VwGH 97/04/0212

VwGH97/04/021210.2.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des F in L, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 5. September 1997, Zl. IIa-60.007/10-97, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: B Genossenschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
VwRallg;
AVG §52;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Spruchpunkte I., IV. und V. des erstbehördlichen Bescheides in der Fassung des angefochtenen Bescheides sowie in den Punkten I. und II. des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 5. September 1997 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 in Verbindung mit § 93 Abs. 2 ASchG die betriebsanlagenrechtliche Genehmigung einer Lagerhalle für Obst und Gemüse an einem näher bezeichneten Standort durch Umbau der seinerzeit zur Ausübung eines Eisenwarengroßhandels in Verwendung gestandenen Halle im Sinne der dem Bescheid angeschlossenen Befundbeschreibung und nach Maßgabe der vorgelegten und vidierten Projektsunterlagen unter Vorschreibung von Auflagen erteilt und diverse Nachbarvorbringen teils zurück- und teils abgewiesen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges aus, die durchgeführten Lärmmessungen hätten ergeben, daß insbesondere ab 6.30 Uhr das verstärkte Verkehrsaufkommen auf der Bundesstraße B 100 eine solche Anhebung des Umgebungslärms bewirke, daß der Betriebslärm von diesem überdeckt werde. Das Verbot der Vornahme von Manipulationsarbeiten sowie Ladetätigkeiten an Sonn- und Feiertagen sei im Interesse eines hinreichenden Anrainerschutzes zu verfügen gewesen. Im übrigen würde den Forderungen zur Gewährleistung des erforderlichen Anrainerschutzes durch die im Befund beschriebene Betriebsführung Rechnung getragen. Darin werde festgehalten, daß mit dem Betrieb in der Halle bei geschlossenen Sektionaltoren ab 6.00 Uhr und mit Ladetätigkeiten bei gleichzeitigem Öffnen der Sektionaltore und Verbringen der Ware in die Lkw ab 6.30 Uhr begonnen werde. Weiters ergebe sich aus der Befundbeschreibung, daß der Bereich an der Westseite des Betriebsgebäudes als Abstellplatz für Kundenfahrzeuge Verwendung finde und sohin nicht Lager- und Arbeitszwecken diene. Die vom Amtsarzt in seinem Gutachten vom 14. Februar 1996 angeführten Auflagen seien in die Entscheidung nicht mehr einzubeziehen gewesen, weil zwischenzeitlich ein neues, auf dem Ergebnis der am 24. September 1996 vorgenommenen Lärmmessungen sowie dem lärmtechnischen Gutachten vom 8. Oktober 1996 basierendes Gutachten erstellt worden sei, welches der nunmehrigen Entscheidung zugrunde zu legen sei. Auch dem Verlangen der mitbeteiligten Partei, mit den Ladetätigkeiten bereits um 6.00 Uhr zu beginnen, habe man auf Grund der lärmtechnischen und medizinischen Begutachtung nicht nähertreten können. Das Betriebsgrundstück und die Grundstücke sowie Wohnhäuser der Umgebung lägen im Mischgebiet, weshalb bei der Beurteilung der Lärmbeeinträchtigung nicht der Maßstab für ein reines Wohngebiet herangezogen werden könne. Die mitbeteiligte Partei habe mit Schriftsatz vom 29. September 1995 mitgeteilt, daß sie als Schallschutzmaßnahmen die klappbaren Teile der Scherenhubtische an der Unterseite mit weichen Gummistreifen ausstatte und die Decke (ca. 60 m2) des Ladebereiches mit Schallschluckplatten verkleiden werde. Laut unangemeldeter Überprüfung durch den gewerbetechnischen Amtssachverständigen im Juni 1997 seien diese Maßnahmen getroffen worden. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 6. März 1996 sei die Beschreibung der Anlage dahin ergänzt worden, daß an der Westseite des Betriebsgebäudes keine betriebseigenen Fahrzeuge und keine Fahrzeuge der Arbeitnehmer abgestellt werden, sondern dieser Bereich als Abstellplatz für Kundenfahrzeuge diene. Die Westseite sei demzufolge nicht als Lagerplatz vorgesehen. Mit Schriftsatz vom 22. Juli 1997 habe der medizinische Amtssachverständige sein Gutachten dahin präzisiert, daß Geruchs- und Rauchbelästigungen durch startende und wegfahrende beladene Betriebs-Lkw zu erwarten seien. Da der genannte Betrieb sowie auch das Haus des Beschwerdeführers im Mischgebiet liege und von regem Individualverkehr sowohl durch die Bundesstraße als auch durch Gemeindestraßen nördlich, östlich und südlich umgrenzt werde, sei an sich bereits eine bemerkbare Schadstoffbelastung durch Auspuffgase zu erwarten, die außerhalb des Einflusses der Lagerhalle für Obst und Gemüse der mitbeteiligten Partei liege. Auch der rege Verschubverkehr der ÖBB mittels dieselbetriebenen Lokomotiven müsse erwähnt werden. Diese zahllosen nicht betriebsbedingten und nicht beeinflußbaren Verkehrsbewegungen auf den Bundes- und Gemeindestraßen und der ÖBB relativierten natürlich die wenigen Lkw-Starts und Abfahrten aus dem genannten Objekt. Nach hygienischer Ansicht könne daher der betriebsangehörige Lkw-Verkehr beim Starten und Wegfahren aus der Lagerhalle keine meßbare Verschlechterung der gegebenen Situation mit sich bringen, da der Lkw-Verkehr, der die Lagerhalle verlasse, durch wenige Lkw begrenzt sei. Projektsgegenstand sei die Auslieferung mittels drei betriebseigenen Lkw mit einem jeweiligen Gesamtgewicht von maximal 7,5 t. Weiters stünden zwei Kastenwagen zur Verfügung. Die weiteren Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen in seiner ergänzenden Stellungnahme, daß im Bedarfsfalle durch einen gewerbetechnischen Sachverständigen zu beurteilen sei, inwieweit der betriebseigene Lkw-Verkehr beim Verlassen der Lagerhalle die Gesamtsituation und Belastung durch Auspuffschadstoffe meßbar erhöhe, beziehe sich auf den Fall einer Änderung der derzeit projektsgegenständlichen Anzahl der Transportfahrzeuge. Zu den vom Beschwerdeführer eingewendeten Erschütterungen beinhalteten die erstinstanzlichen Gutachten des gewerbetechnischen und des medizinischen Amtssachverständigen keine weiteren Hinweise, daß es solche gebe, die unzumutbar belästigend oder gar gesundheitsgefährdend wirkten. In der ergänzenden Stellungnahme des medizinischen Amtssachverständigen vom 22. Juli 1997 habe dieser ausgeführt, im Rahmen der Lokalaugenscheine während der Lärmmessungen hätten im Haus des Beschwerdeführers keine Erschütterungen festgestellt werden können. Auch von den anderen Teilnehmern der Lokalaugenscheine seien ihm gegenüber keine Äußerungen über verspürte Erschütterungen gemacht worden. Dieser Stellungnahme sei eine Aufforderung an den Beschwerdeführer vorangegangen, sein Vorbringen hinsichtlich der Erschütterungen insofern zu konkretisieren, als anzugeben sei, in welchen Zeiträumen Erschütterungen spürbar seien, auf welche Art und Weise sich diese Erschütterungen bemerkbar machten und wie lange sie andauerten. Daraufhin habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, Erschütterungen würden oft bereits um 5.45 Uhr, meist aber ab 6.00 Uhr wahrgenommen und endeten etwa um 19.00 Uhr, an Samstagen um 14.00 Uhr. Ab 7.30 Uhr seien sie aber wegen des Verlassens des Hauses zur Arbeitsstätte kein Problem. Nach seinen Angaben machten sich die Erschütterungen als deutliche Vibrationen, teilweise zusammen mit Lärmentwicklungen bemerkbar und entstünden nach den Beobachtungen des Beschwerdeführers durch geräuschvolles und unsachgemäßes Öffnen und Schließen der Kühlraum- und Sektionaltore (Knalleffekt), Fahren mit sogenannten "Ameisen" auf einem unebenen und nicht sachgemäß isolierten gerippten Metall- und/oder Betonboden, Hoch- und Niederfahren an der Beladerampe, Abstellen der Paletten vor den Sektionaltoren, Laufenlassen von Motoren schwerer Kraftfahrzeuge während der Be- und Entladung, Abstellen firmeneigener Lastkraftfahrzeuge auf der Ostseite des Grundstückes der Lagerhalle. Weiters habe der Beschwerdeführer ausgeführt, die Erschütterungen während der Schlafenszeit seien bis etwa 7.00 Uhr als Weckreiz und als Zittern des Fußbodens im eigenen Haus verspürt worden. Dazu sei auszuführen, daß sämtliche dieser Vorbringen eher als Vorbringen hinsichtlich der unzumutbaren Belästigung durch Lärm zu qualifizieren seien. Nach Darstellung des Inhaltes der Bestimmungen des § 81 Abs. 1, § 74 Abs. 2 und des § 77 GewO 1994 führte der Landeshauptmann weiter aus, das gewerbetechnische und auch das darauf aufbauende medizinische Gutachten seien schlüssige und nachvollziehbare Gutachten, denen der Beschwerdeführer im Rahmen des gesamten Verfahrens keine gutachterlichen Äußerungen auf der gleichen fachlichen Ebene entgegengesetzt habe. Die Gutachten stünden nach Ansicht der belangten Behörde mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen keinesfalls in Widerspruch. Da die Sachverständigen zu dem Ergebnis gekommen seien, daß durch die geplanten Änderungen die Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 ausreichend gewahrt seien, sei spruchgemäß zu erkennen gewesen. Das im erstinstanzlichen Bescheid festgelegte Verbot, an Sonn- und Feiertagen Manipulationsarbeiten und Lagertätigkeiten durchzuführen, sei nicht bekämpft worden. Es sei aber der Umkehrschluß nicht zulässig, daß die Behörde durch die Festlegung dieses Verbotes von einer unzumutbaren Lärmbeeinträchtigung bzw. Belästigung ausgehe, die ebenso für die Werktage zu gelten habe. Selbstverständlich sei gerade an Sonn- und Feiertagen auch für Anrainer und Nachbarn ein besonderes Ruhebedürfnis gegeben, welches sich von dem an Werktagen unterscheide.

Gegen diesen Bescheid, ausdrücklich mit Ausnahme der im Punkt III. erfolgten Zurückweisung des in der Berufung gestellten Eventualantrages, inhaltlich jedoch auch nicht gegen die unter Punkt 2. II. und III. des Spruches des angefochtenen Bescheides angeführten Aussprüche des erstbehördlichen Bescheides, richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in den aus der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht er unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen geltend, im Verfahren wäre im Hinblick auf das Laufenlassen von Motoren und die dadurch entstehenden Lärm- und Geruchsbelästigungen eine Beweisaufnahme notwendig geworden, um zu klären, ob ein solches Laufenlassen des Motors aus technischen Gründen, etwa zum Betrieb hydraulischer Vorrichtungen, notwendig sei und inwieweit es beschränkt werden könne. Dasselbe gelte für die Sachverhaltsermittlungen hinsichtlich der geltend gemachten Erschütterungen. Dazu hätte es der Beiziehung eines mit besonderer Sachkenntnis und besonderen Meßgeräten ausgestatteten Sachverständigen bedurft. Die vagen Feststellungen des ärztlichen Sachverständigen seien in diesem Zusammenhang nicht ausreichend. Zu Unrecht habe die belangte Behörde ihre Feststellungen allein auf die Ergebnisse eines Lokalaugenscheines am 24. September 1996 gestützt, hingegen die bei früheren Lokalaugenscheinen gewonnenen Erkenntnisse unbeachtet gelassen. Zu Unrecht habe die belangte Behörde, ohne über die geltend gemachten Beeinträchtigungen durch Erschütterung einen Beweis abzuführen, das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers "eher als Vorbringen hinsichtlich der unzumutbaren Belästigung durch Lärm" qualifiziert. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird vorgebracht, es fehle in der rechtlichen Begründung des Bescheides ein objektiver Anhaltspunkt für die Prüfung der Frage, wie sich welche Immissionen auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirkten. Bei dieser Beurteilung komme es auf die Flächenwidmung nicht an, weil die Gewerbeordnung gegenüber dem Tiroler Raumordnungsgesetz eine lex specialis darstelle. Die belangte Behörde hätte daher in ihrem Bescheid der Rechtsansicht der Erstbehörde, im Mischgebiet seien andere Maßstäbe anzulegen als im Wohngebiet, in der rechtlichen Begründung widersprechen müssen. Unhaltbar sei auch die Ansicht der belangten Behörde, daß sich das Ruhebedürfnis der Anrainer und Nachbarn an Sonn- und Feiertagen von jenem an Wochentagen unterscheide, weshalb die Behörde erster Instanz zu Recht ein weder von der mitbeteiligten Partei noch vom Beschwerdeführer bekämpftes Verbot der Manipulationsarbeiten und Ladetätigkeiten für diese genannten Tage ausgesprochen habe. Da ein solches Verbot nur zulässig sei, wenn es zur Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung oder unzumutbarer Belästigungen der Nachbarn notwendig sei, müsse davon ausgegangen werden, daß die belangte Behörde solche Gefährdungen und Belästigungen für gegeben erachte. Wenn dies für das Wochenende gelte, so müsse das auch für den übrigen Teil der Woche gelten. Schließlich hätte die belangte Behörde zwar den erstbehördlichen Bescheid in jede Richtung abändern, nicht aber korrigieren dürfen, weil Korrigieren etwas anderes sei als das Setzen der Anschauung der Oberbehörde an die Stelle jener der Unterbehörde.

Dem zuletzt genannten Argument vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen, weil eine Überschreitung der der Berufungsbehörde im § 66 Abs. 4 AVG eingeräumten Ermächtigung nicht vorliegt. Die Beschwerde erweist sich aber auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt:

Die belangte Behörde kommt in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu dem Ergebnis, daß auf Grund der von der mitbeteiligten Partei erklärten Abänderung des Projektes, die auch in die im erstbehördlichen Bescheid unter der Bezeichnung "Befund" aufgenommene Betriebsbeschreibung Eingang gefunden habe, daß nämlich an der Westseite des Betriebsgebäudes keine betriebseigenen Fahrzeuge und keine Fahrzeuge der Arbeitnehmer abgestellt würden, sondern dieser Bereich als Abstellplatz für Kundenfahrzeuge diene, diese Westseite nicht als Lagerplatz vorgesehen sei. Dieser Ansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof deshalb nicht anzuschließen, weil in der mit dem dem gegenständlichen Verwaltungsverfahren zugrunde liegenden Antrag vorgelegten Betriebsbeschreibung ausdrücklich vorgesehen ist, daß "die Leergebinde (Paletten, Kisten) an der Westseite entlang der Außenwand des Gebäudes gestapelt" werden. Daß in diesem Bereich keine betriebseigenen Fahrzeuge und keine Fahrzeuge der Arbeitnehmer, sondern nur Kundenfahrzeuge abgestellt würden, schließt eine derartige parallele Nutzung dieses Bereiches nicht von vornherein aus. Es war daher verfehlt, wenn die belangte Behörde in ihre Beurteilung nicht auch jene auf die Liegenschaft des Beschwerdeführers einwirkenden Immissionen einbezog, die allenfalls von diesen Lagerungen und den damit verbundenen Manipulationen ausgehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist die Feststellung, ob die (sachverhaltsbezogenen) Voraussetzungen für die Genehmigung einer Betriebsanlage unter Vorschreibung allfälliger Auflagen vorliegen, Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Während sich der technische Sachverständige über die Art und das Ausmaß der zu erwartenden Emissionen zu äußern hat, ist es Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen, die Auswirkungen der Emissionen auf die Nachbarschaft zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 90/04/0149). Das Gutachten eines Sachverständigen hat aus einem Befund und dem Urteil, dem Gutachten im engeren Sinn, zu bestehen. Hiebei hat der Befund alle jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung zu nennen, die für das Gutachten, das sich auf den Befund stützende Urteil, erforderlich sind. Dieses Urteil muß so begründet sein, daß es auf seine Schlüssigkeit hin überprüft werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1952, Slg. N. F. Nr. 2778/A). Das bedeutet, daß der Sachverständige jene sein Fachgebiet beherrschenden Gesetzmäßigkeiten darzulegen hat, auf die er die gutachterliche Beurteilung des von ihm erhobenen Befundes stützt.

Diesem Erfordernis kommt das im gegenständlichen Verwaltungsverfahren eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zumindest insofern nicht nach, als dieser Sachverständige in seinem Gutachten vom 22. Oktober 1996 lediglich die apodiktische Aussage trifft, die im Rahmen der gewerbetechnischen Begutachtung festgestellten, auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer einwirkenden Immissionen könnten ab 6.30 Uhr im Mischgebiet als zumutbar angesehen werden, aber in keiner Weise darlegt, welche medizinischen Gesetzmäßigkeiten ihn zu einer solchen Aussage berechtigen.

In dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen Gutachten vom 6. März 1996 zur Frage der gesundheitlichen Auswirkungen des mit dem Starten und Wegfahren der Lkws verbundenen Schadstoffausstoßes wiederum stützt sich der medizinische Sachverständige nicht etwa auf ein im Rahmen einer gewerbetechnischen Begutachtung erhobenes Ausmaß dieser Immissionen, sondern er ermittelt dieses Ausmaß selbst. Obwohl der Sachverständige auf diesen Mangel seiner Aussage und die Notwendigkeit der entsprechenden Beurteilung durch einen gewerbetechnischen Sachverständigen hinwies, sah sich die belangte Behörde nicht veranlaßt, eine entsprechende Ergänzung des gewerbetechnischen Gutachtens und ein darauf aufbauendes neuerliches medizinisches Gutachten zu veranlassen.

Gleiches gilt für die Aussagen des medizinischen Amtssachverständigen zur Frage von im Haus des Beschwerdeführers auftretenden Erschütterungen. Das Auftreten solcher Immissionen wurde vom medizinischen Amtssachverständigen verneint, ohne sich dabei auf eine entsprechende Aussage des gewerbetechnischen Amtssachverständigen stützen zu können.

Schon aus den dargelegten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher schon deshalb in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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