VwGH 96/20/0170

VwGH96/20/017011.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des Dr. P in Leitzersbrunn, vertreten durch Dr. Erhard Mack und Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwälte in Korneuburg, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. Jänner 1996, Zl. Wa-188/95, betreffend Erweiterung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
WaffG 1986 §19 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
WaffG 1986 §19 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 17. Juli 1995, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Erweiterung der in seiner Waffenbesitzkarte festgesetzten Anzahl von Faustfeuerwaffen von 350 auf 450 Stück abgewiesen worden war, keine Folge gegeben.

Der Beschwerdeführer hatte seinen Antrag damit begründet, er beabsichtige, Lücken in der von ihm aufgebauten Waffensammlung zu schließen. Nachdem die belangte Behörde über Ersuchen der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg in einer Stellungnahme die beantragte Erweiterung der Waffenbesitzkarte als nicht vertretbar bezeichnet hatte, ergänzte der Beschwerdeführer in einer Äußerung die Begründung seines Antrages dahingehend, der derzeitige Berechtigungsumfang von 350 Stück habe sich für die Zielsetzung seiner Sammlung, nämlich die Darstellung der historischen und technischen Entwicklung der Faustfeuerwaffen zwischen 1800 und 1950, als nicht ausreichend erwiesen, und führte beispielhaft einige Lücken seiner Sammlung an.

Die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg gestand dem Beschwerdeführer in ihrem abweislichen Bescheid zu, als Waffensammler anerkannt zu sein. Die beantragte Erweiterung um 100 Stück, "was eine Erhöhung um fast ein Drittel der bereits bisher genehmigten Anzahl darstellen würde", stehe jedoch in keinem angemessenen Verhältnis zu der bereits bewilligten Anzahl und könne daher wegen sicherheitspolizeilicher Bedenken nicht mehr befürwortet werden.

In seiner fristgerecht erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer zu den genannten sicherheitspolizeilichen Bedenken aus, dieses Risiko werde durch einen Besitzstand von 450 gegenüber 350 Stück "praktisch gesehen" nicht erhöht, was umsomehr gelte, "als es sich bei den zu schließenden Lücken der Sammlung vorwiegend um Modelle aus dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts handelt, deren Gebrauchsfähigkeit auf Grund ihrer Technik, des altersbedingten Zustandes sowie des Umstandes, daß vielfach die zugehörige Munition seit langem nicht mehr gefertigt wird, stark eingeschränkt ist".

Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren ein waffentechnisches Amtssachverständigengutachten ihrer kriminaltechnischen Untersuchungsstelle zur Frage, wie viele der im Besitz des Beschwerdeführers befindlichen Faustfeuerwaffen als "historisch" bezeichnet werden könnten, ein. Der Sachverständige führte dazu aus,

"daß die überwiegende Anzahl der gesammelten Faustfeuerwaffen im tadellosen Zustand sind und funktionsfähig sein dürften. Dieser Schluß ist anhand des äußeren Waffenzustandes und aufgrund des gepflegten Waffengesamtbildes zulässig.

Derzeit ist (der Beschwerdeführer) laut Waffenliste im Besitz von 352 Stück Faustfeuerwaffen. Hievon sind:

Als "herkömmliche Gebrauchsfaustfeuerwaffen" etwa 227 Stk, als "historische Faustfeuerwaffen" etwa 125 Stück Faustfeuerwaffen zu bezeichnen.

Von den 227 Stk gebräuchlichen Faustfeuerwaffen sind etwa 177 Stk FFW mit den Modelljahresbezeichnungen von 1890 bis ca. 1945 und ca 50 Stk neueren Ursprungs. Für alle gezählten 225 Stk Gebrauchsfaustfeuerwaffen ist die zugehörige Munition (Patronen oder das Perkussionskaliber) im Waffenhandel erhältlich.

Als herkömmliche Gebrauchsfaustfeuerwaffen wurden vom Amts-SV jene Faustfeuerwaffen (Revolver und Pistolen) eingestuft bzw anhand der Faustfeuerwaffenliste des Waffenaktes gezählt, die heutzutage noch gebräuchlich sind oder für Straftaten (Vergehen und Verbrechen) in den letzten Jahren Verwendung gefunden haben.

Als "historische FFW" wurden vom Amts-SV jene etwa 125 Stk Faustfeuerwaffen eingestuft, für die keine herkömmlichen Munitionssorten (Zentral- und Randfeuerpatronen oder Vorderladegeschosse) im Handel erhältlich sind oder alte Modelle, die aufgrund ihrer Bauart oder ihres besonderen Sammelwertes in der Regel für Straftaten nicht verwendbar erscheinen. Auch wurden FFW hinzugezählt, die anhand der übermittelten Waffenliste nicht eindeutig identifizierbar waren.

Bei restriktiver Auslegung des Waffengesetzes würden als "historische Faustfeuerwaffen" nur jene Schußwaffen zu bezeichnen sein, die in den Ausnahmebestimmungen des § 30 Abs 1 Ziff 1 und 2 WaffG 1986 angeführt sind (Steinschloß-, Radschloß- und Luntenschloßpistolen oder Faustfeuerwaffen die vor 1871 erzeugt worden sind).

Die Waffensammlung des (Beschwerdeführers) ist nach Ländern gegliedert. Hievon sind der überwiegende Teil der Sammlung Deutschland und anderen europäischen Ländern, Rußland bzw Ostblock und den USA zuzuordnen."

Dem Beschwerdeführer wurde dieses Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt, worauf dieser darauf hinwies, daß die Waffen, die er zur Ergänzung seiner Sammlung anschaffen (im Original nicht hervorgehoben) wolle, vorwiegend "historische Waffen" (Anführungszeichen im Original) nach der Definition des Amtssachverständigen sowie technisch ebenfalls überholte Faustfeuerwaffen aus der Zeit von der Jahrhundertwende bis zum

1. Weltkrieg seien.

In ihrem nunmehr angefochtenen Bescheid verneinte die belangte Behörde das Vorliegen eines gerechtfertigten Interesses des Beschwerdeführers an der Erweiterung seiner Waffenbesitzkarte auf 450 Stück, da lediglich etwa 150 Stück der Faustfeuerwaffen aus der Sammlung des Beschwerdeführers als "historisch" (Anführungszeichen im Original) zu bezeichnen seien, von den übrigen etwa 227 Stück 177 Stück Faustfeuerwaffen "heutzutage noch gebräuchlich sind und auch für Straftaten in den letzten Jahren Verwendung gefunden haben", somit nicht dem vom Beschwerdeführer ursprünglich dargelegten Interesse an historischen Waffen zugeordnet werden könnten, sondern Modelljahresbezeichnungen von 1890 bis ca. 1945 aufwiesen, sowie ca. 50 Stück Faustfeuerwaffen überhaupt neueren Ursprungs seien. Die belangte Behörde vertrat dabei den Standpunkt, vom Beschwerdeführer könne auch die Veräußerung der nicht der entsprechenden Epoche zuordenbaren Waffen erwartet werden.

In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, der von der belangten Behörde vorgenommenen Unterscheidung in "historische Faustfeuerwaffen" und "herkömmliche Gebrauchsfeuerwaffen" komme von Gesetzes wegen keine Bedeutung zu. Bei den rund 50 Faustfeuerwaffen aus der Zeit nach 1950 handle es sich um Nachbauten von Modellen, deren Ursprung bis ins Jahr 1910 zurückreiche. Weiters bekräftigt der Beschwerdeführer die Ernsthaftigkeit seiner Sammeltätigkeit, weshalb ihm die beantragte Erweiterung der Waffenbesitzkarte zu bewilligen sei.

Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift unter anderem abermals darauf hingewiesen, daß nach den Feststellungen des Sachverständigen ca. 50 Stück Faustfeuerwaffen hinsichtlich der Modelljahresbezeichnungen neueren Ursprungs seien und somit nicht jenem Zeitraum zugerechnet werden könnten, dessen Darstellung der historischen und technischen Entwicklung der Beschwerdeführer als sein Interesse am Sammeln dargestellt habe.

Sowohl der Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde erstatteten unaufgefordert je eine weitere Äußerung, wobei der Beschwerdeführer den Standpunkt vertritt, bei den ca. 50 Stück Faustfeuerwaffen mit Modelljahresbezeichnungen nach 1945 handle es sich dennoch um Originalnachbauten von Modellen, deren Ursprung bis in das letzte Jahrhundert zurückreiche, lediglich der Herstellungszeitpunkt dieser Waffen sei später, doch könne man diesen Waffen die historische Bedeutung nicht absprechen; die belangte Behörde hält dem entgegen, das Modelljahr einer Waffe definiere das Konstruktionsjahr des Prototyps bzw. das Jahr der Herstellung des ersten Stückes eines bestimmten Modelles, dieser Begriff der Modelljahresbezeichnung sei unmißverständlich und stelle geradezu den Gegensatz zum Herstellung- bzw. Erzeugungsjahr einer bestimmten Waffe dar, was gerade dem sachkundigen Beschwerdeführer bekannt sein müsse.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 19 WaffG 1986 lautet:

"(1) Im Waffenpaß und in der Waffenbesitzkarte ist die Anzahl der Faustfeuerwaffen, die der Inhaber dieser Urkunden besitzen darf, festzusetzen.

(2) Die Anzahl der Faustfeuerwaffen ist grundsätzlich mit nicht mehr als zwei festzusetzen. Bei Vorliegen rücksichtswürdiger Umstände kann der Besitz einer größeren Anzahl von Faustfeuerwaffen erlaubt werden. Hiebei sind insbesondere Personen zu berücksichtigen, die ein sachlich gerechtfertigtes Interesse am Sammeln von Faustfeuerwaffen glaubwürdig darlegen oder aus schießsportlichen Gründen einen Bedarf zum Besitz von mehr als zwei Faustfeuerwaffen nachweisen."

Voraussetzung der von § 19 Abs. 2 WaffG vorgesehenen Ermessensübung ist also das Vorliegen rücksichtswürdiger Umstände. Diese hat der Beschwerdeführer, dem die Behörde die Eigenschaft als "anerkannter Waffensammler" zubilligt, mit seinem Interesse an der Vervollständigung seiner Sammlung zur Darstellung der historischen und technischen Entwicklung der Faustfeuerwaffen zwischen 1800 und 1950 sowie damit begründet, daß sich der derzeitige Berechtigungsumfang seiner waffenrechtlichen Urkunden (beschränkt auf eine Gesamtanzahl von 350 Stück) als dafür nicht ausreichend erwiesen habe. Ein sachlich gerechtfertigtes Interesse am Sammeln von nicht diesem Zeitraum zuordenbaren Faustfeuerwaffen neueren Ursprungs hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren weder behauptet noch dargelegt, daß die Ansammlung derartiger Modelle mit seinem Sammlerinteresse in einem untrennbaren Zusammenhang stünde.

Die Behauptung in seiner Beschwerdeschrift, die festgestellten ca. 50 Stück Faustfeuerwaffen mit Modelljahresbezeichnungen "neueren Ursprungs" seien lediglich Nachbauten historischer Modelle, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar. Der Verwaltungsgerichtshof teilt im übrigen die Ansicht der belangten Behörde, wonach die "Modelljahresbezeichnung" nicht das Erzeugungsdatum, sondern regelmäßig das Konstruktionsjahr des Prototyps einer Waffe bedeute (vgl. dazu auch die jeweiligen Eintragungen in Lampel/Mahrholdt, Waffenlexikon9 (1981); vgl. weiters Rohla, Ferdinand Ritter von Mannlicher und der Einfluß seiner Erfindungen auf die Produktion der "österreichischen Waffenfabriksaktiengesellschaft", Linzer sozialwissenschaftliche Diplomarbeit (1988) passim, insbesondere 67 ff, 74 f, 78). Entscheidend für die sogenannte Modelljahresbezeichnung ist somit der Zeitpunkt, zu dem ein Modell entwickelt wurde (vgl. etwa Hennig, Die Waffen-Sachkundeprüfung in Frage und Antwort (für Sportschützen, Waffenscheinbewerber, Freizeitkapitäne, Waffensammler)9 (1986) 140).

Auch die Ausweitung einer schon bestehenden Berechtigung zum Besitz für eine größere Anzahl von Waffen zugunsten eines "anerkannten Waffensammlers" gemäß § 19 Abs. 2 WaffG 1986 setzt - vor Ausübung eines den Behörden eingeräumten Ermessens - zunächst das Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Interesses am Sammeln weiterer Objekte voraus sowie die glaubwürdige Darlegung, daß mit dem bislang gewährten Berechtigungsumfang nicht das Auslangen gefunden werden kann. Ein solches begründetes Interesse wird beispielsweise vorliegen, wenn der Sammler waffentechnische oder wissenschaftliche Studien betreibt oder bereits eine größere kulturhistorisch wertvolle Waffensammlung besitzt, die einer vernünftigen und sinnvollen Ergänzung durch konkret anzugebende bestimmte Einzelstücke bedarf und die aufgrund des vorhandenen Berechtigungsumfanges nicht erworben werden könnten. Ob und inwieweit bei Vorliegen eines derart nachgewiesenen Interesses einer Ausweitung des Berechtigungsumfanges dennoch sicherheitspolizeiliche Erwägungen entgegenstehen, hat die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Nach den zugrundezulegenden Feststellungen besitzt der Beschwerdeführer ca. 50 Stück Faustfeuerwaffen, für die er ein sachlich gerechtfertigtes Interesse am Sammeln nicht aufweist, da sie nicht der von ihm angegebenen und der behördlichen Erlaubnis zum Besitz zugrundegelegten Zielrichtung seiner Sammlung zugehören. Damit ist die Ansicht der belangten Behörde, rücksichtswürdige Umstände für eine Erweiterung der Waffenbesitzkarte des Beschwerdeführers auf 450 Stück Faustfeuerwaffen lägen jedenfalls solange nicht vor, als der Beschwerdeführer auch über außerhalb seines Sammelinteresses befindliche Faustfeuerwaffen verfüge, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Soweit der Beschwerdeführer einwendet, es sei unzulässig, ihn zu einem Verkauf von schon erworbenen Faustfeuerwaffen zu "zwingen", um neue Sammlerobjekte ankaufen zu können, ist ihm zu entgegnen, daß ein gerechtfertigtes Interesse an der Erweiterung einer Waffensammlung eben nur dann angenommen werden kann, wenn sämtliche im Besitz des Beschwerdeführers befindliche Waffen gemäß § 19 Abs. 2 WaffG 1986 vom sachlich begründeten Zweck der Waffensammlung erfaßt sind. Dieser bestand nach seinen Ausführungen im Verwaltungsverfahren in der Darstellung und dem Erwerb von Modellen aus der Zeit vor 1950. Daß die Anschaffung von 50 Stück Faustfeuerwaffen der Erweiterung der Waffensammlung nicht gerecht würde, ist nicht ersichtlich und wird auch in der Beschwerde nicht konkret behauptet. Dem Beschwerdeführer obläge es aber, derartige Umstände glaubwürdig darzulegen und Nachweise zu erbringen. Ginge man überdies von dem Vorbringen in der Beschwerde aus, daß sich in der ermittelten Anzahl der Waffen des Beschwerdeführers eine erhebliche Anzahl befindet, die keiner behördlichen Erlaubnis bedarf, wäre der behauptete Bedarf an einer Ausweitung der Berechtigung zum Waffenbesitz umso weniger nachvollziehbar.

Die Beschwerde war schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, womit sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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