VwGH 96/21/0316

VwGH96/21/031619.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 19. März 1996, Zl. II-2454/4/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z5;
FrG 1993 §21 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z5;
FrG 1993 §21 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung ihres Bescheides erklärte die belangte Behörde, daß sie die Sachverhaltsfeststellung und die zutreffende rechtliche Beurteilung des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides übernehme. Die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides werde vollständig zum Inhalt des gegenständlichen Berufungsbescheides erhoben, zumal kein Verfahrensmangel habe festgestellt werden können.

Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Salzburg dreimal rechtskräftig verurteilt worden und zwar am 28. März 1990 wegen gefährlicher Drohung, am 15. Dezember 1993 wegen Nötigung und gefährlicher Drohung i.V.m. § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten bedingt auf drei Jahre und am 29. Juni 1994 wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und Verstrickungsbruch i.V.m. § 15 StGB zu neun Monaten Freiheitsstrafe bedingt auf drei Jahre. Damit sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Der erstinstanzliche Bescheid enthält in diesem Zusammenhang noch die Ausführungen, daß gegen den Beschwerdeführer aufgrund einer Vielzahl von gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Übertretungen im Zeitraum 1980 bis 1985 ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen worden sei. In der Folge sei dem Beschwerdeführer ein Vollstreckungsaufschub erteilt worden. Neben den - auch im Berufungsbescheid angeführten - Verurteilungen durch das Landesgericht Salzburg sei der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 82 Abs. 1 und 3 und § 16 FrG am 11. Jänner 1994 mit S 600,-- bestraft worden. Am 12. September 1994 sei der Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Salzburg wegen des Verdachtes der schweren Nötigung gemäß § 106 StGB angezeigt worden.

Die belangte Behörde führte weiters aus, daß für die gemäß § 20 Abs. 1 vorzunehmende Interessenabwägung die zu beurteilende Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen maßgeblich sei, insbesonders die Verurteilung wegen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Dazu komme, daß gegen den Beschwerdeführer bereits 1985 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden sei. Unter Bedachtnahme auf die familiäre Situation des Beschwerdeführers sei ihm damals ein Vollstreckungsaufschub gewährt worden. Festzustellen sei, daß der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes immer nur kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse eingegangen sei. Immer wenn ihm von seiten der Behörde fremdenpolizeiliche Maßnahmen angedroht worden seien, habe er versprochen, sich zu bessern und einer geregelten Arbeit nachzugehen. Es sei dabei stets nur bei diesen Versprechungen geblieben. Die wiederholten Verurteilungen zeigten deutlich, daß der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich der österreichischen Rechtsordnung anzupassen, wodurch auch das Ausmaß der von ihm behaupteten Integration in Zweifel gestellt werde. Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde "stark" in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Die belangte Behörde komme aber bei der Interessenabwägung zu dem Ergebnis, daß das durch das beschriebene Fehlverhalten des Beschwerdeführers begründete öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bzw. die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme schwerer wögen als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

Im bekämpften erstinstanzlichen Bescheid wird hiezu ausgeführt, daß der Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt worden sei, daß ein Aufenthaltsverbot erlassen werde. Er habe dagegen eingewendet, daß er seine neunjährige Tochter und seine Frau nicht in die Türkei mitnehmen könne. Weiters habe er erklärt, daß er in Österreich Schulden in Höhe von S 500.000,-- habe und eine eigene Firma besitze. Dieses vom Beschwerdeführer dokumentierte Privatinteresse zum Weiterverbleib in Österreich habe den öffentlichen Interessen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes untergeordnet werden müssen.

Die belangte Behörde führte in ihrem Bescheid weiters aus, daß die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes angemessen erscheine. Außer den vom Beschwerdeführer angeführten familiären Gründen, welche in der Ermessensentscheidung bereits berücksichtigt worden seien, sei von ihm kein Verhalten ersichtlich, daß die Verhängung eines nur befristeten Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde bleiben die im angefochtenen Bescheid festgestellten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen unbestritten. Die Beschwerde läßt weiters den aus diesen Feststellungen gezogenen rechtlichen Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG und in der Folge jenes des § 18 Abs. 1 und § 19 leg. cit. unbekämpft. Beim Verwaltungsgerichtshof sind insoweit keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung aufgetaucht.

Im Ergebnis zu Recht bekämpft der Beschwerdeführer jedoch die im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung. Die bisher getroffenen Sachverhaltsfeststellungen reichen nämlich noch nicht aus, um eine verläßliche Gewichtung der maßgebenden öffentlichen Interessen einerseits und der diesen zuwiderlaufenden privaten Interessen des Beschwerdeführers andererseits vorzunehmen. Das Gewicht der betroffenen öffentlichen Interessen ist im Hinblick auf die Zahl und Art der rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers keineswegs gering zu veranschlagen; zu seiner genauen Einschätzung bedarf es aber doch der Feststellung, welches Verhalten diesen Verurteilungen zugrundegelegen ist. Zum anderen geht die belangte Behörde erkennbar von einem lange dauernden Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland aus, ohne jedoch die Dauer des - rechtmäßigen - Aufenthaltes des Beschwerdeführers festzulegen. Auch hat sie es unterlassen, ausreichende Feststellungen über die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers zu treffen. Während der erstinstanzliche Bescheid hiezu keinerlei Feststellungen enthält, geht die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon aus, daß der Beschwerdeführer immer nur kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse eingegangen sei. Demgegenüber wird bereits in der Berufung hervorgehoben, daß der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Gattin seit einigen Jahren ein Unternehmen betreibe. Dem angefochtenen Bescheid kann nicht entnommen werden, aufgrund welcher Beweismittel die belangte Behörde trotz dieses Berufungsvorbringens zu der von ihr erstmals getroffenen Feststellungen gelangt und weshalb das Berufungsvorbringen als nicht glaubwürdig zu werten ist.

Weiters hat es die belangte Behörde unterlassen, ausreichende Feststellungen zu treffen, um das nach der Z. 1 des § 20 Abs. 1 FrG für die Interessenabwägung bedeutsame Ausmaß der Integration der Gattin und des Kindes des Beschwerdeführers sowie die nach der Z. 2 der genannten Bestimmung wesentliche Intensität der familiären Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Gattin und seinem Kind beurteilen zu können. Im Rahmen der nach dieser Bestimmung zu berücksichtigenden sonstigen Bindungen blieb die vom Beschwerdeführer behauptete gemeinsame Betriebsführung mit seiner Gattin im Bescheid ohne entsprechenden Niederschlag und Würdigung.

Soweit der Beschwerdeführer meint, die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes im Falle des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG könnte nur dann stattfinden, wenn die strafrechtliche Auffälligkeit dem Delikt des Schlepperunwesens gleichwertig sei, kann ihm nicht gefolgt werden. Nach dem - durch die Materialien gestützten - Wortlaut des § 21 Abs. 1 FrG kann das Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 18 Abs. 2 Z. 1 und 5 FrG auch unbefristet erlassen werden. Für die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes wird daher die - im Beschwerdefall nicht zweifelhafte - Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG gefordert. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes hat die belangte Behörde aber auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Da nach den vorstehenden Ausführungen solche Feststellungen im angefochtenen Bescheid fehlen, ist auch die Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes vom Verwaltungsgerichtshof derzeit nicht zu überprüfen.

Schließlich wird für das fortgesetzte Verfahren bereits darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde ausgehend davon, daß keine der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden strafbaren Handlungen mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, und angesichts einer Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers von rund 16 Jahren zu prüfen haben wird, ob im Beschwerdefall die Voraussetzung des § 20 Abs. 2 erster Teil FrG erfüllt ist (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 13. November 1996, Zl. 96/21/0750).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Zuerkennung der Umsatzsteuer zusätzlich zu dem Pauschbetrag nicht in Betracht kommt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte