VwGH 96/18/0512

VwGH96/18/051218.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. September 1996, Zl. SD 279/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §90;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
ABGB §90;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. September 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 11. Februar 1990 mit einem von der österreichischen Botschaft in Kairo ausgestellten und bis 2. März 1990 gültigen Sichtvermerk nach Österreich eingereist. Vom 12. März 1990 bis 31. August 1992 habe der Beschwerdeführer Sichtvermerke erhalten. Ein von ihm am 3. September 1992 bei der Bundespolizeidirektion Wien gestellter Sichtvermerksantrag sei nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes an die danach zuständige Behörde weitergeleitet worden. Diesen Antrag hätten der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 25. August 1994 und der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 13. September 1995 abgewiesen. Der Beschwerdeführer befinde sich daher nicht rechtmäßig im Bundesgebiet.

Gemäß § 17 Abs. 1 FrG seien Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten; hiebei sei auf § 19 FrG Bedacht zu nehmen.

Im Hinblick auf den durch Sichtvermerke gerechtfertigten ca. zweijährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und im Hinblick auf seine ebenfalls in Österreich aufhältige Ehegattin sei von einem durch die Ausweisung bewirkten Eingriff in das Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch im Grunde des § 19 FrG zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier: ein geordnetes Fremdenwesen als Teil der öffentlichen Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen) dringend geboten sei. Dringend geboten sei diese Maßnahme, weil sich der Beschwerdeführer schon seit 1992, zumindest aber seit zwei Jahren illegal in Österreich aufhalte. Die Ausweisung verfolge nur den Zweck, den Beschwerdeführer zu verhalten, den illegalen Zustand durch seine Ausreise zu beenden.

Das Dringend-geboten-sein gründe sich auch darauf, daß der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 16. September 1993 wegen geschlechtlicher Nötigung (§ 202 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt worden sei. Außerdem sei der Beschwerdeführer wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung (Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung zu sein) und wegen seines illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes bestraft worden. Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers würde daher auch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen.

Die vom Beschwerdeführer gegen den erwähnten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. September 1995 eingebrachte Beschwerde stehe jedenfalls der Erlassung des Ausweisungsbescheides nicht entgegen, zumal dieser Verwaltungsgerichtshofbeschwerde - wie der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 12. August 1996 der belangten Behörde mitgeteilt habe - aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt worden sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Auffassung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei, stößt im Hinblick auf die in der Beschwerde unbestritten gebliebenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen auf keine Bedenken.

2.1. Ungeachtet der somit zu bejahenden Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG hält die Beschwerde die Ausweisung im Grunde des § 19 FrG nicht für "dringend geboten".

Der Beschwerdeführer habe sich, nachdem sein mehrfach verlängerter Sichtvermerk nicht weiter verlängert worden sei - obwohl er vollständig in Österreich integriert sei und auch seine Frau hier lebe - weiterhin in Österreich aufgehalten, um seine Familie zu ernähren; er könne seiner Unterhaltsverpflichtung sowie seiner Verpflichtung zum Beistand gegenüber seiner Ehefrau nur in Österreich nachkommen, da "der Beistand vielfach unmittelbare faktische Hilfeleistungen erfordert und eine Unterhaltsleistung etwa aus Ägypten in einer Höhe, von der seine Ehefrau in Österreich leben kann, praktisch unmöglich erarbeitet werden" könnte.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Der Beschwerdeführer kann seiner Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt gegenüber seiner Ehefrau auch vom Ausland aus nachkommen. Dies gilt auch für seine Verpflichtung zum Beistand gegenüber seiner Ehefrau. Die von der Beschwerde ins Treffen geführte mögliche faktische Beschränkung seiner Leistungsfähigkeit nach seiner Ausreise aus Österreich steht der Ausweisung - entgegen der Beschwerdemeinung - nicht entgegen, weil es sich dabei um eine mittelbare Folge der mit der Ausweisung verbundenen Verpflichtung zur Ausreise handelt, der der Beschwerdeführer jedenfalls nachzukommen hat. Weiters kann der Beschwerdeführer seinen Verpflichtungen aus der Ehe gegenüber seiner Frau - was in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen wird - grundsätzlich im Ausland nachkommen, soferne sich seine Frau dorthin begibt (vgl. das die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes betreffende, aber hinsichtlich der Sorgepflichten für Familienangehörige von Fremden vergleichbare hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/1222).

3.1. Weiters könne nach Auffassung der Beschwerde wegen der bedingten Verurteilung des Beschwerdeführers von einem Dringend-geboten-sein der Ausweisung keine Rede sein. Es stelle eine "unauflösliche Wertungsdiskrepanz dar, wenn einerseits eine Tat geringfügig ist, daß sie weder aus spezial-, noch aus generalpräventiven Gründen eine unbedingte Strafe nach sich zu ziehen braucht, auf der anderen Seite aber dieselbe vergleichsweise geringfügige Straftat eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen läßt".

Dieses Vorbringen zeigt ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

3.2.1. Die Beschwerde läßt unbestritten, daß dem Beschwerdeführer nach Ablauf seines letzten gültigen Sichtvermerks mit 31. August 1992 keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zukam. Der Beschwerdeführer hat sich somit weit mehr als die Hälfte der Dauer seines Aufenthaltes in Österreich - nämlich etwa vier Jahre bei einer Dauer von insgesamt etwa sechs Jahren und acht Monaten - unrechtmäßig in Österreich aufgehalten. Wenngleich mit der Ausweisung - wovon der angefochtene Bescheid ausgeht - ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 19 FrG verbunden ist, ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie trotz des etwa zweieinhalbjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und trotz des Aufenthaltes seiner Ehefrau im Bundesgebiet zu dem Ergebnis des Dringend-geboten-seins der Ausweisung gelangt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt nämlich der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0372, mwH). Diese Regelungen wurden vom Beschwerdeführer in gravierender Weise mißachtet. Zu seinen Ungunsten fällt - abgesehen von der langen Dauer seines unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich - weiters ins Gewicht, daß er seinen unrechtmäßigen Aufenthalt ungeachtet einer deswegen erfolgten (in der Beschwerde unbestritten gebliebenen) Bestrafung und auch ungeachtet der (ebenfalls nicht bestrittenen) rechtskräftigen Abweisung seines Antrages nach dem Aufenthaltsgesetz fortgesetzt hat. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens ist von solchem Gewicht, daß die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten sind als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet.

3.2.2. Dieses Abwägungsergebnis wird durch die im angefochtenen Bescheid angeführte strafgerichtliche Verurteilung und dort genannte verwaltungsbehördliche Bestrafung nach dem KFG 1967 - die in der Beschwerde ebenfalls unbestritten geblieben sind - bekräftigt. Das dem zugrundeliegende Verhalten des Beschwerdeführers läuft den in Art. 8 Abs.2 MRK genannten öffentlichen Interessen (hier:

öffentliche Ruhe und Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Moral und Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) ebenfalls gravierend zuwider. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges, ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung zu sein (§ 64 Abs. 1 KFG), ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) FrG zu werten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl.94/18/0656, mwH). Entgegen der Beschwerdemeinung hatte die belangte Behörde die im angefochtenen Bescheid angeführte strafgerichtliche Verurteilung auch eigenständig aus dem Blickwinkel des FrG zu beurteilen, wobei sie - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - an die Erwägungen, die das Gericht veranlaßt haben, eine bedingte Strafnachsicht zu gewähren, nicht gebunden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/0896, mwH).

3.2.3. Aus all dem folgt, daß die belangte Behörde zutreffend angenommen hat, daß das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers seine gegenläufigen privaten und familiären Interessen überwiegt.

4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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