VwGH 96/19/0333

VwGH96/19/033326.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Juli 1995, Zl. 115.045/2-III/11/95, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §3;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §3;
AufG 1992 §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Juli 1995 wurde der am 4. Juli 1994 gestellte Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter anderem gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 6 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen. Begründend nahm die belangte Behörde an, die Antragstellerin sei nach der auf ihren eigenen Angaben bestehenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk, gültig vom 29. April 1994 bis 29. Juli 1994, nach Österreich eingereist. Es sei ein weiterer Touristensichtvermerk, gültig vom 21. Juli 1994 bis 21. Okober 1994, von der Österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellt worden.

Es liege der Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor, weshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen sei.

Die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG stelle einen zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 MRK dar, es erübrige sich jedes weitere Eingehen darauf.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin tritt der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach sie mit einem Touristensichtvermerk eingereist sei, nicht entgegen. Sie bringt selbst vor, daß sie sich in Österreich bei ihrem Gatten aufhält.

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 FrG vorliegt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn dieser zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen soll. Ein nahtloser Anschluß an das Ende der Gültigkeitsdauer des Touristensichtvermerkes ist zur Verwirklichung dieses Versagungstatbestandes nicht erforderlich. Andernfalls hätte es ein Sichtvermerkswerber in der Hand, sich des Versagungsgrundes durch die Wahl des Zeitpunktes der Antragstellung zu entziehen (vgl. aus vielen die hg. Erkenntnisse vom 29. Juli 1993, Zl. 93/18/0293, und vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0657). Da im vorliegenden Fall der Sichtvermerk - wenn auch nicht nahtlos - an einen Touristensichtvermerk anschließen soll, ist der Versagungstatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gegeben. Der Sichtvermerksversagungsgrund kommt jedenfalls dann zum Tragen, wenn die Beschwerdeführerin sich sowohl während der Gültigkeitsdauer der erteilten Touristensichtvermerke als auch daran anschließend in einer an die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland gleichzuhaltenden Weise im Bundesgebiet aufhält, anstatt das Verfahren über ihren Antrag im Ausland abzuwarten. Eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden kommt bei einer auf diese Bestimmung gestützten Entscheidung nicht in Betracht (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 6. Oktober 1994, Zl. 94/18/0640, und vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1404, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, B 338/93, B 445/93).

Insoweit die Beschwerdeführerin auf ihre Ehe mit einem in Österreich geborenen, ununterbrochen hier lebenden Fremden hinweist, welcher über eine unbefristete "Aufenthaltsberechtigung", über einen "langfristigen Befreiungsschein" und einen "sicheren Arbeitsplatz" verfüge, ist ihr zu entgegnen, daß der Hinweis offenbar auch auf die Anwendung des § 3 AufG abzielt. Dieser Paragraph räumt Angehörigen der in § 3 Abs. 1 Z. 1 und 2 AufG angeführten Personen aber nur dann ein subjektives Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, wenn dem nicht - wie im Fall der Beschwerdeführerin - ein Ausschließungsgrund nach § 5 Abs. 1 AufG entgegensteht.

Insofern die Beschwerdeführerin sich auf das "Assoziationsabkommen EWG-Türkei" und den "dazu ergangenen Assoziationsbeschluß Nr. 1/80" stützt, ist ihr zu entgegnen, daß es dahingestellt bleiben kann, ob der Beschwerdeführerin auf Grund der von ihr herangezogenen Rechtsvorschriften eine Aufenthaltsberechtigung zukommt.

Denn gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG benötigen Fremde, wenn sie auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages, unmittelbar anwendbarer Rechtsakte der Europäischen Union oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen, keine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Träfen die von der Beschwerdeführerin behaupteten Tatsachenvoraussetzungen zu, käme ihr auf Grund der von ihr behaupteten Rechtsgrundlagen ein Aufenthaltsrecht zu, ohne daß es einer Bewilligung im Sinne des Aufenthaltsgesetzes bedürfte.

In dieses Aufenthaltsrecht wäre durch den bekämpften Bescheid nicht eingegriffen worden. Die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin in Ansehung der ihr - allenfalls - durch das Gemeinschaftsrecht eingeräumten Berechtigung zum Aufenthalt ist von der Zugehörigkeit des angefochtenen Bescheides zum Rechtsbestand unabhängig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1996, Zlen. 95/19/0424 und 95/19/1161, u.a.).

Insofern sich die Beschwerdeführerin auch in ihrem Recht auf "Anerkennung ihrer europarechtlichen Aufenthaltsberechtigung" bzw. auf "Feststellung der Aufenthaltsberechtigung" verletzt erachtet, ist ihr einerseits zu entgegnen, daß sie - unbestrittenermaßen - einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt hat, worüber die Behörde erster Instanz abgesprochen hat. Der in der Berufung gestellte Antrag, "den Erstbescheid dahingehend abzuändern, daß festgestellt wird, daß die Berufungswerberin in Österreich aufenthaltsberechtigt ist", war daher nicht Sache des Berufungsverfahrens. Anderseits ist es auch nicht Sache des verwaltungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahrens, über Anträge zu erkennen, über welche die belangte Behörde nicht abgesprochen hat. Aus verfahrensökonomischen Gründen wird die Beschwerdeführerin aber darauf hingewiesen, daß auf Fremde, welche die Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 3 AufG erfüllen, das Fremdengesetz Anwendung findet, solange der Ausnahmetatbestand aufrecht ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1661, u.a.).

Da die belangte Behörde sohin zu Recht von der Anwendbarkeit des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ausgegangen ist, erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Inhalt der Beschwerde läßt erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

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