VwGH 97/04/0216

VwGH97/04/021614.4.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des Landeshauptmannes von Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 10. September 1997, Zl. UVS-04/G/21/00499/96, betreffend Übertretung der GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: LV in W, vertreten durch Dr. W und Dr. A, Rechtsanwälte in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2;
GewO 1973 §77 Abs1;
GewO 1994 §367 Z25;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §77 Abs1;
VStG §1 Abs1;
VStG §44a Z2;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2;
GewO 1973 §77 Abs1;
GewO 1994 §367 Z25;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §77 Abs1;
VStG §1 Abs1;
VStG §44a Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 10. September 1997 wurde der Berufung der mitbeteiligten Partei gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk, vom 26. Juni 1996, betreffend Übertretung der GewO 1994, Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, mit dem genannten Straferkenntnis sei die mitbeteiligte Partei schuldig erkannt worden, sie habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Aktiengesellschaft zu verantworten, dass am 17. April 1996 in einer näher beschriebenen Betriebsanlage die Auflage Nr. 52 des Bescheides vom 21. November 1995, wonach u.a. der Kondensator im Hof so zu errichten und zu betreiben sei, dass der Schalldruckpegel in 1 m Entfernung nachweislich maximal 30 dB(A) betrage, nicht eingehalten worden sei, weil bei Inbetriebnahme der Kühlanlage der Störgeräuschpegel in 1 m Entfernung vor den im Hof situierten Kondensatoren 53 dB(A) und bei Betrieb der vier Kondensatoren inklusive des in der Anlage aufgestellten Kompressors 57 dB(A) betragen habe. Die Auflage Nr. 52 des Bescheides vom 21. November 1995 habe folgenden Wortlaut:

"Der Kondensator im Hof ist zu errichten und zu betreiben, dass der Schalldruckpegel in 1 m Entfernung nachweislich maximal 30 dB(A) beträgt. Dies ist, falls erforderlich, durch schalldämmende Maßnahmen (z.B. Einhausung, Schalldämpfer) sicherzustellen. Diesbezüglich ist ein Nachweis entweder rechnerisch oder durch Messung zu erbringen und in der Betriebsanlage zur Einsicht durch Organe der Behörde bereitzuhalten."

Diese Auflage sei nach Auffassung der Berufungsbehörde keineswegs so klar gefasst, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflage zweifelsfrei erkennen lasse; sie entspreche somit nicht dem Konkretisierungsgebot. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgeführt habe, werde der Konkretisierungspflicht nämlich durch die bloße Bestimmung eines Immissionsgrenzwertes in einer Auflage, ohne dass im Einzelnen bestimmte Maßnahmen festgelegt würden, bei deren Einhaltung die Wahrung dieses Grenzwertes zu erwarten sei, nicht entsprochen. Mit der genannten Auflage werde lediglich vorgeschrieben, dass der Kondensator im Hof zu errichten und zu betreiben sei und der Schalldruckpegel in 1 m Entfernung nachweislich 30 dB(A) zu betragen habe, ohne dass jedoch bestimmte Maßnahmen vorgeschrieben würden. Im zweiten Satz der Auflage würden zwar die schalldämmenden Maßnahmen, die erforderlichenfalls zu ergreifen seien, näher definiert, nämlich "z.B. Einhausung, Schalldämpfer", durch die demonstrative Aufzählung zeige sich aber, dass es sich hier um keine echte alternative Auflage handle, was wiederum der Konkretisierungspflicht widerspreche. Schon aus diesen Gründen sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen, ohne näher darauf einzugehen, ob es technisch tatsächlich möglich sei, bei Betrieb des Kondensators im Hof einen Schalldruckpegel zu erzielen, der geringer als der Grundgeräuschpegel (der in 1 m Entfernung von der Kondensatoranlage tagsüber mit 43 dB(A), um 22.00 Uhr mit 35 dB(A) gemessen worden sei) wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG i.V.m. § 371a GewO 1994 erhobene Beschwerde des Landeshauptmannes von Wien.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid als rechtswidrig aufzuheben. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, die belangte Behörde gebe in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwar die hg. Judikatur betreffend die Vorschreibung von Immissionsgrenzwerten wieder, übersehe jedoch, dass die in Rede stehende Auflage die Vorschreibung eines Emissionsgrenzwertes enthalte, wobei im zweiten Satz demonstrativ unterstützende Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles aufgezählt und im dritten Satz die Einhaltung des Emissionsgrenzwertes im Wege einer rechnerischen Darstellung oder einer Kontrollmessung gefordert würden. Der Beschwerdeführer vertrete die Auffassung, dass die Auflage dem Konkretisierungsgebot entspreche, zumal für den Adressaten der Auflage leicht zu erkennen sei, wozu ihn die Vorschreibung verpflichte und unschwer zu überprüfen sei, ob er diese Verpflichtung erfüllt habe. Die demonstrative Aufzählung von schalldämmenden Maßnahmen diene der Hilfestellung für den Verpflichteten. Die bescheidmäßige Vorschreibung eines Emissionsgrenzwertes wäre aber auch ohne diese Aufzählung ausreichend konkret.

Gemäß § 367 Z. 25 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

Dadurch, dass § 367 Z. 25 leg. cit. auf die in Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden vorgeschriebenen Auflagen und Aufträge verweist, wird das jeweilige, in einem solchen Bescheid enthaltene Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestandes, was voraussetzt, dass derartige Auflagen so klar gefasst sein müssen, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1997, Zl. 96/04/0127, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Nun trifft es zu, dass einer Auflage die erforderliche Bestimmtheit mangelt, wenn lediglich ein Immissionsgrenzwert vorgesehen, nicht aber auch im Einzelnen jene Maßnahmen bezeichnet werden, bei deren Einhaltung die Wahrung des zulässigen Immissionsmaßes zu erwarten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1992, Zl. 92/04/0121, und die hier zitierte Vorjudikatur). Eine Auflage, deren Bedeutung sich daher in einem Hinweis auf das - nach den Umständen des Einzelfalles zu ermittelnde - zulässige Immissionsmaß erschöpft, entbehrt daher der erforderlichen "klaren Fassung".

Wird hingegen in einer Auflage eine schalldämmende Maßnahme mit einem bestimmten Schalldämmmaß vorgeschrieben, so ist es Aufgabe des diese Maßnahme durchführenden Unternehmens, eine solche Ausführung zu wählen, dass das vorgeschriebene Schalldämmmaß jedenfalls erreicht wird (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1992 und die hier zitierte Vorjudikatur).

In der in Rede stehenden Auflage Nr. 52 des Bescheides vom 21. November 1995 geht es - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auch einräumt - nicht um die Vorschreibung eines Grenzwertes für Immissionen, sondern um die Verpflichtung, eine Konstruktion des Kondensators herbeizuführen, derzufolge - unabhängig vom Grundgeräuschpegel und sonstigen Störgeräuschpegeln - in 1 m Entfernung ein Schalldruckpegel von 30 dB(A) nicht überschritten wird, wofür erforderlichenfalls auch schalldämpfende Maßnahmen wie Einhausung, Schalldämpfer etc. zu installieren wären. Eine solche Auflage entbehrt nicht der ausreichenden Bestimmtheit (vgl. nochmals das zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1992 und die hier zitierte Vorjudikatur). Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - vom Vorliegen eines nur unzureichend bestimmten Straftatbestandes ausging.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt aber auch die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vorgebrachte Auffassung nicht, der angefochtene Bescheid sei spruchgemäß im Ergebnis zu Recht ergangen, weil im Spruch des Straferkenntnisses nicht die gesamte Auflage Nr. 52 wörtlich wiedergegeben worden sei, sondern nur deren erster Satz, sodass die Zuordnung des Tatverhaltens zu der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden sei, nicht hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht werde. Denn es ergibt sich - wie dargelegt - bereits aus dem ersten Satz dieser Auflage jene Verpflichtung, deren Nichteinhaltung der mitbeteiligten Partei spruchgemäß zur Last gelegt wurde, während der zweite Satz lediglich Möglichkeiten aufzeigt, mit deren Hilfe diese Verpflichtung entsprochen werden könnte. Der dritte Satz schließlich betrifft eine weitere, im vorliegenden Verfahren aber nicht relevierte Verpflichtung der Konsensinhaberin. Es ist daher die Aufnahme nur des ersten Satzes der in Rede stehenden Auflage in den Spruch des Straferkenntnisses unter dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten Gesichtspunkt nicht zu beanstanden.

Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift aber bezweifelt, dass aus dem Umstand, wonach "bei Inbetriebnahme der Kühlanlage der Störgeräuschpegel in 1 m Entfernung vor den im Hof situierten Kondensatoren 53 dB(A) und bei Betrieb der vier Kondensatoren inklusive des in der Anlage aufgestellten Kompressors 57 dB(A)" betragen habe, eine Nichteinhaltung der in Rede stehenden Auflage folge, ist ihr zu entgegnen, dass diese Frage im Ermittlungsverfahren unter Beiziehung von Sachverständigen noch zu klären wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. April 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte