VwGH 96/19/2878

VwGH96/19/287812.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über den Antrag des Z in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Februar 1996, Zl. 305.136/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt.

Begründung

Dem Antragsvorbringen zufolge wurde der nunmehr bekämpfte Bescheid dem Vertreter des Beschwerdeführers am 18. März 1996 zugestellt. Das Ende der sechswöchigen Beschwerdefrist sei von der Kanzleileiterin in das Fristenbuch mit Datum 29. April 1996 eingetragen worden.

Die Beschwerde sei auch dem Ende der Beschwerdefrist mit 29. April 1996 entsprechend geschrieben und unterfertigt, jedoch erst am 30. April 1996 zur Post gegeben worden, weshalb der Verwaltungsgerichtshof sie mit Beschluß vom 30. Mai 1996, Zl. 96/19/1299, als verspätet zurückgewiesen habe.

Dieser Beschluß sei dem Vertreter des Beschwerdeführers am 24. September 1996 zugestellt worden, mit welchem Datum der einschreitende Rechtsanwalt bemerkt habe, daß die Beschwerde einen Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zur Post gegeben worden sei. Die zweiwöchige Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages sei durch die am 2. Oktober 1996 neuerlich eingebrachte Beschwerde gemäß § 46 Abs. 1 VwGG gewahrt.

Diese Fristversäumung stelle für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, da die "Fristenverwaltung" und Postabfertigung durch die "Kanzleileitung" unter Aufsicht des einschreitenden Rechtsanwaltes selbständig durchgeführt werde und nunmehr seit mehr als 6 Jahren ohne jede Fristversäumung erfolge. Diesem Vorbringen des Beschwerdevertreters entspricht eine vorgelegte eidesstattliche Erklärung der bei diesem seit 2. September 1991 beschäftigten Kanzleileiterin.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die für den Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an den beruflich rechtskundigen Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. den hg. Beschluß vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0632).

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das durch Vorlage einer eidesstättigen Erklärung der Kanzleileiterin des Beschwerdevertreters bescheinigte Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Das Verhalten der Kanzleileiterin des Vertreters des Beschwerdeführers ist ein unvorhergesehenes Ereignis, durch welches dieser ohne sein Verschulden gehindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 650, angeführte Rechtsprechung). Ein Verschulden des Vertreters trifft zwar auch die von ihm vertretene Partei (vgl. die bei Dolp, a.a.O., 656, angeführte Rechtsprechung). Ein Rechtsanwalt mit einem ordnungsmäßigen Kanzleibetrieb darf sich jedoch im allgemeinen, solange er nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zu persönlicher Aufsicht und zu Kontrollmaßnahmen genötigt wird, darauf verlassen, daß seine Kanzleileiterin, der eine fristgerecht diktierte, mit allen Beilagen versehene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde übergeben wird, diese auch innerhalb der von ihr vermerkten und vom Rechtsanwalt kontrollierten Frist zur Post gibt. Dem Vertreter des Antragstellers kann somit ein (grober) Sorgfaltsverstoß im Sinne einer mangelhaften Überwachung seines Kanzleibetriebes jedenfalls nicht angelastet werden, weshalb die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen war.

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