VwGH 96/14/0018

VwGH96/14/001822.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des A B in N, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Muchargasse 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 5. Dezember 1995, Zl. 80.245-8/95, betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1994 (Arbeitnehmerveranlagung) gemäß § 299 Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §16 Abs1 Z6 impl;
EStG 1988 §16 Abs1 Z6;
EStG 1972 §16 Abs1 Z6 impl;
EStG 1988 §16 Abs1 Z6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer machte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1994 Werbungskosten in der Höhe von S 113.659,-- geltend. Diese beträfen die Kosten einer Zweitwohnung sowie wöchentliche Familienheimfahrten für den Zeitraum vom 1. Jänner 1994 bis zum 31. Juli 1994. Er habe mit 31. Dezember 1993 seinen Arbeitgeber gewechselt. Sein neuer Arbeitsort liege 245 km vom bisherigen Familienwohnsitz entfernt, was einen Wohnortwechsel notwendig gemacht habe. Mit fünf minderjährigen Kindern, zwei davon im schulpflichtigen Alter, sei jedoch eine kurzfristige Übersiedlung während des Schuljahres nicht möglich gewesen. Aus diesem Grunde habe er bis zum Familiennachzug per 31. Juli 1994 einen Zweithaushalt am neuen Arbeitsort unterhalten müssen.

Das Finanzamt anerkannte die geltend gemachten Aufwendungen nach Vornahme einer geringfügigen betragsmäßigen Kürzung als beruflich veranlasst. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes diesen Bescheid des Finanzamtes gemäß § 299 Abs. 2 BAO auf, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen ausführte: Der Beschwerdeführer habe nach den Verwaltungsakten bereits ab 1. Jänner 1995 (laut Gegenschrift richtig 1994) in L. über eine familiengerechte Wohnung verfügt. Seine Ehegattin sei am bisherigen Familienwohnsitz keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Der vom Beschwerdeführer einzig ins Treffen geführte Grund für die erst im August 1994 erfolgte Übersiedlung seiner Familie nach L., bestehe darin, dass während des Schuljahres eine kurzfristige Übersiedlung nicht möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe somit ausschließlich einen im privaten Bereich gelegenen Grund für die doppelte Haushaltsführung vorgebracht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien jedoch nur ausschließlich im beruflichen Bereich gelegene Gründe geeignet, eine doppelte Haushaltsführung als beruflich veranlasst erscheinen zu lassen. Da das Finanzamt dies verkannt habe, sei der Einkommensteuerbescheid 1994 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Eine solche Aufhebung eines Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes ist solange ausgeschlossen, als Unklarheiten im Sachverhalt bestehen. Vor Erlassung eines Aufhebungsbescheides nach Abs. 2 der angeführten Gesetzesstelle muss also der Sachverhalt, aus dem sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden Bescheides ergibt, einwandfrei geklärt sein (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1995, 94/16/0304, mit weiteren Nachweisen).

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass der Einkommensteuerbescheid 1994 schon deshalb rechtswidrig war, weil der Beschwerdeführer nur private Gründe für seine sieben Monate dauernde doppelte Haushaltsführung vorgebracht habe. Damit hat sie die Rechtslage verkannt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa im hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1991, 88/13/0121, ausgeführt hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nämlich niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen müsse. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben (dies insbesondere aus der Sicht einer sofortigen Wohnsitzverlegung), als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines Ehegatten.

Dem steht - anders als die belangte Behörde meint - auch nicht die Aussage im hg. Erkenntnis vom 31. März 1987, 86/14/0165, entgegen. Dort hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, die Verlegung des Familienwohnsitzes im hier maßgeblichen Sinn sei nicht schon deshalb unzumutbar, weil der Steuerpflichtige am Familienwohnsitz ein Eigenheim errichtet habe oder die Kinder dort die Schule besuchten. Mit der Bezugnahme auf die "Wohnsitzverlegung im hier maßgeblichen Sinn" hat der Verwaltungsgerichtshof erkennbar auf den damals zur Entscheidung stehenden Sachverhalt - nämlich die fehlende Dauerhaftigkeit der Arbeitsstelle - abgestellt.

Ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsansicht - private Gründe könnten keinesfalls eine auch nur vorübergehende doppelte Haushaltsführung als beruflich veranlasst erscheinen lassen - hat es die belangte Behörde auch unterlassen, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, die näheren Umstände, die seiner Ansicht nach eine sofortige Wohnsitzverlegung unzumutbar gemacht haben, darzulegen. Der angefochtene Bescheid beruht damit auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung der belangten Behörde.

Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Februar 2000

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