Normen
BAO §236 Abs1;
BAO §236 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
In den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten erliegt ein Schriftsatz vom 19. Juni 1995, in dem der Beschwerdeführer um die "teilweise Nachsicht des Rückstandes" ersuchte. Die "eigene Steuersituation" des Beschwerdeführers habe sich dadurch verschärft, daß sein ehemaliger Partner Dr. F entgegen den Vereinbarungen für die zweite diesem ebenfalls übergebene Firmenhälfte "keinen Groschen" bezahlt habe und auch nichts von sich hören lasse. Der Beschwerdeführer befürchte, daß er auch dem Finanzamt trotz des Drittschuldnerverbotes nichts bezahlt habe.
Der Beschwerdeführer sei nach mehrmaligen Spitalsaufenthalten bettlägerig und könne weder gehen noch stehen. Der Beschwerdeführer habe kein Eigentum, dürfe in der Wohnung eines Verwandten wohnen, besitze auch kein Auto etc. Der Beschwerdeführer lebe von einer kleinen ASVG-Pension, die aber seitens des Finanzamtes gepfändet worden sei.
Mit Bescheid vom 12. Juli 1995 wurde das Nachsichtsansuchen abgewiesen. Aus dem Bescheid ist ersichtlich, daß der Rückstand im damaligen Zeitpunkt S 12.781.510,80 betrug. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, der Rückstand resultiere aus nicht entrichteter Einkommensteuer für die Jahre 1982, 1984, 1987 bis 1990 und 1992. Aus der Aktenlage sei die Nichtbeachtung abgabenrechtlicher Pflichten erkennbar. Für die Entrichtung der Abschlußzahlungen sei keine Vorsorge getroffen worden.
In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer ausgeführt, eine lange andauernde Betriebsprüfung habe den gegenwärtigen Rückstand herbeigeführt. Es sei daraus kein Geld geflossen, sodaß auch die Bemerkung, daß für die Entrichtung von Abschlußzahlungen keinerlei Vorsorge getroffen worden sei, ins Leere gehe. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer immer alles bezahlt, wozu der Beschwerdeführer in der Lage gewesen sei. Soweit der Beschwerdeführer Geld gehabt habe, habe er dieses abgeführt. Von einem mangelnden Zahlungswillen könne keine Rede sein. Sein früherer Partner sei mit jenen Zahlungen in Verzug, die für das Finanzamt gedacht gewesen seien. Abschließend gab der Beschwerdeführer an, bei der Abwicklung diverser Beteiligungsfirmen sei er bemüht gewesen, sämtliche Steuerverbindlichkeiten zu bezahlen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Abgesehen von Rechtsausführungen wurde in der Begründung von der belangten Behörde ausgeführt:
"Mit dem Vorbringen, daß der Bw. über kein Eigentum verfüge, hat er jedoch keineswegs dargetan, daß die Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten die Existenz des Bw. gefährden würde oder sonst mit außergewöhnlichen Auswirkungen verbunden wäre, sondern lediglich, daß hinsichtlich des den Verkaufserlös aus der Veräußerung des 2. Gesellschaftsanteiles und hinsichtlich des die zur Einziehung überwiesenen Pensionsbeträge übersteigenden Teilbetrages die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten gegeben ist, die schon mangels möglicher Auswirkungen der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bw. keine Unbilligkeit der Einhebung zu begründen vermag.
Für den Fall der dauernden Uneinbringlichkeit fälliger Abgabenschuldigkeiten ist nach den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung nicht das Rechtsinstitut der Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO, sondern jenes der Löschung durch Abschreibung gemäß § 235 BAO vorgesehen.
Aber auch mit dem Hinweis auf die Pfändung der ASVG-Pension, wodurch der Bw. die letzte Lebensgrundlage verloren habe, hat der Bw. infolge der Bestimmung des § 291a EO über den unpfändbaren Freibetrag (Existenzminimum) noch nicht das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO dargetan, da nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Exekutionsordnungs-Novelle 1991 (181 der BlgNR XVIII GP) anzunehmen ist, daß der festgesetzte Betrag ausreicht, damit der Verpflichtete seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten kann, wobei wohl auch der durchschnittliche Wohnungsaufwand gedeckt werden kann."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen hat, muß die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet hat, wobei von zentraler Bedeutung für die Tragfähigkeit der Begründung eines Bescheides die zusammenhängende Darstellung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. November 1997, 93/13/0309). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn mit einem Bescheid über einen Antrag auf Zuerkennung einer abgabenrechtlichen Begünstigung abgesprochen wird, wobei sich allerdings die Ermittlung des Sachverhaltes im wesentlichen auf die vom Antragsteller zur Erreichung der Begünstigung behaupteten Umstände erstrecken wird. Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht:
Für die Beurteilung, ob die Einhebung einer Abgabenschuldigkeit unbillig im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO ist, kann zweifellos auch die Entstehung der Abgabenschuld von entscheidender Bedeutung sein. Diesbezüglich wurde in der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abweisungsbescheid auf die Durchführung einer Betriebsprüfung verwiesen. Den Berufungsausführungen kann dabei andeutungsweise entnommen werden, daß nach Auffassung des Beschwerdeführers der hohe Abgabenrückstand aus einem Veräußerungsvorgang entstanden ist, wobei aber dem Beschwerdeführer keine Geldmittel zugekommen seien. Weiters gab der Beschwerdeführer in der Berufung an, sein früherer Partner sei mit seinen Zahlungen in Verzug, die für das Finanzamt gedacht gewesen seien. Demgegenüber wurde in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides ausgeführt, daß der Rückstand durch die Unterlassung der Entrichtung von Einkommensteuer für mehrere Jahre des Zeitraumes 1982 bis 1992 entstanden sei. Auch verwies das Finanzamt auf eine Vernachlässigung abgabenrechtlicher Verpflichtungen durch den Beschwerdeführer. Die belangte Behörde hat hiezu im angefochtenen Bescheid keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen; sie hat auch keinen Versuch unternommen, die den Feststellungen des Finanzamtes widersprechenden Behauptungen des Beschwerdeführers aufzuklären. Der für die Beurteilung der Unbilligkeit wesentliche Sachverhalt im Zusammenhang mit der offenbar in zwei getrennten Vorgängen erfolgten Veräußerung oder Aufgabe eines Unternehmens und dem Ausfall der Forderung gegen den Übernehmer ist völlig im Dunkeln geblieben. Da die belangte Behörde es auch unterlassen hat, die diesbezüglichen Verwaltungsakten dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen, ist eine entsprechende Nachprüfung des Spruches des angefochtenen Bescheides nicht möglich.
Soweit sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid jedoch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hat, hat sie die Rechtslage inhaltlich verkannt: Die belangte Behörde ging dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgend davon aus, daß dieser über keine vermögenswerten Wirtschaftsgüter verfüge - die Frage der Einbringlichkeit der Forderung gegen Dr. F wurde, wie ausgeführt, nicht geprüft - und daß diesem zur Bestreitung seines Unterhaltes der pfändungsfreie Teil seiner Alterspension verbleibe. Eine derartige zweifellos bestehende wirtschaftliche Notlage indiziert aber eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung. Im Hinblick auf die Höhe des Abgabenrückstandes ist dabei - auch wenn die belangte Behörde keine Ermittlung der Höhe der Alterspension vorgenommen hat - eine Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeit gegeben, die eine Unbilligkeit indiziert (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2434 f). Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Ersatz von Beilagengebühren beschränkt sich dabei auf den Betrag von S 60,--, da der angefochtene Bescheid zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.
Wien, am 27. August 1988
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