VwGH 96/21/0375

VwGH96/21/037510.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des (am 2. August 1963 geborenen) HA, vertreten durch Dr. Hermann Fromherz, Dr. Friedrich Fromherz, Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Rechtsanwälte in Linz, Graben 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. März 1996, Zl. Fr 277/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 FrG, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers, eines irakischen Staatsangehörigen, gemäß § 54 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei im Irak gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 21. August 1995 in das Bundesgebiet eingereist. Am folgenden Tag habe er einen Asylantrag eingebracht. Hiezu habe er ausgeführt, daß er im Jahre 1991 den Irak verlassen habe und in den Iran geflüchtet sei. Dies deshalb, weil er mit einem hohen Parteifunktionär der Baath-Partei Streitigkeiten gehabt habe. Im Jahre 1992 sei er zurückgekehrt und habe in der Nähe von Bagdad eine kleine Landwirtschaft betrieben. Der Vater des Beschwerdeführers sei iranischer Abstammung und im Jahre 1980 in den Iran abgeschoben worden. 1984 seien der Beschwerdeführer und sein Bruder für drei Monate inhaftiert worden, weil sie im Verdacht gestanden seien, als Fluchthelfer tätig gewesen zu sein. Bei seiner Ausreise aus dem Irak hätte der Beschwerdeführer keine Probleme mit den staatlichen Behörden gehabt und wäre auch nicht verfolgt worden. Er sei nicht politisch tätig gewesen. Aufgrund seiner iranischen Vorfahren sei er immer als Mensch zweiter Klasse behandelt worden. Er habe daher keinen Zugang zu höheren Positionen in der Gesellschaft gehabt. Ein Studienabschluß sei ihm verwehrt worden. Der Beschwerdeführer habe wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten den Irak verlassen. Er habe um einen höheren Posten nicht angesucht, weil er gewußt habe, daß man mit iranischen Vorfahren keine solche Stellung bekommen würde. Sein Bruder Kasem habe sich vor 1991 bis zu seiner Flucht in einem Gefängnis befunden. Im Zuge einer Amnestie 1995 seien Häftlinge freigelassen worden, nicht jedoch sein Bruder. Er habe sich daher entschlossen, seinen Bruder zu befreien. Der Beschwerdeführer habe viele einflußreiche Freunde und es habe ihm viel Geld gekostet. Es sei der Gefängnisoffizier bestochen und eine Schleppung nach Mosul organisiert worden. Von dort sei der Bruder dann in die Türkei geschleppt worden.

Nach Verlesung der Niederschrift im Asylverfahren habe der Beschwerdeführer ergänzt, daß er mittels eines Haftbefehles gesucht werde, weil er einen führenden Funktionär beleidigt habe. Dies sei ihm von einem Nachbarn mitgeteilt worden, den Haftbefehl habe er jedoch nie gesehen.

Der Asylantrag des Beschwerdeführers sei mit Bescheid vom 23. August 1995 abgewiesen worden. Die Asylbehörde habe dazu ausgeführt, daß die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe nicht ausreichten, um ihm Asyl zu gewähren. Die vorgetragene schlechte wirtschaftliche Situation und damit verbundene unmögliche gesellschaftliche Besserstellung treffe grundsätzlich alle irakischen Staatsangehörigen im gleichen Ausmaß. Das Argument, der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner iranischen Abstammung schlechter gestellt als andere irakische Staatsangehörige, sei insofern unglaubwürdig, weil seine Ausführungen dazu teilweise unglaubwürdig und widersprüchlich gewesen seien. Anfangs habe er ausgeführt, daß ihm aufgrund dieser Abstammung der gesellschaftliche Aufstieg unmöglich gewesen sei. Auf die Frage, ob er sich überhaupt um die Erlangung eines führenden Postens beworben habe, habe er dann angegeben, dies nicht versucht zu haben.

Erst nach Abschluß der mündlichen Einvernahme und nach Übersetzung der Niederschrift habe der Beschwerdeführer im Gegensatz zum bisherigen Vorbringen versucht, eine politische Verfolgung zu konstruieren, indem er einen Haftbefehl erwähnte. Diese Angabe sei unglaubwürdig, weil der Beschwerdeführer selbst erwähnt habe, diesen Haftbefehl nie gesehen zu haben, seinen Inhalt nicht zu kennen und seine Existenz nur aufgrund der nachbarschaftlichen Aussagen anzunehmen. Nach einem diesbezüglichen Vorhalt habe der Beschwerdeführer angegeben, daß der Hintergrund für die Erlassung des Haftbefehles sicherlich lediglich die genannte Beleidigung gewesen sein müsse und die Behörden deshalb nicht nach ihm gefahndet hätten. Es sei daher zutreffend, daß er trotz dieses Haftbefehles nicht politisch verfolgt worden sei.

Im Rahmen des gegen den Beschwerdeführer geführten fremdenpolizeilichen Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sei er über die Antragstellung gemäß § 54 FrG belehrt worden. Er habe einen solchen Antrag gestellt und zur Begründung auf seine Angaben beim Bundesasylamt verwiesen.

Die Behörde erster Instanz habe überhaupt keine tatsächliche Veranlassung und rechtliche Möglichkeit gehabt, einen anderslautenden Bescheidspruch zu erlassen. Der Behörde sei es aufgrund des im § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen. Im Asylverfahren werde die Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ebenso geprüft, wie die Behörde die Bedrohung von Leben und Freiheit aus Gründen des § 37 Abs. 2 FrG zu untersuchen habe.

Der Beschwerdeführer habe in der Berufung ausgeführt, daß er nach seinen Vorbringen im Asylverfahren zumindest einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG unterworfen würde. Er habe im Asylverfahren einen Wiedereinsetzungsantrag, verbunden mit einem umfangreichen Vorbringen eingebracht, auf den noch einzugehen sei. Der Beschwerdeführer habe es jedoch im Verfahren gemäß § 54 FrG unterlassen, darzutun, inwieweit eine Bedrohung gegeben sei, die einen anderslautenden Spruch herbeiführen könnte. Der Hinweis auf allfällige vorhandene Unterlagen oder einen bestimmten Fall eines irakischen Staatsangehörigen sei demnach nicht geeignet, die Behörde zu einem anderen Ergebnis kommen zu lassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, dem angefochtenen Bescheid könne nicht entnommen werden, aufgrund welcher rechtlichen Überlegungen die belangte Behörde der Meinung sei, der Berufung könne nicht Folge gegeben werden.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde zum Ausdruck brachte (Seite 6 des angefochtenen Bescheides), daß die Behörde erster Instanz keine tatsächliche Veranlassung zu einem anderslautenden - gemeint als die Asylbehörde - Bescheidspruch gehabt hat und sich die belangte Behörde - durch die Abweisung der Berufung - dieser Auffassung anschloß. Dies wurde anschließend damit begründet, daß die im Asylverfahren zu überprüfenden Tatbestände jenen des § 37 Abs. 2 FrG gleichzuhalten wären.

Weiters macht der Beschwerdeführer als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die belangte Behörde hätte den gesamten Asylakt beizuschaffen und zu berücksichtigen gehabt, insbesonders das im anhängigen Wiedereinsetzungsverfahren getätigte Vorbringen.

Der Beschwerdeführer hat bereits in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid auf diese Eingabe verwiesen. Die belangte Behörde hat hiezu ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer es im Verfahren gemäß § 54 FrG unterlassen habe, darzulegen, inwieweit eine Bedrohung gegeben sei, die einen anderslautenden Spruch herbeiführen könnte.

Selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer die Auffassung verträte, die belangte Behörde hätte von Amts wegen diese Eingabe des Beschwerdeführers im Asylverfahren beischaffen und bei ihrer Beurteilung berücksichtigen müssen, führt dies zu keiner Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ersichtlich wird, daß bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. In der Beschwerde führt der Beschwerdeführer hiezu lediglich aus, daß er im Zusammenhang mit seinem übrigen Vorbringen, insbesondere seiner iranischen Abstammung, seiner bereits längere Jahre zurückliegenden Konflikte mit einem Angehörigen der Baath-Partei sowie der Tatsache, daß er seinem Bruder bei der Flucht geholfen habe, zumindest unmenschlicher Behandlung, nämlich der Bedrohung mit dem Tod oder zumindest Foltermaßnahmen durch die irakischen Behörden ausgesetzt wäre. Der Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerde kann zusätzlich noch entnommen werden, daß die entsprechenden Maßnahmen einerseits aufgrund der beim Beschwerdeführer vermuteten politischen Gesinnung gegen die Baath-Partei und damit gegen den Staat, andererseits auch wegen seiner Volkszugehörigkeit zum iranischen Volk, beruhten.

Damit zeigt sich aber, daß der Beschwerdeführer in Wahrheit keine anderen Gründe aufzeigt, als der belangten Behörde ohnehin bereits zur Kenntnis gebracht worden waren.

Eben diese Umstände hat die belangte Behörde - ebenso wie die Asylbehörde - nicht als glaubwürdig angesehen, weil sie vom Beschwerdeführer nicht ausreichend konkret glaubhaft gemacht wurden. Gegen diese Beweiswürdigung der belangten Behörde bringt der Beschwerdeführer nichts Konkretes vor. Der Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht habe, er sei im Irak im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG bedroht, kann daher nicht entgegengetreten werden.

Schließlich erachtet sich der Beschwerdeführer auch durch die Formulierung des Bescheidspruches beschwert, weil die belangte Behörde seinen Antrag nicht nur abgewiesen hat, sondern darüber hinausgehend feststellte, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er im Irak gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei. Einer neuerlichen Überprüfung würde daher die Rechtskraft entgegengehalten werden. Dem ist zu erwidern, daß der Einwand der Rechtskraft nur dann begründet ist, wenn von einer identen Sach- und Rechtslage auszugehen wäre. Diesfalls würde aber auch die bloße Abweisung des Antrages einer Zurückweisung eines neuerlichen unveränderten Begehrens wegen entschiedener Sache nicht hinderlich sein.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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