VwGH 96/18/0511

VwGH96/18/051128.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. Oktober 1996, Zl. SD 952/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;
AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. Oktober 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit für die Erledigung der Beschwerde von Belang - folgendes aus: Der Beschwerdeführer sei am 24. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 26. Februar 1992 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Einen Tag später habe er einen Sichtvermerksantrag gestellt und aufgrund seiner Ehe einen bis 20. Februar 1994 gültig gewesenen Sichtvermerk erhalten. Antragsgemäß sei dem Beschwerdeführer in der Folge auch ein Befreiungsschein (mit Gültigkeit bis 17. März 1994) ausgestellt worden.

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 17. März 1994 sei die Ehe des Beschwerdeführers für nichtig erklärt worden (§ 23 Ehegesetz). Aus den Entscheidungsgründen des Urteils ergebe sich, daß der Beschwerdeführer die Ehe nur deshalb geschlossen habe, um sich eine Aufenthaltsberechtigung und eine Beschäftigungsbewilligung zu verschaffen.

Auf dem Boden der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne ein Aufenthaltsverbot rechtens ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten. Im vorliegenden Fall sei das im Grunde dieser Gesetzesstelle relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - daß diese vom Gericht rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei, bleibe in der Berufung unbestritten - zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen zu erblicken. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handle es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzusetzendes Verhalten, das eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 leg. cit. entgegenstünden.

Diesbezüglich sei zunächst festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers ebenso wie seine Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin basierten. Selbst wenn man unbeschadet dessen dennoch einen im Grunde des § 19 leg. cit. relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers annehmen wolle, so wäre damit für ihn nichts gewonnen. Denn diesfalls wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen.

Bei Annahme eines Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG wäre die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen. Da weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers hätten festgestellt werden können und auch das Ausmaß seiner Integration im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien, nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sei, würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Sohin sei das Aufenthaltsverbot zurecht erlassen worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung von fremdenrechtlich bedeutsamen Berechtigungen als Rechtsmißbrauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und solcherart die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 23. Mai 1996, Zl. 96/18/0185, und vom 6. September 1996, Zl. 96/18/0365). Auch die Ansicht der belangten Behörde, daß die rechtsmißbräuchliche Eheschließung - für den Fall der Annahme eines relevanten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers i.S. des § 19 FrG - zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig mache, entspricht der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die beiden vorzitierten Erkenntnisse).

2. Nach Auffassung der Beschwerde hätte die belangte Behörde die "Tatsache der Scheinehe" selbst zu überprüfen gehabt. Sie hätte sich nicht auf die Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung verlassen dürfen, dies umso mehr als das "Ehenichtigkeitsverfahren aufgrund der schlechten finanziellen Situation des Beschwerdeführers nicht im Instanzenzug angefochten werden konnte".

Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen die Richtigkeit der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung, die Ehe des Beschwerdeführers sei mit der Begründung rechtskräftig für nichtig erklärt worden, daß sie von ihm nur zum Zweck der Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung und einer Aufenthaltsbewilligung geschlossen worden sei, nicht in Abrede stellt, begegnet es keinen Bedenken, daß die belangte Behörde unter Verwertung des Beweismittels des Ehenichtigkeitsurteiles den bezeichneten Zweck der Eheschließung als erwiesen angenommen und daraus den Schluß auf das Vorliegen einer rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe gezogen hat (vgl. auch dazu die beiden vorzitierten hg. Erkenntnisse).

3. Die Beschwerde rügt weiters, daß erst mehr als zwei Jahre nach der Nichtigerklärung der Ehe der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich als Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit angesehen worden sei, wobei keine konkreten Tatsachen festgestellt worden seien, "inwiefern sich eine Gefährdung ausdrücken sollte".

Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde in der von ihr als erwiesen angenommenen Tatsache, daß der Beschwerdeführer die Ehe allein zum Zweck der Verschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossen habe, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens erblickt hat. Diese Beurteilung steht, wie oben

II. 1. dargetan, mit der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes in Einklang. Daß seit der Nichtigerklärung der Ehe mehr als zwei Jahre - ein im gegebenen Zusammenhang keineswegs langer Zeitraum - verstrichen sind, ändert daran nichts.

4. Schließlich wirft die Beschwerde der belangten Behörde vor, es sei unberücksichtigt geblieben, daß der "Familienverband des Beschwerdeführers" in Österreich aufhältig sei. Ein Aufenthaltsverbot sei daher nicht gerechtfertigt.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei diesem Einwand um ein erstmals in der Beschwerde erstattetes und daher unzulässiges Vorbringen handelt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) - in der Begründung des bekämpften Bescheides findet sich die Aussage, daß "weder familiäre ... Bindungen des Berufungswerbers festgestellt werden können" -, denn, wie an anderer Stelle der Beschwerde angeführt wird, ist unter dem besagten "Familienverband" der Bruder (samt Familie) des Beschwerdeführers zu verstehen. Die Beziehung zu solchen Angehörigen aber - mit denen zusammenzuleben er nicht behauptet - ist nicht vom Begriff des "Familienlebens" i.S. des § 19 FrG erfaßt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. November 1996, Zl. 96/18/0469 mwN). Daraus folgt, daß auch eine Bedachtnahme auf diese familiäre Beziehung bei der unter der Voraussetzung der Annahme eines relevanten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers gebotenen Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG zu keinem anderen (für ihn günstigen) Ergebnis geführt hätte.

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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