zurücklegung bei der Behörde einlangt, sofern nicht der Gewerbeinhaber die Zurücklegung für einen späteren Tag anzeigt oder an den Eintritt einer Bedingung bindet.

Die Zurücklegung einer Gewerbeberechtigung bedarf eines entsprechend erklärten Willensaktes des Gewerbeinhabers gegenüber der Behörde. Es ist daher, wie auch die belangte Behörde zutreffend erkannte, zunächst zu prüfen, ob dem Schreiben vom 29. Juni 1992 eine derartige Willenserklärung des Beschwerdeführers mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist bei der Beurteilung von Parteienanbringen grundsätzlich der Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1994, Zl. 90/10/0064). Dabei sind Parteienerklärungen im Zweifel so auszulegen, daß die sie abgebende Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 92/07/0070), und es ist der Behörde nicht gestattet, einem unklaren Antrag von vornherein einen für den Antragsteller ungünstigen Inhalt zu unterstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, Zl. 89/12/0146). In einem solchen Fall hat die Behörde vielmehr von Amts wegen den wahren Willen der Partei und damit den Gegenstand des Anbringens von Amts wegen zu ermitteln und klarzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 1994, Zl. 90/10/0046).

Im vorliegenden Fall ist, wie auch die belangte Behörde einräumt, das Schreiben des Beschwerdeführers vom 29. Juni 1992 insofern in sich widersprüchlich, als er darin einerseits ausdrücklich klarstellt, weiterhin das Lebensmittelgeschäft mit dem Standort in S Nr. 470 weiter betreiben zu wollen und andererseits ebenso ausdrücklich die Löschung der auch diesem Gewerbebetrieb zugrunde liegenden Gewerbeberechtigung beantragt. In einem solchen Fall ist es verfehlt, nicht auf den Gesamtinhalt des Anbringens, sondern, wie es im angefochtenen Bescheid geschieht, allein auf den darin enthaltenen formulierten Antrag zu achten. Ausgehend von der oben dargestellten Rechtslage wäre es vielmehr Sache der belangten Behörde gewesen, im Hinblick auf die Widersprüchlichkeit des Vorbringens im Antrag durch entsprechende Befragung des Beschwerdeführers das von ihm mit dem fraglichen Schreiben tatsächlich Beabsichtigte zu erforschen und die so ermittelte, mit dem fraglichen Schreiben verfolgte Absicht des Beschwerdeführers dem weiteren nach § 348 Abs. 4 GewO 1994 zu führenden Verfahren zugrunde zu legen.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage eine derartige Klarstellung des Inhaltes des Schreibens des Beschwerdeführers vom 29. Juni 1992 unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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