VwGH 96/11/0329

VwGH96/11/032922.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der X-GmbH in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. September 1996, Zl. VI/4-Vet-15, betreffend Zurückweisung von Anträgen auf Wiederaufnahme von Verfahren in Angelegenheit Schlachttier- und Fleischuntersuchungsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs2;
FleischUG 1982 §47 Abs1;
FleischUG 1982 §48;
VwRallg;
AVG §69 Abs2;
FleischUG 1982 §47 Abs1;
FleischUG 1982 §48;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit zehn von Jänner bis Oktober 1994 jeweils zum Monatsende erlassenen Bescheiden des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Amstetten wurde der Beschwerdeführerin, die in dieser Gemeinde einen Schlachtbetrieb unterhielt, Gebühren für die Durchführung der Vieh- und Fleischbeschau im abgelaufenen Monat vorgeschrieben.

Mit Schriftsatz vom 28. August 1995 (eingelangt am 30. August 1995) beantragte die Beschwerdeführerin u.a. die Wiederaufnahme der diesen Bescheiden zugrunde liegenden Verfahren mit der Begründung, in den vorgeschriebenen Gebühren seien Umsatzsteueranteile der zu Fleischuntersuchungsorganen bestellten Tierärzte enthalten. Diese seien mit behördlichen Aufgaben betraut und mit bestimmten Macht- und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet. Die ihnen für diese Tätigkeit gewährten Bezüge unterlägen nicht der Umsatzsteuerpflicht, weshalb die Wiederaufnahme der Verfahren und die Erstattung der darauf entfallenden Beträge begehrt werde. Die mangelnde Umsatzsteuerpflicht dieser Entgelte ergebe sich aufgrund eines Erlasses des Bundesministeriums für Finanzen vom 1. Juni 1995.

Mit Bescheid vom 12. September 1995 wies der Bürgermeister der Stadtgemeinde Amstetten die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren ab.

Der dagegen erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der Stadtgemeinde Amstetten mit Bescheid vom 8. Februar 1996 gemäß § 213 NÖ Landesabgabenordnung 1977 keine Folge.

Der dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid Folge gegeben und der Bescheid des Gemeinderates vom 8. Februar 1996 wegen dessen Unzuständigkeit aufgehoben (Spruchpunkt I); weiters wurden in Erledigung der Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Amstetten vom 12. September 1995 die oben beschriebenen Anträge auf Wiederaufnahme von Verfahren gemäß § 69 Abs. 2 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides).

Gegen diesen Bescheid - und zwar, wie sich aus der Umschreibung des Beschwerdepunktes im Zusammenhalt mit den Beschwerdegründen ergibt, nur gegen dessen Spruchpunkt II - richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 47 Abs. 1 Fleischuntersuchungsgesetz (in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 118/1994) ist für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung vom Verfügungsberechtigten eine Gebühr zu entrichten. Diese Gebühr wird mit der Untersuchung fällig.

Gemäß § 48 leg. cit. finden bei der Bemessung, Einhebung und der zwangsweisen Einbringung der im § 47 geregelten Gebühren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz Anwendung.

2. Gemäß § 47 Abs. 1 Fleischuntersuchungsgesetz (in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 118/1994) sind die Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung, die Auslandsfleischuntersuchung und die sich aus diesem Bundesgesetz ergebenden, sonstigen Untersuchungen und Kontrollen ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben.

Zufolge Z. 43 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 118/1994 entfiel § 48 Fleischuntersuchungsgesetz.

§ 47 und die Aufhebung des § 48 traten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 118/1994 am Ersten des auf seine Kundmachung folgenden neunten Monats in Kraft (§ 51 Abs. 3 Fleischuntersuchungsgesetz). Die Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 118/1994 erfolgte am 17. Februar 1994, sodaß die genannten Bestimmungen mit 1. November 1994 in Kraft traten.

3. Die belangte Behörde stützte die Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren darauf, daß der Antrag der Beschwerdeführerin entgegen § 69 Abs. 2 AVG keine Angaben über die Rechtzeitigkeit des Antrages enthalte. Ein Fehlen solcher Angaben könne nicht als Formgebrechen nach § 13 Abs. 3 AVG behandelt werden.

Die Beschwerdeführerin vertritt demgegenüber die Auffassung, aufgrund der durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 118/1994 geschaffenen Rechtslage sei bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit und der Zulässigkeit ihres Antrages auf Wiederaufnahme von Verfahren nicht das AVG, sondern die NÖ Landesabgabenordnung 1977 anzuwenden. Der Antrag auf Wiederaufnahme sei innerhalb der dreimonatigen Frist des § 224 Abs. 2 dieses Gesetzes gestellt worden. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antrag eine anderslautende Vorfragenentscheidung (§ 224 Abs. 1 lit. c leg. cit.) durch den Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom 1. Juni 1995 als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht. Ihr Antrag sei am 29. August 1995 zur Post gegeben worden und daher rechtzeitig. Es liege zudem eine neue Tatsache vor, denn "die Frage, ob die freiberuflich tätigen Fleischuntersuchungsorgane mit Hoheits-, Macht- und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind, ist eine solche im Seinsbereich".

4. Der Beschwerdeführerin ist folgendes entgegenzuhalten:

Die bis einschließlich Oktober 1994 anfallenden Schlachttier- und Fleischuntersuchungsgebühren waren nach der oben unter 1. dargestellten Rechtslage unter Anwendung des AVG vorzuschreiben. Erst ab November 1994 entstandene Gebührenschulden waren unter Anwendung der Landesabgabenordnung von den dazu zuständigen Behörden festzusetzen. Dies entspricht dem bei der bescheidmäßigen Festsetzung von Beiträgen, Abgaben, Gebühren etc., die in einem bestimmten Zeitraum entstanden sind, zu beachtenden Grundsatz, daß - wenn nicht ausdrücklich etwas anderes, z.B. eine rückwirkende Änderung, angeordnet wird - die entsprechenden Regelungen in der Fassung zur Zeit der Verwirklichung des Beitrags-, Abgaben- oder Gebührentatbestandes anzuwenden sind, auch wenn im Zeitpunkt der Entscheidung bereits eine andere Fassung in Geltung steht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 96/11/0129, mit Hinweis auf Stoll, BAO-Kommentar, 62 und die dort zitierte hg. Rechtsprechung).

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme von Verfahren betrifft ausschließlich Beiträge für Zeiträume, für die die Gebühren nach der bis einschließlich Oktober 1994 geltenden Rechtslage unter Anwendung des AVG festzusetzen waren und auch tatsächlich festgesetzt wurden. Erst für die ab 1. November 1994 entstandenen Schlachttier- und Fleischuntersuchungsgebührenschulden war die neue Rechtslage maßgebend. Daraus folgt aber, daß auch die Anträge auf Wiederaufnahme von Verfahren nach der Verfahrensordnung zu beurteilen waren, die bei Erlassung der Bescheide, mit denen die Verfahren, deren Wiederaufnahme angestrebt wird, abgeschlossen wurden, anzuwenden war. Die belangte Behörde hat demnach zu Recht § 69 Abs. 2 AVG angewendet und die Anträge auf Wiederaufnahme der mit den genannten Bescheiden abgeschlossenen Verfahren als verspätet zurückgewiesen. Es fehlten somit die Voraussetzungen für eine meritorische Erledigung des Wiederaufnahmsantrages, sodaß Erörterungen darüber, ob das von der Beschwerdeführerin Vorgebrachte geeignet ist, einen Wiederaufnahmsgrund nach § 69 Abs. 1 Z. 2 oder 3 AVG darzutun, entbehrlich sind. Die Beschwerde, die in Ansehung der Zulässigkeit der Wiederaufnahmsanträge allein mit der mangelnden Anwendbarkeit des AVG, insbesondere dessen § 69 Abs. 2, argumentiert, erweist sich daher als unbegründet und war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte