VwGH 96/21/0439

VwGH96/21/04392.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. März 1996, Zl. IV-806.358/FrB796, betreffend Abschiebungsaufschub, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §36 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der belangten Behörde) vom 28. März 1996 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers, eines liberianischen Staatsangehörigen, auf Gewährung eines neuerlichen Abschiebungsaufschubes gemäß § 36 Abs. 2 FrG keine Folge gegeben.

Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen §§ 223 Abs. 2, 224, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden. Wie aus einem Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 16. November 1992, gerichtet an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, hervorgehe, könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt dem Beschwerdeführer durchaus eine Heimreise in sein Heimatland zugemutet werden. Das Asylverfahren sei mit 11. Jänner 1994 in zweiter Instanz rechtskräftig negativ beschieden worden.

Der Beschwerdeführer sei laut Aktenlage ledig und habe keine Sorgepflichten. Sämtliche Familienangehörige befänden sich in Liberia. Es sei somit keine Bindung zum österreichischen Bundesgebiet feststellbar.

Aus oben angeführtem Sachverhalt erscheine somit eine Abschiebung mehr als gerechtfertigt und müßten die öffentlichen Interessen höher gewertet werden als die privaten, zumal das Bundesministerium für Inneres mit Erlaß vom 13. März 1996 einer Abschiebung zugestimmt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet; von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 2 FrG ist die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 37) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 54 FrG (Verfahren zur Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat), die in gleicher Weise für das - auf Antrag der Partei eingeleitete - Verfahren gemäß § 36 Abs. 2 leg. cit. zum Tragen kommt, hat der Fremde mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 95/18/0849).

Voraussetzung für die Vornahme einer Abschiebung ist unter anderem das Vorliegen eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung. Vom Vorliegen eines rechtskräftigen Ausweisungsbescheides geht auch der Beschwerdeführer in seinem Antrag aus, bezieht er sich doch selbst ausdrücklich auf den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 12. September 1993. Die vom Beschwerdeführer behauptete Aufhebung des letztinstanzlichen negativen Asylbescheides durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1994, Zl. 94/18/0832, ist aber insofern ohne rechtlichen Belang, als damit dem Beschwerdeführer - nach der rechtskräftigen Ausweisung - keine Aufenthaltsberechtigung eingeräumt wurde.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde über die Zumutbarkeit der Rückreise nach Liberia für die Zeit seiner Antragstellung überhaupt keine Feststellungen getroffen hat, ist er im Recht: Die belangte Behörde hat ihrer Begründungspflicht im Sinne des § 60 AVG, wonach in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind, im vorliegenden Fall nicht entsprochen. Selbst wenn die Bezugnahme im angefochtenen Bescheid auf das Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 16. November 1992 als Beweiswürdigung in dem Sinne aufzufassen ist, daß die vom Beschwerdeführer vorgebrachten umfangreichen Behauptungen anläßlich seiner Antragstellung am 12. Dezember 1995 und seiner Stellungnahmen vom 24. Jänner 1996 und vom 5. Februar 1996 nicht glaubwürdig sind, ist diese Beweiswürdigung durch die belangte Behörde als nicht schlüssig zu erkennen. Die belangte Behörde stützt sich demnach ausschließlich auf eine Beurteilung aus dem Jahre 1992. Es wird jedoch mit keinem Wort erwähnt, daß die Voraussetzungen dieser Beurteilung auch jetzt noch im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vorliegen. Es genügt eine Beurteilung der Frage des Vorliegens der im § 36 Abs. 2 FrG genannten Gründe anhand von vor mehr als drei Jahren erhaltenen Informationen nicht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Prüfung des umfangreichen Vorbringens des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Auch der im angefochtenen Bescheid enthaltene Hinweis, daß der Bundesminister für Inneres der Abschiebung zugestimmt habe, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil die Zustimmung einer vorgesetzten Dienststelle einen Verwaltungsakt noch nicht rechtmäßig macht. Im übrigen wurde nach dem Akteninhalt auch vom Bundesminister für Inneres das umfangreiche Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag und seinen Stellungnahmen nicht beurteilt, weil ihm dies nicht einmal bekanntgegeben wurde.

Was hingegen die in der Beschwerde geltend gemachten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich anlangt, so ist darauf hinzuweisen, daß solche dem privaten und familiären Bereich zugehörigen Interessen im Rahmen einer Entscheidung nach § 36 Abs. 2 FrG der rechtlichen Erheblichkeit entbehren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 95/18/0849).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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