VwGH 97/03/0379

VwGH97/03/037920.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des J K in Wörgl, vertreten durch Dr. Andreas Widschwenter, Rechtsanwalt in 6300 Wörgl, Salzburger Straße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. September 1997, Zlen. 2/43-8/1996, 18/232-8/1996, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
VStG §51e Abs1;
VStG §51g Abs2;
VStG §51g Abs3;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
VStG §51e Abs1;
VStG §51g Abs2;
VStG §51g Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 bestraft, weil er am 7. Oktober 1995 um 2.00 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw in Wörgl auf dem Egerndorferweg auf Höhe der Firma Opel Bernhard in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 10. Dezember 1997, B 2955/97, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens durch die belangte Behörde erwogen:

Der vom Beschwerdeführer vorgetragene Einwand der Verfolgungsverjährung ist nicht berechtigt, weil ihm die Tat - einschließlich des Tatbestandsmerkmales, daß er den Pkw gelenkt habe - bereits in dem als rechtzeitige, die Verfolgungsverjährungsfrist unterbrechende Verfolgungshandlung zu qualifizierenden Ladungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 24. Oktober 1995 vorgeworfen worden war. Die dort aufscheinende Bezeichnung des Tatortes ("in Wörgl auf dem Egerndorferweg") ist nicht mangelhaft, darf doch gerade bei einem Delikt wie dem vorliegenden, welches über längere Strecken begangen werden kann, das Erfordernis der Konkretisierung des Tatortes nicht isoliert gesehen werden; es ist vielmehr in Verbindung mit der Tatzeitangabe zu betrachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zl. 88/02/0186). Daß der Beschwerdeführer durch diese Tatortumschreibung in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt sein könnte, ist nicht zu erkennen. Die von der belangten Behörde vorgenommene Einfügung der Worte "auf Höhe der Firma Opel Bernhard gelenkt" in den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses stellt eine zulässige und zumindest hinsichtlich des Wortes "gelenkt" notwendige Präzisierung der Tatumschreibung dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 97/03/0090). Die Beschwerde erweist sich somit in diesem Punkt als unberechtigt.

Auch das weitere Vorbringen, die beim Gendarmerieposten Kirchbichl erlangten Ergebnisse der Atemluftuntersuchung hätten nicht im Verwaltungsstrafverfahren verwendet werden dürfen, weil der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 4 StVO 1960 nur dem Gendarmerieposten Wörgl als der nächstgelegenen Dienststelle vorgeführt hätte werden dürfen, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Selbst wenn das Ergebnis der Atemluftuntersuchung auf gesetzwidrige Weise gewonnen worden wäre, hätte es im Verwaltungsstrafverfahren berücksichtigt werden dürfen, besteht doch kein entsprechendes Beweisverwertungsverbot (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1993, Zl. 92/03/0229).

Die belangte Behörde stützte die Annahme der Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers darauf, daß die am 7. Oktober 1995 um 2.11 Uhr und 2.13 Uhr mit einem geeichten Alkomaten durchgeführte Atemluftuntersuchung eine Atemalkoholkonzentration von 0,48 mg/l ergeben habe. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe unmittelbar vor seiner Anhaltung um 2.00 Uhr einen "Wodka-Red Bull" getrunken, hielt sie insbesondere deshalb nicht für glaubwürdig, weil dieser Alkoholkonsum nicht in der der Anzeige beigelegten "Trinkverantwortung" des Beschwerdeführers angeführt sei. Selbst wenn der Beschwerdeführer unmittelbar vor Fahrtantritt einen "Wodka-Red Bull" getrunken hätte, wäre - so führte die belangte Behörde weiter aus - nicht erwiesen, daß die vor Ablegung des Alkomatentests einzuhaltende Wartezeit von 15 Minuten nicht eingehalten worden sei. Aber auch unter der Annahme, daß die Wartezeit von 15 Minuten tatsächlich nicht eingehalten worden wäre, hätte dies - dem schlüssigen Gutachten eines dem Berufungsverfahren beigezogenen Sachverständigen zufolge - das Meßergebnis nur um 0,020 mg/l verfälschen können, sodaß beim Beschwerdeführer jedenfalls ein Wert von 0,46 mg/l gegeben gewesen wäre. Die vom Beschwerdeführer beantragte Einvernahme des Sachverständigen sowie des Zeugen C W - letztere über den behaupteten Konsum eines "Wodka-Red Bull" unmittelbar vor Fahrtantritt - hielt die belangte Behörde nicht für erforderlich.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß die Atemluftuntersuchung nach den Verwendungsrichtlinien für Atemalkoholmeßgeräte erst 15 Minuten nach dem letzten Alkoholkonsum vorgenommen werden darf. Wurde diese Wartezeit nicht eingehalten, darf die Behörde ein gültiges Meßergebnis nur dann annehmen, wenn diese Annahme aus fachlichen Gründen zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1995, Zl. 95/02/0490).

Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen sind mangelhaft. Bei der Feststellung, der Beschwerdeführer habe unmittelbar vor Antritt der Fahrt nicht den von ihm behaupteten Alkoholkonsum getätigt, hätte die belangte Behörde nicht von der dazu vom Beschwerdeführer beantragten Vernehmung des Zeugen C W Abstand nehmen dürfen, kann doch diesem Beweisantrag nicht von vorherein die Eignung abgesprochen werden, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1997, Zl. 97/03/0241).

Die Feststellung, es sei nicht erwiesen, daß - vor Durchführung des Alkomattests - "tatsächlich eine 15minütige Wartezeit nicht eingehalten worden ist", ist nicht zielführend; maßgebend ist vielmehr, ob diese Wartezeit tatsächlich eingehalten wurde. "Daß diesbezügliche Zweifel nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen können", hat die belangte Behörde erkannt und sich aus diesem Grund auch zur Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Verwertbarkeit des erzielten Meßergebnisses veranlaßt gesehen.

Was diesen von der belangten Behörde aufgenommenen Sachverständigenbeweis anlangt, ist auf die §§ 51e Abs. 1 und 51g Abs. 2 und 3 VStG zu verweisen. Nach dem zweiten Satz des § 51e Abs. 1 sind zu der vom unabhängigen Verwaltungssenat anberaumten öffentlichen mündlichen Verhandlung - eine solche hat im Beschwerdefall stattgefunden - die Parteien und die zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden. § 51g Abs. 2 VStG räumt - unter anderem - den Parteien und ihren Vertretern, insbesondere dem Beschuldigten, das Recht ein, an jede Person, die vernommen wird, Fragen zu stellen.

§ 51g Abs. 3 VStG schreibt vor, daß - unter anderem - die Gutachten der Sachverständigen nur in den im Gesetz angeführten Fällen - keiner davon liegt im Beschwerdefall vor - verlesen werden dürfen. Aus diesen Bestimmungen folgt, daß Sachverständige im Verwaltungsstrafverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ihr Gutachten jedenfalls mündlich zu erstatten haben (vgl. Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, 305; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 932/14). Dem wurde im Beschwerdefall nicht entsprochen. Diesem Verfahrensmangel kann Relevanz nicht abgesprochen werden, ist doch bei der hier gegebenen Sachlage keinesfalls von vornherein auszuschließen, daß insbesondere die Ausübung des Fragerechtes durch den Beschwerdeführer zu einer Änderung des Sachverständigengutachtens hätte führen können.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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