VwGH 96/12/0235

VwGH96/12/023518.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des R in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juni 1996, Zl. 6235/163-II/4/96, betreffend Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §121 Abs1;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §121 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des vorgelegten angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer stand seit 1. September 1991 in einem provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; er war zuletzt beim Gendarmerieposten M tätig.

Am 24. November 1993 legte der Beschwerdeführer beim GP M einen Dienstauftrag für eine Übersiedlung von L nach M vor. Das Landesgendarmeriekommando zahlte ihm den ausgewiesenen Rechnungsbetrag (für die Übersiedlung) in der Höhe von S 28.595,60 aus, obwohl er tatsächlich gar nicht übersiedelt war.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Juli 1995 wurde der Beschwerdeführer wegen dieser Tat zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe, bedingt auf drei Jahre, nach §§ 145 und 146 StGB verurteilt. Im darauffolgenden Disziplinarverfahren verhängte die Disziplinarkommission über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 40.000,--.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. Juni 1996 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich vom 11. April 1996 ab, mit dem das provisorische Dienstverhältnis des Beschwerdeführers unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31. August 1996 gekündigt worden war.

Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei ausschließlich auf Grund des vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltens zu beurteilen. Soweit die Dienstbehörde erster Instanz den Ausgang des Strafverfahrens abgewartet habe, sei dies im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sachlich gerechtfertigt gewesen. Zum Berufungsvorbringen, die Disziplinarkommission habe keine Entlassung, sondern nur eine Geldstrafe, gegen die der Disziplinaranwalt kein Rechtsmittel erhoben habe, verhängt, weshalb von einem intakten Vertrauensverhältnis auszugehen sei, das die ausgesprochene Kündigung rechtswidrig mache, führte die belangte Behörde aus, die Kündigung eines provisorischen Beamten wegen pflichtwidrigen Verhaltens sei losgelöst von einem allfälligen Disziplinarverfahren zu beurteilen. Mit dem Ausgang des Disziplinarverfahrens könne daher der Beschwerdeführer für das Kündigungsverfahren nichts gewinnen. Als Gendarmeriebeamter sei der Beschwerdeführer nicht nur Straßenaufsichtsorgan im Sinne der straßenrechtlichen Vorschriften, sondern auch Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes mit der Aufgabe der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit sowie der Gefahrenabwehr. Durch die Tat, die zur strafgerichtlichen Verurteilung wegen schweren Betruges nach den §§ 146 und 147 StGB geführt habe, habe der Beschwerdeführer eine Straftat begangen, zu deren Verhinderung er eigentlich Dienst zu leisten gehabt hätte. Durch dieses Verhalten habe er nicht nur das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner Aufgaben als Exekutivbeamter schwer erschüttert, sondern es liege auch "ein eklatanter Vertrauensbruch des Dienstgebers" vor. Der Dienstgeber müsse sich nämlich darauf verlassen können, daß die Exekutivbeamten die ihnen bekannt gewordenen Strafen von sich aus, wenn möglich schon vor ihrer Begehung, unterbinden oder sonst aufklären und zur Anzeige bringen würden. Grundvoraussetzung dafür sei jedoch, daß die Exekutivbeamten selbst gesetzestreu seien und keine strafgesetzlichen Tatbestände setzten. Bei Exekutivbeamten, die selbst strafgesetzlich verurteilt worden seien, bestehe seitens des Dienstgebers jedenfalls kein Vertrauen mehr darin, daß dieser Beamte seine dienstlichen Aufgaben auch ordnungsgemäß erfülle bzw. sei davon auszugehen, daß er für den Exekutivberuf nicht geeignet sei. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (wird näher ausgeführt) sei daher die Kündigung des Beschwerdeführers zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, kann das provisorische Dienstverhältnis mit Bescheid gekündigt werden. Nach Ablauf der Probezeit ist die Kündigung nach § 10 Abs. 3 BDG 1979 nur mit Angabe des Grundes möglich. Einen Kündigungsgrund stellt nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 pflichtwidriges Verhalten dar.

Gemäß § 121 Abs. 1 BDG 1979 darf eine Dienstpflichtverletzung über eine Disziplinarstrafe hinaus zu keinen dienstlichen Nachteilen führen.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "rechtskonforme Interpretation des BDG verletzt." Darüber hinaus liege ein Willkürakt der Behörde vor. Auch wenn die Dienstbehörde entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berechtigt gewesen sei, mit ihrem Kündigungsverfahren das gerichtliche Strafverfahren abzuwarten, wäre es ihr in angemessener Zeit zumutbar gewesen, in der Folge das Kündigungsverfahren einzuleiten bzw. durchzuführen. Stattdessen habe sie vielmehr auf den Abschluß des bereits eingeleiteten Disziplinarverfahrens gewartet, da dieses - wie auch vom Vertreter der Dienstbehörde gefordert worden sei - mit einer Entlassung hätte enden sollen. Da die Disziplinarkommission nur eine Geldstrafe verhängt habe, sei das Kündigungsverfahren eingeleitet worden. Wenn die Dienstbehörde der Auffassung gewesen sei, daß sich eine Kündigung allenfalls durch ein Disziplinarverfahren erübrige, müsse sie sich auf der anderen Seite aber gefallen lassen, daß sie an die Rechtsauffassung der Disziplinarkommission gebunden sei. Die Einleitung des Kündigungsverfahrens bedeute im Ergebnis, daß die Dienstbehörde mit dem Ausgang des Disziplinarverfahrens nicht einverstanden sei. Dies sei eine willkürliche Interpretation des BDG. Die Behörde hätte nur dann nicht willkürlich gehandelt, wenn sie entweder unverzüglich ein Kündigungsverfahren (nach rechtskräftigem Abschluß des strafgerichtlichen Verfahrens) eingeleitet oder die Beurteilung der Disziplinarkommission bezüglich seiner Tragbarkeit für den Gendarmeriedienst zur Kenntnis genommen hätte.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolgt die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im allgemeinen wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Es ist demnach die Zweckbestimmung des der Definitivstellung des öffentlich-rechtlichen Bediensteten vorgeschalteten provisorischen Dienstverhältnisses, den Beamtennachwuchs nochmals in der Weise sieben zu können, daß alle sich nicht voll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, eine längere oder eine kürzere Zeit zurückliegen. Denn die Dienstbehörde hat nach dem Gesagten das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches und außerdienstliches Verhalten zu prüfen. Es ergibt sich aber auch weder aus der sprachlichen Bedeutung des Wortes "Verhalten" noch aus der Bestimmung des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979, daß von einem pflichtwidrigen Verhalten im Sinne der angeführten Vorschrift etwa nur dann gesprochen werden kann, wenn zeitlich andauernde oder wiederkehrende Handlungen des Beamten vorliegen. Auch die einmalige Tat eines Beamten - ungeachtet eines früheren und späteren dienstlichen oder außerdienstlichen Wohlverhaltens - kann derart schwerwiegend sein, daß durch sie der Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 verwirklicht wird (vgl. insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1984, Zl. 83/12/0088).

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer wegen der in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegten Verfehlung sowohl strafgerichtlich als auch disziplinär zur Verantwortung gezogen worden ist. Bereits daraus folgt, daß es sich bei der Verfehlung des Beschwerdeführers nicht bloß um eine geringfügige Pflichtverletzung gehandelt hat (vgl. zur Frage der Geringfügigkeit beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. März 1987, Zl. 86/12/0168). Weiters entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß die Frage der Kündigung eines provisorischen Beamten wegen pflichtwidrigen Verhaltens im Sinn des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 losgelöst von einem allfälligen Disziplinarverfahren zu beurteilen ist. Die Bestimmung des § 121 Abs. 1 BDG 1979, die offenbar dem Beschwerdeführer vorschwebt, kann nicht dazu führen, daß der provisorische Beamte, gegen den wegen einer Dienstpflichtverletzung im Disziplinarverfahren eine geringere Strafe als die Entlassung ausgesprochen wurde, obwohl er durch diese Dienstpflichtverletzung ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 an den Tag gelegt und dadurch dargetan hat, daß er für den von ihm zu besorgenden Dienst nicht geeignet ist und den an ihn gestellten Anforderungen nicht entspricht, in ein definitives Dienstverhältnis übernommen werden muß. Andernfalls wäre ja die Dienstbehörde gezwungen, wider ihr besseres Wissen einen Beamten in eine unkündbare Stellung zu übernehmen. Eine solche Überlegung kann jedoch dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden (vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. März 1982, Zl. 81/12/0014 = Slg. N.F. Nr. 10.666/A, vom 16. Jänner 1984, Zl. 83/12/0088, vom 27. Oktober 1986, Zl. 85/12/0230, sowie vom 23. September 1991, Zl. 91/12/0148). Daher kann dem Beschwerdeführer auch der Hinweis, die DK habe durch die Verhängung einer Geldstrafe festgestellt, daß sein pflichtwidriges Verhalten noch zu keinem endgültigen Vertrauensverlust geführt habe, nicht helfen, weil diese Verfehlung des Beschwerdeführers im dienstbehördlichen Kündigungsverfahren unabhängig von einem Disziplinarverfahren zu werten und diese Pflichtverletzung auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes von der Behörde zu Recht als nicht bloß geringfügig betrachtet worden ist.

Da bereits auf Grund der Beschwerde erkennbar war, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Soweit in der Amtlichen Sammlung nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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