Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der nach Ablehnung deren Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. Juni 1996, B 983/95-10, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen ergänzten Beschwerde, der ihr beigelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides sowie dem vom Verfassungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsakt ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste am 19. Mai 1991 in das Bundesgebiet ein. Am 5. Juni 1991 stellte er den schriftlichen Asylantrag, den er damit begründete, als Angehöriger der in der Türkei lebenden kurdischen Minderheit immer wieder von türkischer Militärpolizei beobachtet und auch zu Verhören geladen worden zu sein, da man ihm vorgeworfen habe, mit den in den Bergen kämpfenden Kurden Verbindung zu haben bzw. diese mit Lebensmittel zu unterstützen. In seinem Heimatort habe ab 21 Uhr Ausgangssperre bestanden und sei ab diesem Zeitpunkt das Licht auszuschalten gewesen. Immer wieder seien dann türkische Soldaten erschienen und hätten zwecks Hausdurchsuchungen an die über Nacht geschlossenen Haustüren geklopft. Sei ihnen sodann geöffnet worden, habe es Vorwürfe gegeben, warum trotz verhängter Ausgangssperre die Tür geöffnet werde, sei nicht geöffnet worden, so sei dies beanstandet worden. Immer wieder habe es Verhöre gegeben, bei denen der Beschwerdeführer sowie andere Mitbürger geschlagen worden seien. So sei er auch vielfach mit Holzstücken an die Füße geschlagen worden. Wegen "dieser ständigen Verfolgungen durch türkische Soldaten" habe er und seine Familie den Heimatort verlassen und zunächst in Aydin Zuflucht gefunden. Dort habe er durch Bestechung die Ausstellung eines Reisepasses erreicht.
Anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung zu seinen Fluchtgründen am 12. November 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, er sei kurdischer Abstammung und Alevite. Nach Ableistung seines Militärdienstes (1981 bis 1982) habe er das Lebensmittelgeschäft seines Vaters übernommen, damit diesem eine Pension bezahlt werde. Nach dem Militärputsch im September 1980 sei über die Provinz Bingöl der Ausnahmezustand verhängt worden. Die Militärs seien immer wieder in das Dorf gekommen und hätten ihn beschuldigt, die kurdischen Freiheitskämpfer mit Lebensmitteln zu versorgen. Auf Grund seiner Abstammung sympathisiere er tatsächlich mit der kurdischen Freiheitsbewegung und habe deren Mitglieder auch tatsächlich des öfteren mit Lebensmitteln versorgt. Aktives Mitglied der kurdischen Freiheitsbewegung sei er nicht gewesen. Gelegentlich habe er auch Freiheitskämpfer bei sich beherbergt. Diese Freiheitskämpfer seien "natürlich" bewaffnet gewesen. Davon hätten die Militärs, vermutlich durch Spitzel, erfahren, sodaß er insgesamt zweimal, einmal im Jahr 1983 und einmal im Jahr 1984, von den Gendarmeriesoldaten im Dorf mißhandelt worden sei. Diese Gendarmeriesoldaten seien Angehörige einer speziellen militärischen Einheit, die aufgestellt worden sei, um den Polizeibehörden (offensichtlich der örtlichen) zur Unterstützung zugeteilt zu werden. Damals (gemeint 1983 und 1984) sei er im Beisein seiner Familie mit Gewehrkolben, Gummiknüppeln und Holzstücken geschlagen worden. Immer wieder sei es auch zu Hausdurchsuchungen im Geschäft und in seinem Wohnhaus gekommen. Nach 19 Uhr herrsche Ausgangsverbot. Da er aber öfter länger im Geschäft habe bleiben müssen und sein Wohnhaus etwas entlegen davon gelegen sei, sei er beim Nachhauseweg des öfteren durch Militärstreifen angehalten und geschlagen worden. Einmal, möglicherweise 1983, sei auch auf ihn geschossen worden, er sei jedoch nicht getroffen worden. Die Situation in Ostanatolien sei zunehmend unerträglich geworden, sodaß er 1986 mit seiner Familie nach Aydin verzogen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe er sein Lebensmittelgeschäft um umgerechnet ca. S 100.000,-- verkauft, er habe dieses Geld auf ein Sparbuch eingezahlt. In Aydin habe er seine Familie in einer Mietwohnung untergebracht, er selbst sei als Bauarbeiter ständig unterwegs und sei jährlich nur ca. einmal zu Hause gewesen. Das von ihm selbst nicht benötigte Geld habe er seiner Frau mittels Postanweisung geschickt. Im Frühsommer 1990 sei er in der Hoffnung, die Situation in seinem Dorf habe sich gebessert, dorthin zurückgefahren, habe jedoch feststellen müssen, daß sich die Situation sogar noch verschlechtert gehabt habe. Deshalb habe er seine Familie wieder nach Aydin zu Verwandten gebracht und selbst beschlossen, nach Österreich zu fliehen. Die Unterbringung bei Verwandten sei zu diesem Zeitpunkt eine Art Notlösung gewesen, bis sie wieder eine Mietwohnung hätten finden können, da er die andere Wohnung vor der Rückkehr in sein Heimatdorf aufgegeben gehabt habe.
Mit Formularbescheid vom 22. November 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht.
In der dagegen gerichteten Berufung machte der Beschwerdeführer Begründungsmängel des angefochtenen Bescheides geltend, brachte jedoch auf Sachverhaltsebene keine von seinen erstinstanzlichen Angaben abweichenden Umstände vor.
Mit Bescheid vom 7. April 1993 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, Österreich gewähre ihm kein Asyl. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage führte die belangte Behörde in diesem Bescheid im wesentlichen aus, die allgemeine Situation, in der sich die kurdische Bevölkerung in der Türkei befinde, genüge für sich allein für die Gewährung des Asyls nicht. Das allgemeine Mißtrauen, Sprachverbot, die polizeilichen Belästigungen und die allgemeinen Benachteiligungen beträfen vielmehr den Großteil der kurdischen Bevölkerung in der Türkei in ähnlicher Weise und richteten sich nicht speziell gegen die Person des Beschwerdeführers. Zudem könnten die von ihm geschilderten Benachteiligungen auch für die Asylgewährung mangels genügender Intensität der bezeichneten Eingriffe nicht herangezogen werden. Diese stellten keine ernsthaften Nachteile im Sinne des Asylgesetzes dar. Im übrigen fehle auch der zeitliche Zusammenhang zwischen den Mißhandlungen und Verhören in den Jahren 1983 und 1984 zu der 1991 erfolgten Ausreise. Die pauschale Behauptung in der Berufung, der Beschwerdeführer sei auch nach seiner Übersiedlung nach Aydin fortgesetzt von türkischen Behörden verfolgt worden, erscheine im Hinblick darauf nicht glaubhaft, daß er das ganze Jahr über nach seinen Angaben als Bauarbeiter unterwegs und nur einmal im Jahr nach Hause gekommen sei.
Auf Grund der dagegen gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1994, Zl. 94/20/0265, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94), sodaß das Berufungsverfahren neuerlich bei der belangten Behörde anhängig wurde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, Österreich gewähre ihm kein Asyl. Sie begründete ihren Bescheid lediglich durch Übernahme der Sachverhaltsfeststellung und rechtlichen Beurteilung ihres Bescheides vom 7. April 1993 und ergänzte, dem Antrag des Beschwerdeführers in seiner Berufungsergänzung vom
Februar 1995, zum Nachweis für die völkerrechtswidrige Verfolgung der Kurden in der Türkei den von der belangten Behörde regelmäßig eingeholten Länderbericht beizuschaffen und zu erörtern, sei nicht entsprochen worden, weil aus allgemeinen Länderberichten eine individuell, konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgung nicht abgeleitet werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Zunächst macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorgangsweise der belangten Behörde, sich im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen und rechtlichen Beurteilung lediglich mit dem bloßen Hinweis auf die Begründung eines Bescheides, der durch den Verwaltungsgerichtshof behoben worden sei, zu begnügen, sei "formell falsch" und entspreche nicht den Erfordernissen der Verwaltungsverfahrensgesetze. Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0501, bereits dargelegt, daß es sich bei der von ihm gerügten, von der belangten Behörde gewählten Vorgangsweise nicht um die Übernahme eines dem Rechtsbestand nicht mehr angehörigen Ausspruchs einer Behörde mit Vorfragencharakter handelt, sondern lediglich um eine Vereinfachung im Begründungsteil ihrer Entscheidung. Die Wiederholung der Begründung eines Bescheides lediglich durch Verweis auf die Begründung eines - wenn auch aufgehobenen - zwischen denselben Parteien erlassenen Vorbescheides berührt daher die Rechtmäßigkeit des - zum Rechtsbestand gehörenden - Spruchs dieses Bescheides nicht. Voraussetzung bleibt allerdings, daß - wie dies im vorliegenden Fall nicht in Abrede gestellt wird - für die Parteien des Verfahrens und die überprüfenden Kontrollinstanzen eine derartige, lediglich aus einer Verweisung bestehende Begründung nachvollziehbar bleibt (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis und die dort wiedergegebene Vorjudikatur). Auch die Rüge einer Verfahrensverletzung durch Unterlassung der Beischaffung der beantragten Länderberichte und Gewährung des Parteiengehörs hiezu geht fehl, weil die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat, daß aus allgemeinen Länderberichten zwar der für die Beurteilung eines konkreten Falles notwendige Hintergrund für eine der behaupteten Verfolgungssituation Rechnung tragende Gesamtschau zu entnehmen ist, nicht aber ein Ersatz für eine vom Asylwerber zu behauptende, ihn persönlich treffende konkrete Verfolgungsgefahr sein kann. Fehlt daher in der Darstellung des Asylwerbers zu seinen Fluchtgründen jeglicher konkrete Anhaltspunkt für eine ihn individuell betreffende aktuelle Verfolgungsgefahr im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991, kommt es auf die allgemeine Lage nicht an. Die belangte Behörde hat bereits zutreffend dargetan, daß aus den Angaben des Beschwerdeführers lediglich allgemeine Benachteiligungen zu entnehmen sind, die eine Asylgewährung nicht rechtfertigen und jene Umstände, die ihn persönlich in einer allenfalls asylrelevanten Art und Weise betroffen haben, zu seiner erst Jahre später erfolgten Ausreise in keinem erkennbaren zeitlichen Konnex mehr stehen. In der diesbezüglichen rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde kann eine Rechtswidrigkeit daher nicht erkannt werden.
Zur allgemeinen Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe es unterlassen, das "Ermittlungsverfahren ordentlich durchzuführen", genügt ein Verweis auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes speziell zur Bestimmung des § 16 AsylG 1991 (als Beispiel für viele hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1996, Zl. 96/20/0323).
Da sich sohin bereits aus der ergänzten Beschwerde ergibt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
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