Normen
BAO §307 Abs2;
B-VG Art139 Abs6;
VwRallg;
BAO §307 Abs2;
B-VG Art139 Abs6;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war mit einer Einlage von 330.000 S atypische stille Gesellschafterin der IMMAG Revitalisierungs- und Altstadterneuerungs GesmbH & Co KG Serie 20 (im Folgenden Gesellschaft). Über das Vermögen der Gesellschaft wurde am 2. April 1993 der Konkurs eröffnet.
Das Finanzamt hatte den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für 1986 erlassen. Der Beschwerdeführerin wurden ein Verlustanteil von 265.487 S und zusätzlich Sonderbetriebsausgaben von 59.400 S zugewiesen.
In der Folge verfügte das Finanzamt mit Bescheid vom 28. November 1995 die Wiederaufnahme des Verfahrens und sprach bescheidmäßig aus, dass eine einheitliche und gesonderte Feststellung unterbleibe, weil für sämtliche Gesellschafter die Beteiligung keine Einkunftsquelle darstelle. Gegen diesen Bescheid berief die Beschwerdeführerin. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, die Gesellschaft habe ihre Tätigkeit im Jahr 1986 aufgenommen, aus den eingereichten Erklärungen bzw Bilanzen ergäben sich folgende Verluste (Angaben in Mio. S): 1986: 75,4; 1987: 75,9; 1988: 161,8; 1989: 87,7; 1990: 10,1; 1991: 10,2; 1992: 35,8.
Die Einwendungen gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens seien unbegründet. Der Bescheid betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1986 sei am 12. November 1987 erlassen worden. Zu diesem Zeitpunkt seien der Abgabenbehörde nur die Bilanz und die Steuererklärung zur Verfügung gestanden, nicht hingegen die Buchhaltungsunterlagen. Erst auf Grund der Betriebsprüfung (Prüfungsauftrag vom 24. Februar 1988) seien Tatsachen neu hervorgekommen. Zum einen sei festgestellt worden, dass die Gesellschaft "Treuhandgebühren" von 400.000 S, nämlich 0,5% von einem rechnerischen Kommanditkapital von 80 Mio. S an die Concentra-AG gezahlt und als Betriebsausgaben geltend gemacht habe; da das tatsächliche Kommanditkapital nur ca. 300.000 S betragen habe, dürfe nur ein geringerer Betrag gewinnmindernd geltend gemacht werden. Eine weitere Feststellung betreffe die Auflösung der Agio-Rücklage. Beim Agio müsse es sich um einen Durchlaufposten handeln. Die Gesellschaft behalte einen Teil des von den Gesellschaftern eingezahlten Kapitals ein, welches sie vereinbarungsgemäß der Vertriebsgesellschaft (für die Anwerbung der stillen Gesellschafter) weiterleiten müsse. Die Gesellschaft habe diese Vertriebskosten für die Ausgabe der stillen Beteiligungen mit dem Betrag von 16,9 Mio. S auf eine Agio-Rücklage gebucht. Ein Teil dieser Rücklage (14,4 Mio. S) sei in der Folge gewinnerhöhend aufgelöst worden, weil es in dieser Höhe zu einer Zahlung an die Vertriebsgesellschaft gekommen sei. Der Rest von 2,5 Mio. S sei aber als betrieblicher Aufwand verbucht geblieben. Da die Gesellschafter jedoch die vollen Vertriebskosten von 16,9 Mio. S als Sonderbetriebsausgaben geltend gemacht hätten, sei der Betrag von 2,5 Mio. S zu Unrecht doppelt gewinnmindernd angesetzt worden. Eine weitere Feststellung betreffe die Verluste nach § 23a EStG 1972. Bis zum Bilanzstichtag, den 15. Dezember 1986, seien von dem in der Bilanz als einbezahlt ausgewiesenen Kapital von ca. 94 Mio. S nur ca. 49,9 Mio. S tatsächlich einbezahlt worden. Hinsichtlich des Differenz von ca. 44 Mio. S unterlägen die Kommanditisten und die atypisch stillen Gesellschafter den Beschränkungen des § 23a EStG 1972. Zudem sei es auch zur Rückdatierung von Zeichnungsscheinen gekommen. Der den Gesellschaftern zugewiesene Anteil am Jahresverlust sei sohin zum Teil nicht ausgleichsfähig. Die Tatsache der Rückdatierung der Zeichnungsscheine werde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Diese Umstände rechtfertigten bereits die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid.
Der erstinstanzliche Bescheid habe die Wiederaufnahmegründe nochmals ausführlich und nachvollziehbar wiedergegeben. Zudem seien die Wiederaufnahmegründe im Betriebsprüfungsbericht (Seite 83) angeführt. Im Betriebsprüfungsbericht werde an mehreren Stellen die finanzielle Situation der Gesellschaft bzw die mangelnde Einkunftsquelleneigenschaft der Beteiligungen angesprochen. Sie sei allerdings nicht als Wiederaufnahmegrund herangezogen worden. Die Wiederaufnahmegründe seien nicht so geringfügig, dass von einer Wiederaufnahme abgesehen werden könnte. Zu erheblichen Auswirkungen führe insbesondere der § 23a EStG 1972 betreffende Wiederaufnahmegrund.
Die Beschwerdeführerin habe die Einvernahme von Franz Josef Polst, den Vorstand der IMMAG Immobilienbeteiligungs AG, beantragt. Der Beweisantrag sei in Zusammenhang mit der Liebhabereibeurteilung gestellt worden. Da aber der Sachverhalt nach der Aktenlage klar und eindeutig sei und nur mehr der rechtlichen Beurteilung bedürfe, erfolge keine Einvernahme. In materiellrechtlicher Hinsicht werde ausgeführt, dass die Liebhabereiverordnung keine Anwendung finde. Mangle einer Tätigkeit objektiv gesehen die Möglichkeit der Erzielung von Gewinnen, liege keine Einkunftsquelle vor. Die Gesellschaft habe ihre Tätigkeit von 1986 bis 1993 ausgeübt. Innerhalb dieses Beobachtungszeitraumes habe die Gesellschaft durchwegs Verluste erzielt. Es hätte auch auf Gesellschafterebene objektiv gesehen kein Gesamtgewinn erzielt werden können. Erwähnenswert sei, dass den Anlegern in den Prospekten aus 1986 für den Fall der Beteiligung die Reduzierung des Eigenkapitaleinsatzes durch Verlustzuweisung von ca 98% und eine Steuerrückerstattung bis zu 62% versprochen worden sei. Im Gesellschaftsvertrag über die stille Gesellschaft sei geregelt, dass der stille Gesellschafter verpflichtet sei, vor dem Ausscheiden einen Negativsaldo auf seinem Kapitalkonto aufzufüllen. Bei der Prognoserechnung, die im Gutachten des Dkfm Mag. Otto Hennig vom Oktober 1987 angestellt worden sei, sei von einen Verzicht auf die Auffüllungsverpflichtung (und der entsprechenden Gewinnauswirkung) ausgegangen worden, obwohl ein solcher Verzicht nach der Aktenlage nicht vorgesehen sei. Auch der Gutachter mache den Nichteintritt der Liebhaberei von bestimmten Umständen abhängig. Tatsächlich sei kein Gesamtgewinn erzielt worden und sei auch aus dem Gutachten die Erzielung eines Gesamtgewinnes nicht zu ersehen gewesen. Der vom Gutachter und auch von der Beschwerdeführerin vertretenen Meinung, dass wegen der zu erwartenden Wertsteigerungen der IMMAG-Aktien keine Liebhaberei anzunehmen sei, werde entgegengehalten, dass die Gesellschaft die 1986 und 1987 angeschafften Aktien schon in der Bilanz 1988 auf 50% der Anschaffungskosten abgewertet, also bereits vor dem Zusammenbruch des Bautreuhand-IMMAG-Konzerns wertberichtigt habe. IMMAG-Aktien, welche in den Jahren 1986 und 1987 einen Buchwert von ca. 60,4 Mio. S aufgewiesen hätten, hätten also 1988 auf 50% und sodann 1989 auf 25% und 1990 auf 11% abgewertet werden müssen. Im Telefonhandel hätten die Aktien 1989 Preise von 25 S bis 35 S sowie 1991 und 1992 Preise von 18 S bis 22 S erzielt. Dennoch habe die Gesellschaft IMMAG-Aktien im Jahr 1990 noch zu einem Kurs von 60 S und im Jahr 1991 zu einem Kurs von 30 bis 50 S gekauft. Entscheidend sei, dass die IMMAG-Aktien letztlich auf 11% der Anschaffungskosten wertberichtigt und nur mehr mit 22 S bewertet worden seien. Außerdem seien bei Beurteilung der Tätigkeit der Gesellschaft alle ihre Beteiligungsinvestitionen und nicht nur die Beteiligung an der IMMAG-AG zu berücksichtigen. Bestimmte Beteiligungen, die die Gesellschaft eingegangen sei, seien nach einem Jahr bzw nach drei Jahren wertberichtigt worden. Die Gesellschaft sei 1986 typische stille Beteiligungen an der Wohnungseigentums-Bautreuhand Hausanteilschein-GesmbH und an der Bautreuhand GesmbH eingegangen. Die Beteiligungen hätte auf 1% des ursprünglichen Buchwertes abgewertet werden müssen; im Jahr 1991 sei über das Vermögen der Beteiligungsgesellschaften der Konkurs eröffnet worden. Nach Ansicht der belangten Behörde stelle ein Kursverfall kein anormales Risiko dar und sei bei der Liebhabereibeurteilung zu berücksichtigen. Das Finanzamt sei daher zu Recht von Liebhaberei ausgegangen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt in der Beschwerde zwar allgemein vor, die im angefochtenen Bescheid angeführten Tatsachen seien keine solchen, die die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig machen würden, führt dieses Vorbringen aber in keiner Weise näher aus. Im Weiteren bringt sie vor, im angefochtenen Bescheid werde die Ermessensübung, die zur Wiederaufnahme geführt habe, nicht begründet, weil die Interessen (des Abgabengläubigers) an der Wiederaufnahme auf Grund der neu hervorgekommenen Tatsachen nicht gegen die Interessen der Gesellschafter an der Rechtskraft der Bescheide abgewogen worden seien.
Es trifft zu, dass die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 4 BAO im Ermessen der Behörde liegt und die Behörde die Ermessensübung zu begründen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. August 1993, 92/13/0096). Gemäß § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen innerhalb der Grenzen des Gesetzes nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Im Hinblick auf die Ermessensübung hat die belangte Behörde auf die nicht geringfügigen Auswirkungen verwiesen, die sich aus den Wiederaufnahmegründen ergeben. Hier konnte sie aufzeigen, dass die neu hervorgekommenen Umstände insbesondere dazu geführt hätten, dass die Verluste der Beteiligten (teilweise) nicht ausgleichsfähig gewesen wären, weil die Voraussetzungen des § 23a EStG 1972 erfüllt gewesen wären, und dass die Verluste zum Teil wegen der "Rückdatierung" der Zeichnungsscheine hätten nicht zugerechnet werden können. Im wieder aufgenommenen Verfahren hat die belangte Behörde zwar die Einkunftsquelleneigenschaft der Beteiligungen überhaupt verneint. Da aber die Auswirkung der Wiederaufnahmegründe in der (teilweisen) Nichtausgleichsfähigkeit der Verluste bzw. zu einem bestimmten Teil in der Nichtzurechnung an die Beteiligten wegen der "Rückdatierung" ihres Beteiligungserwerbes gelegen wäre, liegt ein relevantes Missverhältnis zwischen dieser und den tatsächlichen Auswirkungen der Wiederaufnahme (Liebhabereibeurteilung) nicht vor, zumal die belangte Behörde darauf Bedacht nehmen konnte, dass, wie sich dies aus dem im angefochtenen Bescheid beschriebenen Prospektmaterial ergibt, die Gesellschaft als Verlustbeteiligungsmodell einzustufen ist. Im Verhältnis zu den Interessen von Beteiligten, die durch solche Modelle gezielt steuerliche Verluste anstreben, am bescheidmäßigen Rechtsbestand wiegt aber das Prinzip der Rechtsrichtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung besonders schwer.
Die Ermessensentscheiung ist somit hinreichend begründet. Die belangte Behörde hat das Ermessen dem Gesetz entsprechend geübt.
Zur Liebhabereifrage bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde hätte die Liebhabereiverordnung zur Anwendung bringen müssen. Aus dem Teile der Verordnung aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof ergebe sich nicht, dass die Verordnung auf die vor 1990 verwirklichten Sachverhalte keine Anwendung finde. Nach der Liebhabereiverordnung sei zu prüfen, ob der Anleger subjektiv von einer ertragreichen Beteiligung haben ausgehen können und ob die Gewinnabsicht aus den in § 2 Abs. 1 der Verordnung genannten Umstände geschlossen werden könne. Nach der Liebhabereiverordnung könne in den ersten drei Jahren Liebhaberei überhaupt nicht vorliegen. Im Übrigen ergebe sich die Anwendbarkeit der Liebhabereiverordnung auch aus der Bestimmung des § 307 Abs. 2 BAO.
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin war von der belangten Behörde die Liebhabereiverordnung BGBl. 322/1990 nicht anzuwenden, weil der angefochtene Bescheid nach der Kundmachung der Aufhebung von Teilen dieser Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof im Bundesgesetzblatt unter Nr. 106/1992 am 21. Februar 1992 erlassen worden ist. Unter den durch den Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Bestimmungen der am 22. Juni 1990 unter Nr. 322 des Bundesgesetzblattes verlautbarten Verordnung befindet sich auch deren Rückwirkungsanordnung (Abschnitt I Art. II) auf alle nicht rechtskräftig veranlagten Fälle. Da diese Vorschrift ab 21. Februar 1992 aus der Rechtsordnung ausgeschieden ist, gilt der für zeitraumbezogene materiell-rechtliche Abgabenvorschriften maßgebliche Grundsatz, wonach das zur Zeit der Verwirklichung des Abgabentatbestandes geltende Recht anzuwenden ist. Im Beschwerdefall geht es um die Verwirklichung von Abgabentatbeständen im Veranlagungsjahr 1986. Auf diese findet die Liebhabereiverordnung daher seit dem 21. Februar 1992 allgemein keine Anwendung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, 93/14/0006).
Im Falle der Aufhebung gesetzwidriger Verordnungsbestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof ergibt sich auch nicht aus § 307 Abs. 2 BAO, dass die Verordnungsbestimmung weiterhin Anwendung finden dürfte. Die zeitlichen Wirkung der Aufhebung der Verordnung ergeben sich aus Art. 139 Abs. 6 B-VG.
Da die Liebhabereiverordnung nicht anzuwenden war, gehen die Beschwerdeausführungen zur Frage der Liebhaberei ins Leere.
Die Beschwerdeführerin rügt schließlich als Verletzung von Verfahrensvorschriften, dass Franz Josef Pols, der Vorstand der IMMAG Beteiligungs-AG nicht einvernommen worden sei. Er hätte zur Kurssteigerung der IMMAG-Aktien in den Jahren 1987 und 1988 auf 160% des Nominales Aussagen machen können. Allfällige Wertsteigerungen der Aktie wären aber für die Gewinnausssichten (Veräußerungsgewinne) und damit für die Liebhabereifrage essenziell.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zur Begründung, warum sie von der Einvernahme des als Zeuge namhaft gemachten Franz Josef Pols Abstand genommen hat, ausgeführt, dass der relevante Sachverhalt (Beweisthema) klar und eindeutig feststehe. Tatsächlich finden sich im angefochtenen Bescheid Ausführungen über die objektive Entwicklung des Kurses der IMMAG-Aktien bis 1992, die die Beschwerdeführerin nicht bekämpft. Die belangte Behörde hat einen kurzfristigen Wertanstieg der Aktie in den Jahren 1986 bis 1997 nicht in Abrede gestellt, aber darauf hingewiesen, dass der Erwerb der Aktien erst in diesen Jahren erfolgt ist. Dass die kurzfristige Kurssteigerung dazu geführt hätte, dass die Betätigung der Gesellschaft geeignet gewesen wäre, einen Gesamtgewinn zu erwirtschaften, behauptet die Beschwerdeführerin selbst nicht.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.
Wien, am 24. Februar 2000
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