VwGH 96/13/0081

VwGH96/13/008128.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der A GmbH in W, vertreten durch Dr. Leopold Grohmann, Rechtsanwalt in Wien I, Weihburggasse 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. Mai 1996, Zl. GA 6-95/5053/07, betreffend Zurücknahme einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §250 Abs1 lita;
BAO §250 Abs1 litb;
BAO §250 Abs1 litc;
BAO §250 Abs1 litd;
BAO §275;
VwRallg;
BAO §250 Abs1 lita;
BAO §250 Abs1 litb;
BAO §250 Abs1 litc;
BAO §250 Abs1 litd;
BAO §275;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Aus den von der belangten Behörde vorgelegten Aktenteilen ist folgendes erkennbar:

Unter Verwendung eines als "Haftungs- und Zahlungsbescheid" für Nachforderungen auf Grund einer Lohnsteuerprüfung aufgelegten Vordruckes schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin am 27. September 1994 Kapitalertragsteuer für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1992 in Höhe von S 185.847,-- sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von S 3.716,-- vor. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, "im Körperschaftsteuerbescheid 1992" sei eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von S 743.389,-- festgestellt worden.

In der Berufung gegen diesen von der Beschwerdeführerin als "Lohnsteuerprüfungsbescheid" bezeichneten Bescheid wurde dessen "ersatzlose Aufhebung" beantragt. Die Beschwerdeführerin verwies auf den Umstand, daß der Körperschaftsteuerbescheid 1992 noch nicht zugestellt worden sei und daher dazu keine "Stellungnahme" abgegeben werden könne.

In einer namens der Beschwerdeführerin eingebrachten, die Berufung ergänzenden Eingabe vom 25. November 1994 wurde unter Bezugnahme auf die Übersendung auf eine - nicht in den an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten befindlichen - zusätzlichen Begründung des Körperschaftsteuerbescheides 1992 wörtlich ausgeführt:

"Da ich im Jahre 1992 nur mehr einen Splitteranteil an der GesmbH hatte, kann keine Rede davon sein, daß die Gesellschaft bzw. auch die Mitgesellschafter zugestimmt hätten, daß ein Betrag von rd. S 500.000,-- von mir nicht rückzahlbar sei, denn es ist sehr wohl zu entsprechenden Vereinbarungen gekommen, sodaß keine Rede davon sein kann, daß ich diese Beträge nicht zurückzahlen muß. Der angeführten Begründung kann in keiner Weise entnommen werden, warum nicht ernsthaft gewollt sein sollte, diese Verrechnungschuld zurückzubezahlen, sodaß die Begründung vollkommen ins Leere geht."

Mit Schriftsatz vom 13. Jänner 1995 erhob die Beschwerdeführerin gegen den Umsatz-, Gewerbesteuer- und Körperschaftssteuerbescheid 1992 Berufung und verwies dazu auf die Berufung vom 3. Oktober 1994 gegen den "Lohnsteuerprüfungsbescheid" vom 27. August 1994 (richtig: 27. September 1994).

Mit Bescheid vom 30. Jänner 1995 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, in Ergänzung der Berufungen vom 3. Oktober 1994 und vom 13. Jänner 1995 eine Erklärung, in welchen Punkten die Bescheide angefochten und welche Änderungen beantragt werden sowie eine Begründung nachzureichen.

In einer Eingabe vom 9. Februar 1995 beantragte die Beschwerdeführerin die ersatzlose Aufhebung des Bescheides vom 27. September 1994 und die "Festsetzung der Kapitalertragsteuer mit S 0,--". Hinsichtlich der Berufung gegen den Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftssteuerbescheid 1992 wurde ausgeführt,

daß die "Aufhebung des angefochtenen Bescheides" ... "sowie die

Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen auf Grund der eingebrachten Steuererklärungen" beantragt werde. Es sei von der Finanzbehörde kein sachgerechter Grund angeführt worden, "warum angeblich verdeckte Gewinnausschüttungen stattgefunden haben sollen, noch dazu, wo Frau Antonia B überhaupt nicht Gesellschafterin" der Beschwerdeführerin gewesen sei. Weiters wurde beantragt, den Verbesserungsauftrag aufzuheben, da ohnedies den Erfordernissen eines Rechtsmittels entsprochen worden sei.

Mit Bescheid vom 23. März 1995 wies das Finanzamt die "Berufung vom 9. Februar 1995" gegen den Mängelbehebungsauftrag zurück, weil gegen diesen Bescheid ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig sei. Gleichzeitig wurden die Berufungen vom 3. Oktober 1994 und vom 13. Jänner 1995 als zurückgenommen erklärt. Nach Auffassung des Finanzamtes habe die Beschwerdeführerin dem Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen.

Mit Schriftsatz vom 30. März 1995 wurde "gegen den Bescheid vom 23.3.1995" Berufung erhoben. Weiters wurde in dem Schriftsatz ausgeführt:

"Wir verweisen ausdrücklich auf unser Rechtsmittel vom 9.2.1995, in welchem klargelegt wurde, welche Begründung des Rechtsmittels gegeben wird bzw. in welchen Punkten die Bescheide angefochten werden und welche Änderungen beantragt werden.

Wir beantragen daher, wie bisher, die ersatzlose Aufhebung des Lohnsteuerprüfungsbescheides und verweisen vorsorglich neuerlich auf die Ergänzung der Berufung vom 3.10.1994 mit Schriftsatz vom 25.11.1994, beim Finanzamt eingelangt am 29.11.1994. In diesem Schriftsatz ist klar ausgedrückt, welche Änderungen bzw. welche Begründungen für das Rechtsmittel gegeben werden. Es kann daher keine Rede davon sein, daß die Finanzbehörde auch nur den geringsten Zweifel an unserem Berufungsinhalt haben könnte.

Wir beantragen daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie die meritorische Entscheidung über unsere Berufung vom 3.10.1994, ergänzt durch Schriftsatz vom 25.11.1994 sowie vom 9.2.1995.

Wir erlauben uns darauf hinzuweisen, daß offenbar die Behörde der ihr obliegenden Ermittlungspflicht gemäß § 115 BAO in keiner Weise nachgekommen ist und auch den Grundsatz des Parteiengehörs gröblich verletzt hat."

Mit Bescheid vom 10. April 1995 wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, die Berufung in folgenden Punkten zu ergänzen:

Nach ungenütztem Ablauf der gesetzten Frist wurde die Berufung vom 30. März 1995 mit Bescheid vom 22. Juni 1995 als zurückgenommen erklärt.

Die gegen diesen Bescheid vom 22. Juni 1995 erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde von der belangten Behörde darauf hingewiesen, daß der Mängelbehebungsauftrag vom 10. April 1995 nicht befolgt wurde.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muß die Berufung enthalten:

  1. a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
  2. b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird,
  3. c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden und
  4. d) eine Begründung.

Entspricht eine Berufung nicht diesen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde einen Verbesserungsauftrag im Sinne des § 275 BAO zu erteilen.

Ziel dieser Bestimmungen ist es, daß die Behörde in die Lage versetzt wird, eine Entscheidung über die Berufung treffen zu können. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Berufung den im § 250 Abs. 1 BAO bezeichneten Erfordernissen entspricht, ist davon auszugehen, daß der Rechtsschutz nicht durch einen überspitzten Formalismus beeinträchtigt werden darf. So genügt für die Bezeichnung des Bescheides, daß aus dem gesamten Inhalt des Rechtsmittels hervorgeht, wogegen es sich richtet. Wenn die Behörde auf Grund des Berufungsvorbringens nicht zweifeln kann, welcher Bescheid angefochten ist, ist der Formalvorschrift des § 250 Abs. 1 lit. a BAO Genüge getan (vgl. Stoll, BAO Kommentar, 2572, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im angefochtenen Bescheid - dessen Begründung neben dem Ablauf des Verwaltungsgeschehens lediglich eine Zusammenstellung der Rechtsprechung zu § 250 Abs. 1 BAO enthält - wurde nicht dargestellt, welcher Sachverhalt die Abgabenbehörde zu dem Auftrag veranlaßt hatte, die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides nachzuholen. Demgegenüber ist aus dem Inhalt der in Rede stehenden Berufung vom 30. März 1995 mit hinlänglicher Deutlichkeit zu entnehmen, daß sie sich gegen den Bescheid vom 23. März 1995 richtete, mit dem die Berufungen vom 3. Oktober 1994 und 13. Jänner als zurückgenommen erklärt worden waren. Der Auftrag, die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides nachzuholen, entsprach somit nicht dem Gesetz.

Desgleichen waren auch die weiteren Punkte des Verbesserungsauftrages rechtswidrig: Die Beschwerdeführerin hat in der Berufung vom 30. März 1995 die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. Ein Bescheid, mit dem eine Berufung als zurückgenommen erklärt wird, ist einer gänzlichen oder teilweisen Abänderung nicht zugänglich, sodaß das Berufungsbegehren der Natur der Sache nach nur auf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides gerichtet sein kann. Daraus folgt aber, daß mit einem solchen Aufhebungsantrag, wie ihn die Beschwerdeführerin gestellt hat, den Erfordernissen des § 250 Abs. 1 lit. b und c BAO Genüge getan ist.

Schließlich ist darauf zu verweisen, daß mit den Worten, es sei klar ausgedrückt worden, welche Änderungen in der Berufung gegen die vorliegenden Haftungs- und Abgabenbescheide begehrt werden, auch eine Begründung des Rechtsmittels gegeben war.

Aus der Rechtswidrigkeit des Mängelbehebungsauftrages vom 10. April 1995 folgt aber, daß auch der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet ist; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aus verfahrensökonomischen Gründen ist im übrigen darauf zu verweisen, daß auch der Mängelbehebungsauftrag vom 30. Jänner 1995 zu Unrecht ergangen ist: In der Berufung gegen den Bescheid betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer - beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bezeichnen diesen Bescheid unzutreffend als "Lohnsteuerprüfungsbescheid" - wird dessen ersatzlose Aufhebung beantragt, womit den Erfordernissen des § 250 Abs. 1 lit. b und c BAO entsprochen ist. Auch eine Begründung ist in der Berufung, weiters aber auch im ergänzenden Schriftsatz vom 25. November 1994 enthalten. Zur Klarstellung ist dabei festzustellen, daß auch eine inhaltlich unzulängliche Begründung des Rechtsmittels eine Begründung im Sinne des § 250 Abs. 1 lit. d BAO darstellt. Schließlich entspricht auch die Berufung vom 13. Jänner 1995 mit ihrer Verweisung auf den Schriftsatz vom 25. November 1994 noch dem § 250 Abs. 1 BAO, weil darin ausdrücklich die Festsetzung der Abgaben auf Grund der eingebrachten Steuererklärungen - das ist die Erklärung über den Anfechtungsgegenstand und den Umfang der beantragten Änderungen - beantragt worden ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Im pauschalierten Schriftsatzaufwand ist dabei die Umsatzsteuer bereits enthalten.

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