VwGH 96/13/0055

VwGH96/13/005517.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerden der S Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Wolfram Themmer, Dr. Martin Prunbauer und Dr. Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien I, Biberstraße 15, gegen 1.) den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. Februar 1996, Zl. GA 7 - 739/96, betreffend Sicherstellungsauftrag, und 2.) den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat XI) vom 22. Oktober 1996, Zl. 6-96/5115/10, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 1994 und Umsatzsteuer 1994 und 1995, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §232 Abs1;
BAO §280;
UStG 1972 §11 Abs1 Z3;
UStG 1972 §11 Abs1 Z5;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;
UStG 1972 §12;
UStG 1994 §11 Abs1 Z3;
UStG 1994 §11 Abs1 Z5;
UStG 1994 §12 Abs1 Z1;
UStG 1994 §12;
BAO §232 Abs1;
BAO §280;
UStG 1972 §11 Abs1 Z3;
UStG 1972 §11 Abs1 Z5;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;
UStG 1972 §12;
UStG 1994 §11 Abs1 Z3;
UStG 1994 §11 Abs1 Z5;
UStG 1994 §12 Abs1 Z1;
UStG 1994 §12;

 

Spruch:

1.) Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2.) Der zweitangefochtene Bescheid wird, soweit er die Berufung der Beschwerdeführerin betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Festsetzung der Umsatzsteuer 1994 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, im Übrigen wird die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid, soweit er die Festsetzung der Umsatzsteuer für 1995 betrifft, als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdefall steht im Zusammenhang mit den unter der Bezeichnung "Vorsteuerschwindel des Werner Rydl" in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.

Bei der Beschwerdeführerin wurde vom 1. August bis 22. Dezember 1995 eine so genannte "Umsatzsteuervoranmeldungsprüfung" (Prüfung der Aufzeichnungen nach § 151 Abs. 1 BAO) für den Zeitraum Februar 1994 bis Juli 1995 durchgeführt.

Während dieser Prüfung ordnete das Finanzamt mit Sicherstellungsauftrag vom 23. August 1995 gemäß § 232 BAO die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Beschwerdeführerin zur Sicherung der Umsatzsteuer für September 1994 bis Juni 1995 in Höhe von insgesamt S 6,044.141,-- an. Im Sicherstellungsauftrag wurde auch ausgesprochen, dass das Unterbleiben von Maßnahmen zu seiner Vollziehung durch den Erlag eines Betrages von S 6,044.141,-- bewirkt werde. Zur Begründung des Sicherstellungsauftrages wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum September 1994 bis Juni 1995 für Rechnungen über "AURELA" Duftstoffe im Gesamtwert von netto S 30,220.703,99 Vorsteuerbeträge in Höhe von S 6,044.140,81 beanspruche. Die Waren seien von der U GmbH eingekauft und umsatzsteuerfrei an die Firma I-Ltd. in Brasilien verkauft worden. Die U GmbH habe ihrerseits die Waren bei der F GmbH, die im 100 %igen Eigentum des Werner Rydl stehe, gekauft. Die F GmbH kaufe die Waren bei Werner Rydl. Werner Rydl trete für die Firma I Ltd. auf. Im Ergebnis sei die Beschwerdeführerin daher in den Geschäftskreislauf eingebunden, in welchem sich die Ware befunden habe und der über die I Ltd. in Brasilien wieder zurück zur F GmbH und von dort zur U GmbH geführt habe. Die Ware selber sei nur einen Bruchteil dessen wert gewesen, was in den Fakturen aufscheine und werde nur zum Zwecke des vorsätzlichen Vorsteuerschwindels in den Kreislauf geschickt.

Die Beschwerdeführerin müsse mangels notwendiger Eigenkapitalausstattung die bei ihrem Lieferanten geschuldete Umsatzsteuer bis zur Rückzahlung der entsprechenden Vorsteuerguthaben mittels Bankkrediten vorfinanzieren.

Mit der Berufung gegen diesen Sicherstellungsauftrag brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie "die Rechnungen der U GmbH vollständig, d.h. auch inklusive der darin ausgewiesenen Umsatzsteuer bezahlt und schließlich die Ware an einen ausländischen Abnehmer weiterverkauft, sodass sie völlig zu Recht die von ihr bezahlte Mehrwertsteuer als Vorsteuer geltend gemacht" habe. Weitere exekutive Maßnahmen gegen die Beschwerdeführerin, die über die bloße Pfändung von Büroeinrichtung hinausgingen, wären existenzbedrohend.

Diese Berufung wurde mit dem erstangefochtenen Bescheid abgewiesen.

Ebenfalls noch während der erwähnten Prüfung der Aufzeichnungen setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 9. November 1995 die Umsatzsteuer für das Jahr 1994 mit - S 3,323.023,-- erklärungsgemäß fest.

Nach Abschluss der Aufzeichnungsprüfung wurde mit Bescheiden vom 11. Jänner 1996 das Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 1994 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufgenommen, die Umsatzsteuer für das Jahr 1994 neu mit - S 808.051,-- festgesetzt. In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor allem Begründungsmängel der bekämpften Bescheide vor.

Mit dem Bescheid vom 17. Mai 1996 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für 1995 abweichend von der eingebrachten Erklärung mit - S 111.175,-- fest.

Gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer 1995 erhob die Beschwerdeführerin Berufung und machte Mangelhaftigkeit des Beweisverfahrens geltend. Die belangte Behörde habe durch ein der Beschwerdeführerin im Zuge des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangtes Gutachten nicht Parfumstoffe geprüft, welche die Beschwerdeführerin nach Brasilien geliefert habe, sondern Parfumstoffe, die in Österreich sichergestellt worden seien. Es gebe kein Beweisergebnis, dass diese Stoffe ident seien. Das Gutachten habe nur die Materialkosten und damit nur einen Teil des Handelswertes der Parfumproben angegeben. Weiters enthält die Berufung rechtliche Ausführungen, wonach eine Lieferung der U GmbH an die Beschwerdeführerin vorgelegen sei und die geltend gemachte Vorsteuer daher zustünde.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde unter Hinweis auf "Umsatzsteuer 1994 und 1995" "die Berufung" als unbegründet ab.

Im zweitangefochtenen Bescheid gibt die belangte Behörde zunächst die Feststellungen "der Betriebsprüfung" wieder:

"Herkunft der Öle

Die gehandelten Parfumöle wurden ursprünglich bei der Firma M in Schörfling am Attersee von der Fa. I-tda., Brasilien, mit Lieferadresse, Fa. C S.A., Mondevideo, eingekauft. In der Beilage 2 sind die eingekauften Parfumöle mit deren ursprünglichen Markennamen sowie den Verkaufspreisen der Fa. M ersichtlich. Auf Grund der Produktbeschreibungen konnten sämtliche zwölf Parfumölsorten eindeutig den 'Aurela-Markennamen" zugeordnet werden.

In Montevideo wurden diese Parfumöle lediglich eingelagert und danach wieder nach Österreich zurückgeschickt. Als Empfänger dieser Waren scheint 1995 in acht Fällen H. U., ein Bekannter der Familie Rydl, auf. Wie bei der Spedition K eruiert werden konnte, belief sich z.B. eine Rücklieferung an H. U. vom Juni 1995 auf 681 Liter Parfumöl, wobei der Gesamtwert dieser Lieferung lt. Rechnung der Fa. C S.A., Montevideo, ca. öS 77.000,00 betrug (siehe Beilage 3, Rechnung der Fa. C S.A.). Bei den anschließenden Fakturierungen durch die Fa. F GesmbH, E. L:, U GesmbH., B Handelsagentur GesmbH. und M GesmbH. sowie bei den diversen Exporteuren beträgt der Literpreis Parfumöl zwischen öS 62.000,00 und S 130.000,00.

Wert der Öle

Zur Feststellung des tatsächlichen Wertes der gehandelten

Parfumöle sind daher folgende Faktoren maßgeblich:

"§ 232. (1) Die Abgabenbehörde kann, soweit der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden."

Wie die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid zutreffend anführt, setzt die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages voraus, dass ein Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz eine Abgabepflicht knüpft.

Abgabenanspruch ist auch der Rückforderungsanspruch eines zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerüberhangs. Es kommt dabei -

entgegen den Beschwerdeausführungen, welche von einem Rückzahlungsanspruch erst auf Grund eines vollstreckbaren Bescheides sprechen - nicht darauf an, ob ein Guthaben ausbezahlt worden ist.

Soweit die Beschwerde sodann die Nichtanerkennung der Vorsteuern bekämpft, welche Streitgegenstand des zweitangefochtenen Bescheides sind, ist auf das zum zweitangefochtenen Bescheid Gesagte zu verweisen. In diese Richtung weisende Rechtsrügen gehen daher ins Leere.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich das Verfahren über eine Berufung gegen einen Sicherstellungsauftrag auf die Überprüfung der Frage zu beschränken, ob die im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die Sicherstellung angeordnet wurde, dafür erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren oder nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2000, Zl. 99/13/0244, m.w.N.).

Auch im erstangefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass von der U GmbH Rechnungen über hochwertige Duftstoffe an die Beschwerdeführerin ausgestellt worden sind, während tatsächlich minderwertige Waren, die im Wert wesentlich unter dem in den Rechnungen angegebenen liegen, geliefert worden sind. Die Lieferung minderwertiger Waren sei aber, gemessen an den vereinbarten Kaufobjekten, eine Lieferung völlig anderer Waren, die nichts mit hochwertigen Waren gemein hätten.

Dass der erstangefochtene Bescheid dabei auf die Feststellungen der Betriebsprüfung verweist, welche erst nach Erlassung des Sicherstellungsauftrages zum Abschluss gekommen war, ist unbedenklich. Denn gemäß § 280 BAO ist bei der Entscheidung über die Berufung gegen einen Sicherstellungsauftrag auf im Berufungsverfahren der Behörde zur Kenntnis gelangte neue Tatsachen und Beweise - soweit diese im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrages objektiv gegeben waren - Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1997, 95/15/0057, m.w.N.). Die Verfahrensrügen der Beschwerdeführerin, vor Erlassen des Sicherstellungsauftrages seien ihr der Betriebsprüfungsbericht oder ein Gutachten der technischen Untersuchungsanstalt nicht zur Kenntnis gebracht worden, sind unbegründet. Der Betriebsprüfungsbericht wurde im Rahmen der Schlussbesprechung am 22. Dezember 1995 den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht. Das in der Beschwerde angeführte TUA-Gutachten wird zwar in der Begründung des Sicherstellungsauftrages erwähnt, aber der erstangefochtene Bescheid stützt sich nicht (mehr) auf dieses Gutachten.

Die umfangreichen Beschwerdeausführungen, welche einen Vorwurf an die Beschwerdeführerin von einer Mitwirkung oder eines Mitwissens am "Vorsteuerschwindel" und in diesem Zusammenhang den Vorwurf von Scheingeschäften abwehren möchten, sind nicht zielführend, weil der erstangefochtene Bescheid ausdrücklich hervorhebt, es komme auf ein Verschulden bzw. ein Wissen um das Nichtvorliegen von der Rechnung entsprechenden Waren (für die Nichtanerkennung der Vorsteuer) nicht an.

Die bereits die Entstehung des Abgabenanspruchs (Rückforderungsanspruchs) bekämpfende Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid enthält keine Ausführungen zu der von der belangten Behörde angenommenen Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgaben.

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Oktober 2001

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