Normen
BAO §232 Abs1;
BAO §280;
UStG 1972 §11 Abs1 Z3;
UStG 1972 §11 Abs1 Z5;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;
UStG 1972 §12;
UStG 1994 §11 Abs1 Z3;
UStG 1994 §11 Abs1 Z5;
UStG 1994 §12 Abs1 Z1;
UStG 1994 §12;
BAO §232 Abs1;
BAO §280;
UStG 1972 §11 Abs1 Z3;
UStG 1972 §11 Abs1 Z5;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;
UStG 1972 §12;
UStG 1994 §11 Abs1 Z3;
UStG 1994 §11 Abs1 Z5;
UStG 1994 §12 Abs1 Z1;
UStG 1994 §12;
Spruch:
1.) Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2.) Der zweitangefochtene Bescheid wird, soweit er die Berufung der Beschwerdeführerin betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Festsetzung der Umsatzsteuer 1994 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, im Übrigen wird die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid, soweit er die Festsetzung der Umsatzsteuer für 1995 betrifft, als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdefall steht im Zusammenhang mit den unter der Bezeichnung "Vorsteuerschwindel des Werner Rydl" in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.
Bei der Beschwerdeführerin wurde vom 1. August bis 22. Dezember 1995 eine so genannte "Umsatzsteuervoranmeldungsprüfung" (Prüfung der Aufzeichnungen nach § 151 Abs. 1 BAO) für den Zeitraum Februar 1994 bis Juli 1995 durchgeführt.
Während dieser Prüfung ordnete das Finanzamt mit Sicherstellungsauftrag vom 23. August 1995 gemäß § 232 BAO die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Beschwerdeführerin zur Sicherung der Umsatzsteuer für September 1994 bis Juni 1995 in Höhe von insgesamt S 6,044.141,-- an. Im Sicherstellungsauftrag wurde auch ausgesprochen, dass das Unterbleiben von Maßnahmen zu seiner Vollziehung durch den Erlag eines Betrages von S 6,044.141,-- bewirkt werde. Zur Begründung des Sicherstellungsauftrages wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum September 1994 bis Juni 1995 für Rechnungen über "AURELA" Duftstoffe im Gesamtwert von netto S 30,220.703,99 Vorsteuerbeträge in Höhe von S 6,044.140,81 beanspruche. Die Waren seien von der U GmbH eingekauft und umsatzsteuerfrei an die Firma I-Ltd. in Brasilien verkauft worden. Die U GmbH habe ihrerseits die Waren bei der F GmbH, die im 100 %igen Eigentum des Werner Rydl stehe, gekauft. Die F GmbH kaufe die Waren bei Werner Rydl. Werner Rydl trete für die Firma I Ltd. auf. Im Ergebnis sei die Beschwerdeführerin daher in den Geschäftskreislauf eingebunden, in welchem sich die Ware befunden habe und der über die I Ltd. in Brasilien wieder zurück zur F GmbH und von dort zur U GmbH geführt habe. Die Ware selber sei nur einen Bruchteil dessen wert gewesen, was in den Fakturen aufscheine und werde nur zum Zwecke des vorsätzlichen Vorsteuerschwindels in den Kreislauf geschickt.
Die Beschwerdeführerin müsse mangels notwendiger Eigenkapitalausstattung die bei ihrem Lieferanten geschuldete Umsatzsteuer bis zur Rückzahlung der entsprechenden Vorsteuerguthaben mittels Bankkrediten vorfinanzieren.
Mit der Berufung gegen diesen Sicherstellungsauftrag brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie "die Rechnungen der U GmbH vollständig, d.h. auch inklusive der darin ausgewiesenen Umsatzsteuer bezahlt und schließlich die Ware an einen ausländischen Abnehmer weiterverkauft, sodass sie völlig zu Recht die von ihr bezahlte Mehrwertsteuer als Vorsteuer geltend gemacht" habe. Weitere exekutive Maßnahmen gegen die Beschwerdeführerin, die über die bloße Pfändung von Büroeinrichtung hinausgingen, wären existenzbedrohend.
Diese Berufung wurde mit dem erstangefochtenen Bescheid abgewiesen.
Ebenfalls noch während der erwähnten Prüfung der Aufzeichnungen setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 9. November 1995 die Umsatzsteuer für das Jahr 1994 mit - S 3,323.023,-- erklärungsgemäß fest.
Nach Abschluss der Aufzeichnungsprüfung wurde mit Bescheiden vom 11. Jänner 1996 das Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 1994 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufgenommen, die Umsatzsteuer für das Jahr 1994 neu mit - S 808.051,-- festgesetzt. In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor allem Begründungsmängel der bekämpften Bescheide vor.
Mit dem Bescheid vom 17. Mai 1996 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für 1995 abweichend von der eingebrachten Erklärung mit - S 111.175,-- fest.
Gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer 1995 erhob die Beschwerdeführerin Berufung und machte Mangelhaftigkeit des Beweisverfahrens geltend. Die belangte Behörde habe durch ein der Beschwerdeführerin im Zuge des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangtes Gutachten nicht Parfumstoffe geprüft, welche die Beschwerdeführerin nach Brasilien geliefert habe, sondern Parfumstoffe, die in Österreich sichergestellt worden seien. Es gebe kein Beweisergebnis, dass diese Stoffe ident seien. Das Gutachten habe nur die Materialkosten und damit nur einen Teil des Handelswertes der Parfumproben angegeben. Weiters enthält die Berufung rechtliche Ausführungen, wonach eine Lieferung der U GmbH an die Beschwerdeführerin vorgelegen sei und die geltend gemachte Vorsteuer daher zustünde.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde unter Hinweis auf "Umsatzsteuer 1994 und 1995" "die Berufung" als unbegründet ab.
Im zweitangefochtenen Bescheid gibt die belangte Behörde zunächst die Feststellungen "der Betriebsprüfung" wieder:
"Herkunft der Öle
Die gehandelten Parfumöle wurden ursprünglich bei der Firma M in Schörfling am Attersee von der Fa. I-tda., Brasilien, mit Lieferadresse, Fa. C S.A., Mondevideo, eingekauft. In der Beilage 2 sind die eingekauften Parfumöle mit deren ursprünglichen Markennamen sowie den Verkaufspreisen der Fa. M ersichtlich. Auf Grund der Produktbeschreibungen konnten sämtliche zwölf Parfumölsorten eindeutig den 'Aurela-Markennamen" zugeordnet werden.
In Montevideo wurden diese Parfumöle lediglich eingelagert und danach wieder nach Österreich zurückgeschickt. Als Empfänger dieser Waren scheint 1995 in acht Fällen H. U., ein Bekannter der Familie Rydl, auf. Wie bei der Spedition K eruiert werden konnte, belief sich z.B. eine Rücklieferung an H. U. vom Juni 1995 auf 681 Liter Parfumöl, wobei der Gesamtwert dieser Lieferung lt. Rechnung der Fa. C S.A., Montevideo, ca. öS 77.000,00 betrug (siehe Beilage 3, Rechnung der Fa. C S.A.). Bei den anschließenden Fakturierungen durch die Fa. F GesmbH, E. L:, U GesmbH., B Handelsagentur GesmbH. und M GesmbH. sowie bei den diversen Exporteuren beträgt der Literpreis Parfumöl zwischen öS 62.000,00 und S 130.000,00.
Wert der Öle
Zur Feststellung des tatsächlichen Wertes der gehandelten
Parfumöle sind daher folgende Faktoren maßgeblich:
- Die Behauptung des Werner Rydl, die Parfumöle würden von ihm produziert bzw. veredelt werden, wodurch sich die Preise der Aurela-Produkte" ergeben würden, ist eindeutig widerlegt und unrichtig.
- Die ursprünglichen Verkaufspreise der Fa. M sind der Beilage 2 zu entnehmen.
- Die Verkaufspreise der Fa. C S.A. sind der Beilage 3 zu entnehmen, wobei eine Zuordnung zu den einzelnen 'Aurela-Marken' nicht möglich ist, da für die Rücklieferung andere 'Phantasienamen' verwendet wurden; fest steht jedenfalls, dass diese Preise wesentlich geringer sind, als die ursprünglichen Verkaufspreise der Fa. M.
Dazu liegt eine Aussage des H. U. vor, wonach er im Auftrag des Werner Rydl Parfumöle mit Rapsöl gemischt hätte bzw. des inländischen Boten der Fa. F GesmbH (R. W.), wonach dieser die Parfumöle (ohne jegliche Bearbeitung) aus den Behältnissen der Rücklieferung in die Behältnisse für die Auslieferung an die inländischen Firmen umgefüllt hätte."
Weiters enthält der zweitangefochtene Bescheid:
"Spezielle Ausführungen zur Firma S GesmbH.
Von der geprüften Gesellschaft wurden im Zeitraum September 1994 bis Juli 1995 insgesamt 40 Exportgeschäfte durchgeführt (alle Exporte an die Fa. I-Ltda., Brasilien), wobei im Detail auf die Beilagen 5 und 6 verwiesen wird, in denen die gesamten Fakturierungsketten zu den jeweiligen Geschäften dargestellt sind.
In den Beilagen 7 und 8 werden die Geschäfte so dargestellt, wie diese tatsächlich abgelaufen sind, wobei ergänzend erläutert wird:
1) Bei den Parfumöllieferungen wird (entsprechend der Beilage 4) pro Liter Parfumöl ein Wert von öS 54,50 angesetzt (als Grundpreis der Firma F GesmbH.)."
Im Erwägungsteil führt die belangte Behörde im zweitangefochtenen Bescheid zur Abweisung der Berufung gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens aus:
"Dem Finanzamt war nicht bekannt, dass die Bw. von der Fa. U GesmbH beliefert wurde. Erst als der Prüfer die in Rede stehenden Rechnungen der genannten Firma sah, konnte der Erkenntnisprozess in Gang gesetzt werden. Auf die mit der Frau G. K. aufgenommene Niederschrift vom 13. Sept. 1995 hat auch der Bp-bericht Bezug genommen.
Wenn die Berufung zu dieser Niederschrift ausführt, dass Frau K. von den Betrügereien des Herrn Rydl nichts wusste, wird entgegengehalten, dass es für die Nichtanerkennung der Vorsteuer ausreichend ist, dass keine Lieferung von Waren, die den Fakturen entsprachen, stattgefunden hat, es kommt also nicht einmal auf ein Verschulden bzw. ein Wissen um das Nichtvorliegen einer der Rechnung entsprechenden Ware an.
* Es steht fest, dass der Prüfungsbericht auch auf andere Urkunden, wie z.B. auf die genannte Niederschrift verweist. Es steht aber auch fest, dass der Verweis auf andere Urkunden nicht verboten ist, sodass der Einwand, der Verweis auf andere Urkunden vermag die Bescheidbegründung nicht zu ersetzen, ins Leere geht, zumal auf den mit Berufung angefochtenen Bescheiden folgende Begründung zu lesen ist:
* Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 Abs. 4 BAO auf Grund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen Bescheid zu ersehen.
Der Berufungssenat findet, dass diese Begründung ausreichend ist."
Zu den Berufungen gegen die "Sachbescheide" führt die
belangte Behörde aus:
"Aurela Produkte
Die Berufungen bekämpfen die Feststellungen der 'minderwertigen' Waren. Wenn die Bw. ausführt, dass es bisher kein Beweisergebnis gegeben hat, dass die Waren tatsächlich 'minderwertig' gewesen seien, wird nochmals auf den vorher zitierten Bp-bericht verwiesen, indem ausgeführt wurde, dass die Behauptung des Werner Rydl, die Parfumöle würden von ihm produziert bzw. veredelt werden, wodurch sich die Preise der "Aurela-Produkte" ergeben würden, eindeutig widerlegt und unrichtig ist.
Die Bw. stellte nicht Abrede, dass es sich bei den gegenständlichen Lieferungen um 'Aurela-Produkte' handelte.
Mischung der Öle
Weiteres wurde ausgeführt, dass eine Aussage des H. U. vorliegt, wonach er im Auftrag des Werner Rydl die in Rede stehenden Parfumöle mit Rapsöl gemischt hätte. Wenn die Bw. in der Gegenäußerung zur Stellungnahme der Berufung ausführt, dass maßgeblich und wertbestimmend immer das Ergebnis der Mischung sei, und niemals der Handelswert der Bestandteile der Flüssigkeiten, wird auf Grund der im Bp-bericht festgehaltenen Aussage des H. U. aufmerksam gemacht, wonach Rapsöl dazugemischt wurde. Diese Aussage konnte durch das Gutachten von Prof. B. nicht widerlegt werden, da aus den beschlagnahmten 483 Parfumstoffen nur 'JEDE ZEHNTE PROBE' ausgewählt wurde.
Dass PARFUMÖLE durch Zumischung von Rapsöl besonders wertvoller würden, hat das Gutachten auch nicht behauptet.
Handelswert
Die Bw. behauptet nun, dass der Handelswert seitens der Bp außer Acht gelassen worden sei.
Da feststeht, dass die in Rede stehenden Waren den Kreislauf der von Rydl gelenkten Firmen nie verlassen hatten, und somit am freien Markt nicht gehandelt wurden, gibt es auch keinen Marktwert. Der Preis der Ware wurde ja vom Abnehmer vorgegeben. Durch die zugegebene Zumischung von Rapsöl waren sie nicht einmal den Materialwert mehr wert. Infolgedessen nimmt der Senat die Feststellung der Bp über die Minderwertigkeit der in Rede stehenden Öle als erwiesen an und somit kann davon ausgegangen werden, dass eine Lieferung von 'höherwertigen' Ölen tatsächlich nicht stattgefunden hat. Hat aber eine Lieferung von 'wertvollem' Parfumöl nicht stattgefunden, so kann dieses "aliud" nicht im weitesten Sinn als Kaufgegenstand der Bw. angesehen werden. Die bisher fehlende Lieferung kann auch nicht durch Gutgläubigkeit ersetzt werden, weil die tatsächlich ausgeführte Lieferung für den Vorsteuerabzug ein unabdingbares Tatbestandsmerkmal ist.
Qualifikation der Duftöle
Herkunft der Proben
Untersucht wurden 375 Parfümproben, die am 29.6.1995 bei der Fa. U GmbH beschlagnahmt wurden. Es kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die untersuchten Waren mit den von der Bw. verkauften Produkten inhaltlich ident sind.
Warenbewegungen
Die Fa. F GmbH gilt als 'Produzent der hochwertigen Endprodukte', sie verkaufte die Waren unter anderem an die Firmen U GmbH, Fa. L usw. Die Firmen L bzw. U bedienten sich verschiedener Exporteure, so auch der Bw. Die Exporteure lieferten an die Firmen I-Ltd., M usw., diese Firmen sandten die Öle an die Fa. C S.A. Montevideo/Uruguay. Von dort kamen die Öle über Herrn U., Pottendorf/NÖ wieder an die F GmbH.
Gutachten der Universität Wien
Wertbestimmende Faktoren
In dem Gutachten der Universität Wien, Institut für pharmazeutische Chemie, Univ. Prof. Mag. pharm. Dr. G. B. vom 9.2.1996 wird ausgeführt, dass sich der Handelswert von Parfümproben aus den Materialkosten (Rohstoffe, Arbeit, Flakon, Werbung) und den ideellen Kosten (Kreation, Idee, künstlerischer Wert, Name, Liebhaberwert, Exklusivität) zusammensetzt.
Methodik der Untersuchung
Es wurden gaschromatographisch-spektroskopische instrumentelle Messungen mit Auswertung der registrierten Daten, als auch organoleptische Prüfungen unter Hinzuziehung von geschulten Parfümeuren durchgeführt.
Wert der Öle
In dem Gutachten wurden die Materialwerte der Öle je nach Zusammensetzung auf S 100,-- bis max. S 600,-- geschätzt. Es wurde festgestellt, dass es sich bei den Proben um billige Produkte handelte.
Qualität der Öle
In einem Analysebericht des Institutes für Pharmazeutische Chemie wurde der Geruch der Öle als wenig ansprechend, als weit entfernt an Markenparfüm erinnernd, als 'lausig' bzw. billig bezeichnet. Teuerste Parfümöle, (nicht jedoch fertige Parfüm, bei denen noch Verpackung, künstlerische Gestaltung des Glases und vor allem der Name des Produktes hinzuzurechnen ist), kosten etwa S 7.000,-- pro kg. Aus dem hohen Anteil an Lösungsmitteln in der untersuchten Proben lässt sich schließen, dass die Öle gestreckt wurden."
Die weiteren Ausführungen der belangten Behörde geben zu erkennen, dass sie die Vorsteuer deshalb versagte, weil keine Lieferung von Waren stattgefunden habe, die den Fakturen entsprochen hätten.
Mit Beschluss vom 25. Februar 1997, B 4906/96, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen den zweitangefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie gem. Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges die Verbindung der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und über die Beschwerden erwogen:
Soweit der zweitangefochtene Bescheid die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide des Finanzamtes abweist, womit das Verfahren betreffend Umsatzsteuer 1994 wieder aufgenommen und die Umsatzsteuer für 1994 (neu) festgesetzt, wird, rügt die Beschwerdeführerin dazu, dass keine Feststellungen vorliegen, welche eine Wiederaufnahme rechtfertigen. Damit ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht:
Die belangte Behörde hat im zweitangefochtenen Bescheid selbst ausgeführt, dass beim Finanzamt der "Erkenntnisprozess", dass die Beschwerdeführerin von der U GmbH beliefert worden sei, erst in Gang gesetzt worden sei, als der Prüfer die in Rede stehenden Rechnungen der genannten Firma gesehen habe. Weiters verweist die belangte Behörde auf eine mit einer Angestellten der Beschwerdeführerin am 13. September 1995 aufgenommene Niederschrift, worauf der "Bp-bericht" Bezug genommen habe. Schließlich hat das Finanzamt am 23. August 1995 gerade wegen der Nichtanerkennung der auf Rechnungen der U GmbH an die Beschwerdeführerin ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer einen Sicherstellungsauftrag erlassen. Den behördlichen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, welche Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen wären (§ 303 Abs. 4 BAO), nachdem das Finanzamt mit Bescheid vom 9. November 1995 die Umsatzsteuer für 1994 festgesetzt hatte.
Da die behördlichen Feststellungen somit nicht erkennen lassen, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Umsatzsteuer 1994 vorgelegen seien, ist der zweitangefochtene Bescheid - soweit damit die Berufung gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens und gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer für 1994 abgewiesen worden ist - mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weswegen er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Des Weiteren bringt die Beschwerde vor, dass sich der zweitangefochtene Bescheid auch darauf stützt, dass die Waren in den Rechnungen angeblich nicht handelsüblich bezeichnet worden seien. Diese Begründung vermag den angefochtenen Bescheid tatsächlich nicht zu tragen, weil die belangte Behörde nicht dargestellt hat, auf Grund welcher Ermittlungen sie zu dem Ergebnis gekommen sei, dass nicht die von der U GmbH gewählte, sondern eine andere Bezeichnung handelsüblich wäre (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/15/0026).
Die belangte Behörde hat aber aus einem anderen Grund dem Vorsteuerabzug aus den Lieferungen der U GmbH zu Recht die Anerkennung versagt:
Die belangte Behörde hat festgestellt, dass Rechnungen "über extrem hochwertige Produkte ausgestellt worden sind, tatsächlich jedoch wertloses Öl geliefert wurde". Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen, dass die über teure und qualitativ hochwertige Produkte ausgewiesenen Rechnungen in den betroffenen Fällen dem Rechnungsempfänger das Recht auf Vorsteuerabzug dann nicht vermitteln, wenn die Gegenstände der tatsächlichen Lieferungen der qualitativ vergleichsweise krassen Minderwertigkeit wegen als andere als die verrechneten Waren zu qualifizieren gewesen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juli 2000, 97/13/0011, m.w.N.).
Die Ansicht der Beschwerdeführerin, es käme für die Vorsteuerabzugsberechtigung lediglich darauf an, dass das auf der Rechnung ausgewiesene Entgelt bezahlt worden ist und eine Lieferung oder sonstige Leistung, allenfalls auch eine mangelhafte Lieferung erfolgt ist, teilt der Gerichtshof nicht. Die darauf aufbauende Rechtsrüge der Beschwerdeführerin verfängt nicht.
Den Ausführungen des zweitangefochtenen Bescheides begegnet die Beschwerde damit, dass sie allgemein die Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör behauptet und ins Treffen führt, die Beschwerdeführerin hätte keine Möglichkeit gehabt, "auch nur irgendein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gegen Werner Rydl u. a. einzusehen". Eine Relevanz eines damit behaupteten Verfahrensfehlers wäre aber nur dann gegeben, wenn die angesprochenen Beweisergebnisse Feststellungen betreffen, auf die sich die belangte Behörde rechtserheblich gestützt hat, nicht jedoch hinsichtlich - rechtlich unerheblicher - "Hintergrundinformation" (wie die belangte Behörde ihre Ausführungen in der Gegenschrift selbst bezeichnet).
Die Beschwerdeführerin vermisst ein Beweisergebnis dafür, dass die von Univ. Prof. Mag. Dr. G.B. begutachteten Parfumstoffe ident mit jenen seien, welche die Beschwerdeführerin nach Brasilien geliefert habe. Das erwähnte Gutachten hatte u.a. 375 Parfumproben zum Gegenstand, welche bei der in der von Werner Rydl initiierten Lieferkette eingebundenen U GmbH beschlagnahmt worden waren. Die U GmbH war unstrittig die Lieferantin der von der Beschwerdeführerin unverändert nach Brasilien weiterverkauften Waren. Die Produktbeschreibung der verschiedenen von der U GmbH an die Beschwerdeführerin fakturierten Aurela-Parfumöle ist gleich lautend mit Produktbeschreibungen der beschlagnahmten Parfumöle. Im Hinblick auf die Identität des Lieferanten (U GmbH) und die Identität der Bezeichnung der Parfumöle durfte die belangte Behörde annehmen, dass "die untersuchten Waren mit den von der Bw. verkauften Produkten inhaltlich ident" seien (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. März 1999, Zl. 98/15/0026, und vom 27. Juni 2001, Zl. 98/15/0174). Die Beschwerdeführerin zeigt mit ihrem Vorbringen keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde auf.
Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführerin sei die Aussage des H.U. im Abgabenverfahren nicht zur Kenntnis gebracht worden, dass Werner Rydl die Parfumöle mit Rapsöl gemischt hätte, vermag keinen Verfahrensfehler mit Relevanz für den angefochtenen Bescheid aufzuzeigen, weil es für das Ergebnis belanglos ist, ob es sich bei dem von der U GmbH an die Beschwerdeführerin gelieferten Waren um (durch Rapsöl gestrecktes) wertloses Material oder um - wie im Gutachten beschrieben - minderwertige Parfumöle gehandelt hat, während auf den die Umsatzsteuer ausweisenden Rechnungen der U GmbH hochwertige Parfumöle ausgewiesen sind.
Ebenfalls ohne Auswirkung auf das im angefochtenen Bescheid gefundene Ergebnis bleibt der von der Beschwerdeführerin aufgezeigte Verfahrensmangel, dass ihr ein Analysebericht (gemeint: der im Verwaltungsakt enthaltene, mit 26. Mai 1995 datierte und an Hand des Fax-Kopfes vom 13. Jänner 1997 offensichtlich erst nachträglich den Verwaltungsakten einverleibte Analysebericht) nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, welcher von einem Geruch der Öle als "lausig bzw. billig" spricht. Der zweitangefochtene Bescheid, der sich auch auf das erwähnte Gutachten vom 9. Februar 1996 stützt, welches vom Materialwert der Öle je nach Zusammensetzung von S 100,-- bis maximal S 600,-- spricht, und feststellt, dass es sich bei den Proben um billige Produkte handelte, wäre zu keinem anderen Ergebnis gekommen, wenn er den Analysebericht nicht zusätzlich angeführt hätte.
Die Ausführungen im zweitangefochtenen Bescheid über den Wissensstand des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin um die tatsächlich gelieferten Waren sind für das rechtliche Ergebnis ohne Bedeutung, weshalb die dagegen gerichteten Beschwerdeausführungen auf sich beruhen können.
Da die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des zweitangefochtenen Bescheides, soweit er über die Umsatzsteuer 1995 abspricht, nicht aufzuzeigen vermag, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Dem erstangefochtenen Bescheid liegt ein Sicherstellungsauftrag des Finanzamtes zu Grunde, welcher dieselben Abgaben erfasst, deren Festsetzung mit dem zweitangefochtenen Bescheid im Instanzenzug erfolgt ist.
§ 232 Abs. 1 BAO lautet:
"§ 232. (1) Die Abgabenbehörde kann, soweit der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden."
Wie die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid zutreffend anführt, setzt die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages voraus, dass ein Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz eine Abgabepflicht knüpft.
Abgabenanspruch ist auch der Rückforderungsanspruch eines zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerüberhangs. Es kommt dabei -
entgegen den Beschwerdeausführungen, welche von einem Rückzahlungsanspruch erst auf Grund eines vollstreckbaren Bescheides sprechen - nicht darauf an, ob ein Guthaben ausbezahlt worden ist.
Soweit die Beschwerde sodann die Nichtanerkennung der Vorsteuern bekämpft, welche Streitgegenstand des zweitangefochtenen Bescheides sind, ist auf das zum zweitangefochtenen Bescheid Gesagte zu verweisen. In diese Richtung weisende Rechtsrügen gehen daher ins Leere.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich das Verfahren über eine Berufung gegen einen Sicherstellungsauftrag auf die Überprüfung der Frage zu beschränken, ob die im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die Sicherstellung angeordnet wurde, dafür erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren oder nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2000, Zl. 99/13/0244, m.w.N.).
Auch im erstangefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass von der U GmbH Rechnungen über hochwertige Duftstoffe an die Beschwerdeführerin ausgestellt worden sind, während tatsächlich minderwertige Waren, die im Wert wesentlich unter dem in den Rechnungen angegebenen liegen, geliefert worden sind. Die Lieferung minderwertiger Waren sei aber, gemessen an den vereinbarten Kaufobjekten, eine Lieferung völlig anderer Waren, die nichts mit hochwertigen Waren gemein hätten.
Dass der erstangefochtene Bescheid dabei auf die Feststellungen der Betriebsprüfung verweist, welche erst nach Erlassung des Sicherstellungsauftrages zum Abschluss gekommen war, ist unbedenklich. Denn gemäß § 280 BAO ist bei der Entscheidung über die Berufung gegen einen Sicherstellungsauftrag auf im Berufungsverfahren der Behörde zur Kenntnis gelangte neue Tatsachen und Beweise - soweit diese im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrages objektiv gegeben waren - Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1997, 95/15/0057, m.w.N.). Die Verfahrensrügen der Beschwerdeführerin, vor Erlassen des Sicherstellungsauftrages seien ihr der Betriebsprüfungsbericht oder ein Gutachten der technischen Untersuchungsanstalt nicht zur Kenntnis gebracht worden, sind unbegründet. Der Betriebsprüfungsbericht wurde im Rahmen der Schlussbesprechung am 22. Dezember 1995 den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht. Das in der Beschwerde angeführte TUA-Gutachten wird zwar in der Begründung des Sicherstellungsauftrages erwähnt, aber der erstangefochtene Bescheid stützt sich nicht (mehr) auf dieses Gutachten.
Die umfangreichen Beschwerdeausführungen, welche einen Vorwurf an die Beschwerdeführerin von einer Mitwirkung oder eines Mitwissens am "Vorsteuerschwindel" und in diesem Zusammenhang den Vorwurf von Scheingeschäften abwehren möchten, sind nicht zielführend, weil der erstangefochtene Bescheid ausdrücklich hervorhebt, es komme auf ein Verschulden bzw. ein Wissen um das Nichtvorliegen von der Rechnung entsprechenden Waren (für die Nichtanerkennung der Vorsteuer) nicht an.
Die bereits die Entstehung des Abgabenanspruchs (Rückforderungsanspruchs) bekämpfende Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid enthält keine Ausführungen zu der von der belangten Behörde angenommenen Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgaben.
Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 17. Oktober 2001
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