VwGH 96/15/0195

VwGH96/15/019527.4.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der LR, Transportunternehmen in W, vertreten durch die Rechtsanwälte Hofstätter & Isola Kommandit-Partnerschaft in 8010 Graz, Marburgerkai 47, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 24. Juli 1996, B-L3-8/96, betreffend Erstattung von Vorsteuerbeträgen für den Zeitraum Jänner bis Dezember 1994, zu Recht erkannt:

Normen

ErstattungsV abziehbare Vorsteuern ausländischer Unternehmer 1993 §1;
ErstattungsV abziehbare Vorsteuern ausländischer Unternehmer 1995 §2 Abs2;
ErstattungsV abziehbare Vorsteuern ausländischer Unternehmer 1995 §3;
UStG 1972 §21 Abs11;
UStG 1994 §21 Abs9;
VwRallg;
ErstattungsV abziehbare Vorsteuern ausländischer Unternehmer 1993 §1;
ErstattungsV abziehbare Vorsteuern ausländischer Unternehmer 1995 §2 Abs2;
ErstattungsV abziehbare Vorsteuern ausländischer Unternehmer 1995 §3;
UStG 1972 §21 Abs11;
UStG 1994 §21 Abs9;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte unter Verwendung des amtlichen Formblattes am 5. Juli 1995 den - am 7. Juli 1995 beim Finanzamt eingelangten - Antrag auf Erstattung von Vorsteuerbeträgen für die Kalendermonate Jänner bis Dezember 1994.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Finanzamtes vom 2. Mai 1996 gemäß Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 23. Dezember 1993, BGBl. Nr. 882/1993, zurückgewiesen. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Antragsfrist nach der bezeichneten Verordnung am 30. Juni 1995 abgelaufen sei.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin wurde - zusammengefasst - ausgeführt, die vom Finanzamt angewendete Verordnung sei durch die Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 rückwirkend mit 31. Dezember 1994 außer Kraft gesetzt worden. Es könne daher nicht von einer Weitergeltung der Verordnung und damit auch nicht von der Präklusivfrist 30. Juni 1995 für die das Jahr 1994 betreffenden Vorsteuererstattungsanträge ausgegangen werden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung stellte die belangte Behörde zunächst das Verwaltungsgeschehen dar und führte sodann aus, strittig sei ausschließlich die Frage, ob für die Erstattung von Vorsteuerbeträgen, die in das Kalenderjahr 1994 fallen, nach dem Inkrafttreten der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 21. April 1995, BGBl. Nr. 279/1995, die Verordnung

BGBl. Nr. 882/1993 noch als Rechtsgrundlage heranzuziehen sei. Aus § 28 Abs. 2 und Abs. 5 Z. 6 UStG 1994 ergebe sich eindeutig und unmissverständlich, dass die Verordnung BGBl. Nr. 882/1993 auch nach dem 1. Jänner 1995 die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Geltendmachung und Gewährung von Erstattungsansprüchen, die im Jahr 1994 entstanden sind, darstelle. Mit der erstgenannten Bestimmung sei eine zeitliche Abgrenzung des UStG 1972 von UStG 1994 vorgenommen worden, wonach sich das anwendbare Recht nach dem Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung (Realisierung des Sachverhaltes) richte. Die zweitgenannte Bestimmung bilde die gesetzliche Grundlage für die Verordnung BGBl. Nr. 882/1993 im Geltungsbereich des UStG 1994. Die Formulierung im Art. II Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995, wonach die Verordnung BGBl. Nr. 882/1993 mit 31. Dezember 1994 außer Kraft tritt, könne daran nichts ändern. Diese Bestimmung sei nämlich im Zusammenhang mit Abs. 1 dieses Artikels zu sehen, wonach diese Verordnung mit 1. Jänner 1995 in Kraft trete und erstmals auf Vorsteuerbeträge anzuwenden sei, die in das Kalenderjahr 1995 fielen.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei die Verordnung BGBl. Nr. 882/1993 insoweit außer Kraft getreten, als nunmehr das Jahr 1994 betreffende Vorsteuererstattungsanträge auch außerhalb der Ausschlussfrist von 6 Monaten eingebracht werden könnten. Dies würde bedeuten, dass Unternehmer, die vor dem Ergehen der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 Anträge eingereicht haben, nach der Verordnung BGBl. Nr. 882/1993 behandelt würden, während Ansprüche jener Unternehmer, die die Anträge nach diesem Zeitpunkt (21. April 1995) eingereicht haben, mangels in Geltung befindlicher Verordnung nach den Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes zu beurteilen wären. Eine derart unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten, die im selben Kalenderjahr verwirklicht worden seien, sei mit dem im Abgabenrecht verankerten Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben nicht vereinbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Auslegung des Art. II der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995, strittig. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

"Artikel II

(1) Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 1995 in Kraft und ist erstmals auf Vorsteuerbeträge anzuwenden, die in das Kalenderjahr 1995 fallen.

(2) Die Verordnung BGBl. Nr. 882/1993 tritt mit 31. Dezember 1994 außer Kraft."

Die belangte Behörde kommt zum Ergebnis, dass die Verordnung BGBl. Nr. 882/1993 auch nach dem 1. Jänner 1995 die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Geltendmachung und Gewährung von Erstattungsansprüchen, die im Jahr 1994 entstanden sind, darstelle.

Demgegenüber vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, die Verordnung BGBl. Nr. 882/1993 könne ab 1. Jänner 1995 nicht mehr zur Anwendung gelangen. Zwangsläufig müsse dies auch für die im § 3 in dieser Verordnung festgelegte Antragsfrist gelten, sodass eine Vorsteuererstattung für Vorsteuerbeträge des Jahres 1994 im Rahmen der Allgemeinen Bestimmungen der BAO (5-Jahresfrist) möglich sei.

Gemäß § 28 Abs. 1 UStG 1994 tritt dieses Bundesgesetz mit Wirksamkeit des Beitritts Österreichs zur EU (1. Jänner 1995) in Kraft. Aus § 28 Abs. 2 und 3 UStG 1994 ergibt sich ausdrücklich, dass das UStG 1972 mit diesem Zeitpunkt außer Kraft tritt, auf Umsätze und sonstige Sachverhalte aus der Zeit vor der Wirksamkeit des Beitritts Österreichs zur EU aber das im Zeitpunkt des maßgebenden Ereignisses für sie geltende Umsatzsteuerrecht anzuwenden ist.

Gemäß dem ab der Veranlagung 1994 geltenden, mit BGBl. 818/1994 eingeführten § 21 Abs. 11 UStG 1972 kann der Bundesminister für Finanzen bei Unternehmen, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, und die im Inland keine steuerpflichtigen Umsätze ausführen, ausgenommen Umsätze, die nach § 20 Abs. 4 besteuert werden, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. In der Verordnung kann ein besonderes Verfahren angeordnet werden und ein Mindestbetrag festgelegt werden, ab dem eine Vorsteuererstattung erfolgt.

Zum genannten § 21 Abs. 11 UStG 1972 i.d.F. BGBl. 818/1993 ist die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, ergangen. Die Verordnung normiert in Art. I Abs. 1, dass die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1972 nach Maßgabe der weiteren Regelungen der Verordnung zu erfolgen hat. Gemäß Art. II der Verordnung tritt diese am 1. Jänner 1994 in Kraft und ist erstmals auf Vorsteuerbeträge anzuwenden, die in das Kalenderjahr 1994 fallen.

Die Verordnung BGBl. 279/1995 ist zu § 21 Abs. 9 UStG 1994 ergangen. Sie normiert in Art. I § 1 Abs. 1, dass die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der weiteren Regelungen der Verordnung zu erfolgen hat. Art. II Abs. 1 der Verordnung ordnet an, dass die Verordnung mit 1. Jänner 1995 in Kraft tritt und erstmals auf Vorsteuerbeträge anzuwenden ist, die in das Kalenderjahr 1995 fallen. Gemäß Art. III Abs. 2 der Verordnung tritt die Verordnung BGBl. 882/1993 mit 31. Dezember 1994 außer Kraft.

Auf dem Gebiet des Steuerrechts stehen generell abstrakte Normen mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich hinsichtlich der in diesem zeitlichen Bereich gesetzten Sachverhalte weiterhin in Geltung, es sei denn, der Gesetzgeber ordnet anderes an (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1997, G 23-26/97). Der Regelung des Art. II Abs. 2 der Verordnung BGBl. 279/1995, die den zeitlichen Anwendungsbereich der Verordnung BGBl. 882/1993 festlegt, ist daher das Verständnis beizulegen, dass die letztgenannte Verordnung für jene Vorsteuerbeträge nicht mehr zur Anwendung gelangt, welche nach dem 31. Dezember 1994 anfallen und für welche sich sohin der Vorsteueranspruch aus dem UStG 1994 ergibt. Für Vorsteuerbeträge, die vor dem 1. Jänner 1995 anfallen und für welche sich der Vorsteueranspruch aus dem UStG 1972 ergibt, ist hingegen die Verordnung BGBl. 882/1993 weiterhin in Geltung.

Aus dem klaren Wortlaut des § 1 der somit im Beschwerdefall anzuwendenden Verordnung BGBl. 882/1993 ergibt sich, dass das in der Verordnung geregelte Erstattungsverfahren zwingend anzuwenden ist, wenn die in der Verordnung umschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, wonach die Erstattung der in das Jahr 1994 fallenden Vorsteuern nur innerhalb der in § 3 der Verordnung BGBl. 882/1993 festgelegten Frist möglich ist, erweist sich daher als zutreffend.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. April 2000

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