Spruch:
Die zu den Zlen. 96/10/0033 und 97/10/0089 protokollierten Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die zur Zl. 97/10/0107 protokollierte Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der zur Zl. 98/10/0152 protokollierte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Jänner 1996 wurde ausgesprochen, der Beschwerdeführer habe sich in der schriftlichen Berufung vom 3. Dezember 1995 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Donaustadt, vom 15. November 1995, Zl. S 203802/95, durch nachstehende Äußerungen einer beleidigenden Schreibweise bedient:
""Bezirkspolizeikommissariat Donaustadt
Dr. Adolf Hitlerplatz;...flaschengrün Gewandete mit gürtelähnlicher Einschnürung um die Taille und dem Etikett Polizei ...flaschengrüne psychopathische Marodeure ...zwei Flaschengrüne ...die Flaschengrünen ...flaschengrünen Prügeltruppe ...flaschengrünen Prügelorgie ..flaschengrüne Elemente ...;
Seitens der Flaschengrünen fielen Bemerkungen, daß es Ihnen eine sicht- und hörbare psychopathologische Lust bereitete, zu quälen, manche der 6-8 anwesenden Flaschengrünen äußerten dies durch Lustgestöhne und Wonnegrunzen..."
mehrmals durch den Ausdruck: "...Bescheis ...;
...Aufgrund der Meldungen dienstlicher Wahrnehmungen, liegt der begründete Verdacht nahe, daß Meldungsleger und Zeugen an wahnhafter (paranoider) Störung (297.10 des DSM-III-R Systems psychischer Störungen) erkrankt sind ...
...Zum Beweis wird die Einweisung des Meldungslegers sowie der Zeugen in eine psychiatrische Anstalt für die Dauer von sechs Wochen zur Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens beantragt...
...Ich beantrage daher, daß mich die Behörde ermittelnd am Arsch leckt, und zwar im Sinne von Müssen und nicht im Sinne von Können...
...Es besteht kein gesetzliches Arschleckverbot...
...soferne deren Psychiatrierung ergibt, daß diese Wahrnehmungen machen konnten...
...widerrechtlich von privaten flaschengrünen Marodierern tätlich angegriffen wurde, die eine psychopathologische Lust an Gewaltausübung hatten, ...
... zur Wahrung meiner Rechte auch ein psychiatrisches
Gutachten der Behörde, bzw. d. Approbanten u.d. Sachbearbeiter beantragt werden muß. Es liegt der begründete Verdacht nahe, daß sich diese der Tragweite ihres Tuns und Unterlassens nicht mehr voll orientierungsfähig erwiesen...""
Es wurde gegen ihn gemäß § 34 Abs. 3 AVG eine Ordnungsstrafe in Höhe von S 1.000,-- verhängt.
Auf die Begründung des angefochtenen Bescheides wird verwiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 96/10/0033 protokollierte Beschwerde. Darin wird - soweit sich ihr Vorbringen an den Verwaltungsgerichtshof richtet - "angeregt, daß dem weiteren Rahmen der zulässigen Ausdrucksweise der MRK Rechnung getragen wird". Weiters werden ohne weitere Konkretisierung Ermittlungsmängel geltend gemacht, bei deren Vermeidung sich nach Auffassung der Beschwerde ergeben hätte, daß keine beleidigende Schreibweise vorliege. Nach Auffassung der Beschwerde hätte die belangte Behörde eine Ermahnung oder einen auf § 21 VStG gestützten Bescheid erlassen müssen. "Nach sorgfältiger Beachtung der Urteile zum Art. 10 MRK" sei nicht vorhersehbar gewesen, daß der UVS bereits eine beleidigende Schreibweise annehmen würde. Bei sorgfältiger Ermittlung hätte die belangte Behörde "infolge Irrtums von einer Strafe überhaupt absehen können".
2. Am 30. Oktober 1996 überreichte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "hinsichtlich des folgenden Beschwerdevorbringens". Darin bringt er vor, er habe sich in einem Schriftsatz an die Bundesregierung einer im einzelnen wiedergegebenen Ausdrucksweise bedient, die (offenbar in ihrem beleidigenden Inhalt) weit über die im angefochtenen Bescheid zu 1. inkriminierte Äußerung hinausgehe. Dennoch sei keine Ordnungsstrafe verhängt worden.
3. Mit Bescheid vom 12. Februar 1997 sprach der Unabhängige Verwaltungssenat Wien aus, daß sich der Beschwerdeführer im Schreiben an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien vom 19. Februar 1996 durch nachstehende Äußerung einer beleidigenden Schreibweise bedient habe:
"Der genehmigende Beamte nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war und daher die Tragweite seiner Handlungen nicht richtig abzusehen vermochte".
Es wurde gemäß § 34 Abs. 3 AVG eine Ordnungsstrafe von S 800,-- verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 97/10/0089 protokollierte Beschwerde. Diese macht im wesentlichen geltend, es handle sich "um eine im Rahmen des 10 MRK zulässige Ausdrucksweise". Die Verjährung sei nicht berücksichtigt worden. Die Strafbemessung und die Subsumtion unter den Tatbestand sei unschlüssig begründet, der Sachverhalt unvollständig und aktenwidrig zugrunde gelegt worden.
4. Mit Beschluß vom 10. Juni 1997, B 1153/97, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gegen den unter 3. angeführten Bescheid über Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 34 Abs. 2 und 3 AVG können von der Behörde gegen Personen, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen, Ordnungsstrafen bis S 1.000,-- verhängt werden.
Es ist unbestritten, daß sich der Beschwerdeführer in Eingaben der jeweils im Spruch der angefochtenen Bescheide festgestellten Ausdrucksweise bedient hat. Es war nicht rechtswidrig, diese Schreibweise als beleidigend anzusehen; es kann nicht davon die Rede sein, daß es sich dabei um eine auf die Sache beschränkte, den Mindestforderungen des Anstandes entsprechende Kritik gehandelt hätte (vgl. die bei Walther/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 34 AVG, E 29 und 44 angeführte Rechtsprechung).
Zu 1. und 3.:
Der Hinweis der Beschwerden auf Art. 10 MRK ist nicht zielführend. Die Möglichkeit der Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise kann als eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit gelten, die in einer demokratischen Gesellschaft zur Aufrechterhaltung der Ordnung unentbehrlich und daher unter dem Blickwinkel des Art. 10 MRK unbedenklich ist (vgl. VfSlg. 7900/1976 und 13035/1992). Ebensowenig kann davon die Rede sein, daß in den vorliegenden Fällen bei Bedachtnahme auf die durch Art. 10 MRK gebotene Auslegung des Einschränkungstatbestandes die Schreibweise des Beschwerdeführers als auch im Rahmen des § 34 Abs. 3 AVG zulässig anzusehen wäre.
Soweit die Beschwerde ohne Darstellung der Relevanz Ermittlungsmängel im Zusammenhang mit der Wertung der Schreibweise als beleidigend und mit der "Strafbemessung" geltend macht, ist auf folgendes hinzuweisen:
Die Wertung der Schreibweise als beleidigend stellt die Lösung einer Rechtsfrage dar. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt - der Wortlaut der Äußerungen des Beschwerdeführers - blieb unbestritten. Bei dieser Sachlage waren keine (weiteren) Ermittlungen geboten. Dem ist hinzuzufügen, daß im Verfahren über die Verhängung von Ordnungsstrafen die Vorschriften des AVG über das Ermittlungsverfahren aus dem im Erkenntnis vom 30. Mai 1994, Slg. 14064/A, dargelegten Gründen nicht anzuwenden sind (vgl. ebenso das Erkenntnis vom 17. Februar 1997, Zl. 95/10/0221).
Soweit sich der Beschwerdeführer auf Vorschriften des materiellen Strafrechtes bezieht, übersieht er, daß Ordnungsstrafen nicht unter dessen Vorschriften fallen (vgl. auch hiezu das Erkenntnis vom 30. Mai 1994). Es ist daher auch die Verjährungseinrede nicht zielführend, weil § 31 VStG auf Ordnungsstrafen gemäß § 34 AVG weder unmittelbar noch analog anwendbar ist (vgl. Walther/Thienel, aaO, E 9).
Es liegt auch kein Anhaltspunkt dafür vor, daß der Beschwerdeführer seine Schreibweise nicht als beleidigend hätte erkennen können; im übrigen wird das Vorliegen einer Beleidigungsabsicht vom gesetzlichen Tatbestand nicht vorausgesetzt (vgl. Walther/Thienel, aaO, E 29).
Es liegt auch keine Rechtswidrigkeit darin, daß der angefochtene Bescheid keine Leistungsfrist bestimmte (vgl. Walther/Thienel, aaO, § 59 AVG, E 349-351).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Im Hinblick auf diese Entscheidung erübrigen sich sowohl ein Verfahren zur Behebung von Mängeln der Beschwerden als auch Entscheidungen über die Anträge des Beschwerdeführers, den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Zu 2.:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG setzt die Versäumung einer Frist voraus. Im Unterbleiben der Erstattung eines Parteienvorbringens vor dem Verwaltungsgerichtshof liegt keine Fristversäumung. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung des Vorbringens einer rechtzeitig eingebrachten Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Zu 4.:
Der Beschwerdeführer hat sein Recht zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des UVS vom 12. Februar 1997 durch die Erhebung der zur Zl. 97/10/0089 erhobenen Beschwerde verbraucht. Die (inhaltsgleiche) gegen denselben Bescheid gerichtete, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene, beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 97/10/0107 protokollierte Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
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