VwGH 97/02/0345

VwGH97/02/034527.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des GL gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 6. Dezember 1996, Zl. III - 28/96, betreffend Mutwillensstrafe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §35;
VwRallg;
ZPO §63 Abs1 impl;
AVG §35;
VwRallg;
ZPO §63 Abs1 impl;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. Dezember 1996 wurde über den als Rechtsvertreter eines näher genannten Fremden im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens aufgetretenen Beschwerdeführer auf Grund seines Verhaltens im Rahmen eines Kostenverfahrens (nach dem Fremdengesetz 1992) betreffend diesen Fremden, "insbesondere" wegen seiner schriftlichen Eingabe vom 22. Mai 1996, gemäß § 35 AVG eine Mutwillensstrafe von S 500,-- verhängt.

In der Begründung wird u.a. ausgeführt, es würden sich in den Verwaltungsakten mehrfach Schriftsätze finden, in denen der Beschwerdeführer erklärt habe, dass ihm von L. O. (= dem vom Verwaltungsverfahren betroffenen Fremden) Vollmacht wegen fremdenpolizeilicher Angelegenheiten erteilt worden sei. Zuletzt sei dies im Schreiben vom 29. April 1996, in dem sich der Beschwerdeführer zur Kostenbekanntgabe geäußert habe, geschehen.

Ohne dass in der Zwischenzeit der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf (kurz: BH) der Widerruf oder die Kündigung dieser Vollmacht bekannt gegeben und nachdem dem Beschwerdeführer am 22. Mai 1996 der (mit 15. April 1996 datierte) Kostenbescheid betreffend L. O. zugestellt worden sei, habe er folgendes, mit 22. Mai 1996 datiertes und am 23. Mai 1996 zur Post gegebenes Schreiben an die BH gesendet:

"In oben bezeichneter Angelegenheit stelle ich hiermit den mir zugestellten Bescheid im Original zurück, da ich oben Genannten in diesem Verfahren schon vor dem Bescheidzugang nicht mehr vertrete."

Die Kündigung einer Vollmacht eines Parteienvertreters werde - so die belangte Behörde in der Begründung weiter - der Behörde gegenüber, bei welcher der Vertreter eingeschritten sei, erst wirksam, wenn sie ihr mitgeteilt werde. Es sei amtsbekannt, dass der Beschwerdeführer als Rechtsanwalt oft in Verfahren tätig werde, bei denen die Verwaltungsverfahrensgesetze anzuwenden seien. Dem Beschwerdeführer seien daher die Grundsätze hinsichtlich der Wirksamkeit des Widerrufs oder der Kündigung einer Vollmacht bekannt, weshalb er sich in dem Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit bzw. der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens vom 22. Mai 1996 an die BH gewandt habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom 10. Juni 1997, B 399/97, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abtrat. Dieser hat erwogen:

Gemäß § 35 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 kann die Behörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe bis S 1.000,-- verhängen.

Gemäß § 36 Abs. 2 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 ist gegen den Bescheid, mit dem eine Ordnungs- oder Mutwillensstrafe verhängt wird, Berufung ohne aufschiebende Wirkung an die vorgesetzte Behörde zulässig, die endgültig entscheidet.

Insoweit der Beschwerdeführer sich in seiner ergänzenden Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof neuerlich auf eine Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (freie Ausübung der Erwerbstätigkeit durch Anwendung des § 35 AVG wegen seiner Tätigkeit als Rechtsvertreter, Verletzung des Bestimmtheitsgebotes nach Art. 18 Abs. 1 B-VG im Hinblick auf die Formulierung des § 35 AVG, auf einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot durch den angefochtenen Bescheid sowie einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK) beruft, genügt der Hinweis, dass zur Wahrung dieser verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nicht der Verwaltungsgerichtshof, sondern der - vom Beschwerdeführer bereits im Gegenstand befasste - Verfassungsgerichtshof berufen ist (vgl. Art. 144 Abs. 1 B-VG), welcher jedoch die Behandlung der diesbezüglich an ihn gerichteten Beschwerde ablehnte.

Ferner bringt der Beschwerdeführer vor, es könne der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht entnommen werden, worin die ihm vorgeworfene mutwillige Inanspruchnahme der Behörde gelegen sei. Er müsse die Bekämpfung des Bescheides daher "auf die Annahme stützen", dass dem angefochtenen Bescheid entnommen werden könne, dass "die Äußerung seines Mandanten vom 22. Mai 1996" einen Akt der mutwilligen Behördeninanspruchnahme darstelle. Diese Äußerung vom 22. Mai 1996 sei jedoch als solche keine Eingabe, mit welcher eine behördliche Tätigkeit in Anspruch genommen worden sei, sondern eine Äußerung zu dem von der belangten Behörde zunächst zu Handen des Beschwerdeführers übersendeten Bescheid vom 15. April 1996, "ohne dass der Behörde seine diesbezügliche Bevollmächtigung bekannt gegeben" worden sei. Weder eine Tätigkeit noch ein Verfahren der Behörde seien dadurch in Anspruch genommen worden. An anderer Stelle der Beschwerde vertritt der Beschwerdeführer die Meinung, die Äußerung vom 22. Mai 1996 sei nicht ihm, sondern seinem Mandanten zuzurechnen, weshalb allenfalls eine Bestrafung des Mandanten, nicht jedoch eine Bestrafung des Beschwerdeführers erfolgen könne.

Dem ist entgegenzuhalten, dass sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten - wie bereits von der Behörde erster Instanz dargelegt wurde - unter anderem ergibt, dass der Beschwerdeführer namens des von ihm seinerzeit vertretenen Fremden mit Eingabe vom 15. September 1995 der BH im Zuge einer "Vollmachtsbekanntgabe" mitteilte, "die Rechtsvertretung in allen fremden- und asylrechtlichen Angelegenheiten" für diesen Fremden übernommen zu haben. Ferner findet sich auch eine gleichlautende "Vollmachtsbekanntgabe" mit Schreiben vom 11. September 1995 gegenüber der Bundespolizeidirektion Wien in den vorgelegten Akten. Die Vorschreibung von Kosten nach § 79 FrG 1992 zählt zu den fremdenrechtlichen Angelegenheiten. Im Zuge des im Verfahren nach § 79 FrG 1992 gewährten Parteiengehörs gab der vom Beschwerdeführer vertretene Fremde mit Schriftsatz vom 29. April 1996 eine Stellungnahme ab. Darin wird neuerlich ausdrücklich auf die Vertretung durch den Beschwerdeführer hingewiesen, und es findet sich der Zusatz "Vollmacht erteilt". Die Behörde konnte daher zu Recht aufgrund der "Vollmachtsbekanntgabe" in Verbindung mit der neuerlichen Berufung auf die bestehende Vollmacht im Schreiben vom 29. April 1996 von einem aufrechten Vertretungsverhältnis zwischen dem Fremden und dem Beschwerdeführer auch für das Verfahren nach § 79 FrG 1992 ausgehen, zumal vom Beschwerdeführer nicht behauptet wird, dass er oder der seinerzeit von ihm vertretene Fremde der Behörde vor dem 22. Mai 1996 (= Tag der Zustellung des Bescheides vom 15. April 1996 im Verfahren nach § 79 FrG 1992) die Auflösung der Vollmacht bekannt gegeben hätte. Die die Vertretung des Fremden im vorliegenden Fall in Abrede stellenden Ausführungen des Beschwerdeführers erscheinen daher nicht nachvollziehbar.

Angesichts der Abfassung des für die Verhängung der Mutwillensstrafe -nach Spruchänderung durch die belangte Behörde - allein maßgeblichen Schreibens vom 22. Mai 1996 in der "Ich-Form", der darunter gesetzten eigenhändigen Unterschrift des Beschwerdeführers, der ausschließlichen Nennung des Beschwerdeführers im Briefkopf und des fehlenden Hinweises auf eine Vertretung des im Betreff dieses Schreibens genannten Fremden ist offensichtlich, dass dieses Schreiben - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Meinung - nicht für den Fremden oder in dessen Namen abgefasst wurde, sondern als persönliche Mitteilung des Beschwerdeführers selbst zu werten ist. Es kann daher auch keine Rede davon sei, dass das Schreiben vom 22. Mai "ausschließlich" dem vom Beschwerdeführer vertretenen Fremden zuzurechnen sei. Auch die diesbezüglich entgegen dem eindeutigen Wortlaut dieses Schreibens vertretene Rechtsansicht, es handle sich um eine dem Fremden zuzurechnende Mitteilung, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht nachzuvollziehen.

Der Beschwerdeführer ist jedoch mit seinen Einwendungen insofern im Recht, als er mit seiner Mitteilung vom 22. Mai 1996 nicht mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch genommen hat.

Mutwillig nimmt die Behörde in Anspruch, wer sich in dem Bewusstsein der Grundlosigkeit und Aussichtslosigkeit, der Nutzlosigkeit und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1991, Zl. 90/12/0214).

Wenn das Gesetz neben der Mutwilligkeit noch verlangt, dass der Mutwille offenbar ist, so lässt sich daraus erkennen, dass die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschehen muss, dass jedermann die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, hätte erkennen müssen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. April 1997, Zl. 95/19/1707).

Der Beschwerdeführer konnte aber als bisheriger Rechtsvertreter eines näher genannten Fremden schon im Hinblick auf eine nicht von vornherein auszuschließende Fortsetzung des bei den Behörden anhängigen Verwaltungsverfahrens betreffend Kostenvorschreibung nach § 79 FrG 1992 (z.B. durch Erhebung einer Berufung) der Behörde die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses zu seinem Mandanten mitteilen. Eine offenbare Mutwilligkeit ist daher im Beschwerdefall nicht zu ersehen.

Dass diese Mitteilung durch den Beschwerdeführer erst nach erfolgter Zustellung des Bescheides vom 15. April 1996 erging, war auch deshalb ohne Belang, weil im Lichte der von der belangten Behörde bereits zitierten hg. Judikatur eine Wirksamkeit der Zustellung eines Bescheides bei nicht rechtzeitiger Mitteilung der Beendigung der Zustellungsvollmacht nicht beeinflusst wird (vgl. etwa die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 1924, unter E 38 zu § 9 Zustellgesetz wiedergegebene hg. Judikatur).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Aufgrund dieses Ergebnisses erübrigt sich auch ein Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil sich die dem Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid widerfahrene Rechtsverletzung schon aus den im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erstatteten Schriftsätzen des Beschwerdeführers sowie aus den vorgelegten Verwaltungsakten in einer Weise ergab, die diesem zum Prozesserfolg verhalf, sodass die mündliche Verhandlung kein für den Beschwerdeführer günstigeres Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hätte herbeiführen können.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren betreffend den Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil nach der am 1. September 1997 in Kraft getretenen Novelle, BGBl. I Nr. 88/1997, zu § 49 Abs. 1 zweiter Satz VwGG (vgl. § 73 Abs. 1 VwGG) der Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand nur dann gewährt wird, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten wird. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung ist die Zuerkennung von Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand sohin schon ausgeschlossen, wenn kein Rechtsanwalt als "Vertreter" einschreitet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 1997, Zl. 97/02/0214). Es war auch die für den Schriftsatzaufwand separat begehrte Mehrwertsteuer nicht zuzusprechen.

Seit der vorgenannten Novelle war gemäß § 24 Abs. 3 VwGG eine pauschalierte Gebühr in Höhe von S 2.500,-- für die Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten, weshalb das Mehrbegehren gleichfalls abzuweisen war.

Wien, am 27. Mai 1999

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