VwGH 96/18/0115

VwGH96/18/011518.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Jänner 1996, Zl. SD 975/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;
AufG 1992 §12;
FrG 1993 §17 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;
AufG 1992 §12;
FrG 1993 §17 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Jänner 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Dem im Oktober 1992 erstmals (sichtvermerksfrei) in das Bundesgebiet eingereisten Beschwerdeführer seien - zuletzt bis 30. Oktober 1993 gültige - Sichtvermerke für die mehrmalige Wiedereinreise erteilt worden. Danach habe er eine Aufenthaltsbewilligung bis 25. November 1994 erhalten, sein Antrag vom 20. Oktober 1994 auf Verlängerung dieser Bewilligung sei jedoch rechtkräftig abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer berufe sich nunmehr darauf, daß er vor dem 1. Juli 1993 mit einem sogenannten BHR-Paß der Republik Jugoslawien in das Bundesgebiet eingereist wäre und ihm demnach ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Sinne der zu § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangenen Verordnung zustünde. Dies treffe jedoch nicht zu. Wie dargelegt, sei der Beschwerdeführer im Oktober 1992 sichtvermerksfrei eingereist und habe mehrmals einen Sichtvermerksantrag gestellt. Für die belangte Behörde sei jedenfalls nicht erkennbar, daß er seine Heimat (Bosnien-Herzegowina) wegen der bewaffneten Konflikte habe verlassen müssen.

Darüber hinaus fänden sich im Reisepaß des Beschwerdeführers mehrere Grenzkontrollstempel aus dem Jahre 1993. Es sei demnach durchaus der Schluß zulässig, daß der Beschwerdeführer nach seiner Einreise in das Bundesgebiet anderweitig Schutz gefunden habe, wofür auch der Umstand spreche, daß er nunmehr im Besitz eines Reisepasses der Jugoslawischen Föderation sei.

Was die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 19 leg. cit. betreffe, so wären die in Österreich lebenden Geschwister des Beschwerdeführers nur dann vom Schutzbereich des § 19 leg. cit. erfaßt gewesen, wenn sie mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt gelebt hätten, wofür sich jedoch im Akt keinerlei Hinweise fänden. Aufgrund des relativ kurzen und zum Teil illegalen Aufenthaltes könne sich der Beschwerdeführer auch nicht mit Erfolg auf einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben berufen.

Selbst unter der Annahme eines Eingriffes in sein Privat- und Familienleben wäre die Ausweisung des Beschwerdeführers aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme im Grunde des § 19 leg. cit. zulässig gewesen. Der beinahe einjährige unrechtmäßige Aufenthalt, vor allem aber auch das weitere Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nach und trotz der Abweisung seines Antrages nach dem Aufenthaltsgesetz, gefährde die öffentliche Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, in hohem Maß. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Sohin erweise sich die Ausweisung des Beschwerdeführers auch im Grunde des § 19 leg. cit. als zulässig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bekämpft die Ansicht der belangten Behörde, daß er sich zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Seine "praktisch zeitgleich mit dem Ausbruch des bewaffneten Konfliktes in Jugoslawien" erfolgte Einreise mache deutlich, daß er "aufgrund der Unmöglichkeit in Bosnien zu leben nach Österreich gelangt" sei. Er habe sich "durchgehend" in Österreich aufgehalten und "hier Schutz gefunden". Vor dem Hintergrund dessen, daß der Beschwerdeführer - nach Ausweis der Verwaltungsakten - erstmals in seiner Berufung geltend gemacht hatte, "eindeutig unter die Verordnung der Bundesregierung für bosnische Kriegsvertriebene" zu fallen, beruft er sich damit in gerade noch erkennbarer Weise auf die Regelung des § 1 Abs. 1 der - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung gestandenen - Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 389/1995, wonach Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, die aufgrund des bewaffneten Konfliktes in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukommt.

1.2. Dieses Vorbringen vermag die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen, da für die im Beschwerdefall maßgebende Frage, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung, also gemäß der mit 9. Juni 1995 in Kraft getretenen Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 vorläufig aufenthaltsberechtigt war, allein dessen zuletzt - vom Beschwerdeführer unbestritten (siehe Niederschrift vom 12. September 1995) - am 23. Juli 1993 erfolgte Einreise nach Österreich entscheidend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1996, Zl. 95/18/0469). Gemäß § 1 Abs. 2 der zitierten Verordnung kommt Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und nach dem 1. Juli 1993 eingereist sind, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde. Daß dem Beschwerdeführer die Einreise am 23. Juli 1993 aber nicht im Hinblick auf den ihm damals mit einer Gültigkeitsdauer bis 30. Oktober 1993 erteilten Sichtvermerk, sondern aufgrund der Lage in seiner Heimat "gestattet" worden sei, wie dies vom § 1 Abs. 2 der genannten Verordnung vorausgesetzt wird, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/18/0642). Die genannte Verordnung kann somit keine Grundlage für eine Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers in Österreich abgeben.

2. Da somit der Beschwerdeführer rechtens nicht in der Lage ist, sich auf ein ihm zukommendes vorübergehendes Aufenthaltsrecht für kriegsvertriebene Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina zu berufen und er im übrigen nach der unwidersprochen gebliebenen Feststellung der belangten Behörde weder über einen Sichtvermerk noch eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz verfügt, war - vorbehaltlich der Zulässigkeit des § 19 FrG - gegen ihn gemäß § 17 Abs. 1 leg.cit. die Ausweisung zu verfügen.

3. Entgegen den Beschwerdeausführungen hat die belangte Behörde die Zulässigkeit der Ausweisung am Maßstab des § 19 FrG geprüft und zutreffend das Dringend-geboten-sein dieser Maßnahme im Grunde des § 19 leg.cit. angenommen. Der etwa einjährige unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet - dies trotz der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung - gefährdet die öffentliche Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, in hohem Maß, kommt doch den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Erkenntnis vom 14. November 1996, Zl. 96/18/0367, m.w.N.).

Im Hinblick auf den zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides etwa dreieinviertel Jahre dauernden, also noch keineswegs langen, überdies von mehrfachen Ausreisen aus dem Bundesgebiet unterbrochenen und - nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens nach dem Aufenthaltsgesetz - bereits etwa ein Jahr unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich hegt der Gerichtshof keine Bedenken gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Abwägung, wonach selbst unter Annahme eines Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers das besagte maßgebliche öffentliche Interesse die Ausweisung notwendig mache.

4. Was im übrigen die Behauptung des Beschwerdeführers betrifft, er habe "auf Grund des bewaffneten Konfliktes seine komplette Existenz in Bosnien verloren", es sei ihm deshalb eine Rückkehr dorthin "nicht zumutbar" und er hätte "in Restjugoslawien unter Verfolgungshandlungen zu leiden", ist darauf hinzuweisen, daß dies im gegebenen Zusammenhang rechtlich unerheblich ist, weil mit der Ausweisung lediglich die Verpflichtung des Fremden begründet wird, Österreich zu verlassen (siehe § 22 Abs. 1 FrG), nicht aber (auch) ausgesprochen wird, daß er in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/18/1021, m.w.N.).

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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