VwGH 96/08/0402

VwGH96/08/040219.1.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des R in L, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, Hauptplatz 12/II, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 6. November 1996, Zl. LGS600/LA2/1218(7022)/1996-Dr.Puy/Fe, betreffend Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §46 Abs4;
AVG §37;
AlVG 1977 §46 Abs4;
AVG §37;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte mit Wirkung ab 18. März 1992 Arbeitslosengeld. Er legte eine Arbeitsbescheinigung seines letzten Dienstgebers vor, in der u.a. das "Bruttoentgelt inkl. Sonderzahlungsanteile" für die Entgeltabrechnungszeiträume vom 1. September 1991 bis 29. Februar 1992 angeführt war, und gab niederschriftlich an, er habe gegen seinen ehemaligen Dienstgeber "ein Verfahren bei der AK bezüglich der Entlohnung, der KUE und UE bzw. der Kündigung DN". Mit Schreiben vom 1. April 1992 teilte ein Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte dem Arbeitsamt namens des Beschwerdeführers mit, die vom ehemaligen Dienstgeber des Beschwerdeführers in der Arbeitsbescheinigung ausgewiesenen Beträge seien nicht richtig. Der Dienstgeber habe das Fixum des Beschwerdeführers zu gering berechnet und unter Mißachtung von Rechtsvorschriften die Provisionen geschmälert. Dieses Schreiben enthielt eine Aufstellung der Beträge, die der Bemessung des Arbeitslosengeldes richtigerweise zugrunde zu legen seien, Urkundenbeilagen und das Anbot weiterer Beweise.

Für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 18. März 1992 bis zum 31. Mai 1992 wurde das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers (zunächst) auf der Grundlage der in der Arbeitsbescheinigung genannten Beträge bemessen und zur Auszahlung gebracht.

Von Juni 1992 bis Juli 1995 informierte sich das Arbeitsamt über den Verlauf und den Erfolg der Bemühungen des Beschwerdeführers um die Durchsetzung seiner Ansprüche gegen seinen ehemaligen Dienstgeber.

Während dieses Zeitraumes legte der Beschwerdeführer u.a. eine Kopie seiner am 18. Juni 1993 beim Arbeits- und Sozialgericht gegen seinen ehemaligen Dienstgeber eingereichten Mahnklage vor. Der darin geltend gemachte Gesamtbetrag von S 43.138,21 sA bestand aus S 39.894,16 an Provisionsdifferenzen für Zeiträume zwischen September 1991 und Februar 1992, S 1.012,77 Urlaubsabfindung für das Urlaubsjahr 1992/93 (verbunden mit der Behauptung, das Dienstverhältnis habe erst am 31. März 1992 geendet) und S 2.231,28 für den unberechtigten Abzug eines Betrages in dieser Höhe bei der Endabrechnung (für einen nach den Behauptungen des Beschwerdeführers ihm als Prämie übergebenen Aluminiumkoffer).

Am 3. Februar 1994 gab der Beschwerdeführer niederschriftlich an, das Gerichtsverfahren sei "abgeschlossen". "Vergleich" habe er "keinen erhalten". Er habe eine Zahlung von "S 20.000,-- netto" erhalten, worin "UE, Lohnteile, Provisionen und Diäten" enthalten seien. Hiezu legte der Beschwerdeführer das an ihn gerichtete Schreiben eines Referenten der Kammer für Arbeiter und Angestellte vom 1. Dezember 1993 vor, wonach mit dem ehemaligen Dienstgeber des Beschwerdeführers ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen und die Vergleichssumme von "S 20.000,-- netto" mittlerweile gezahlt worden sei. Weiters erklärte der Beschwerdeführer sein Einverständnis mit der Einholung von Auskünften bei seinem zuständigen Vertreter der Kammer für Arbeiter und Angestellte.

Mit Schreiben vom 30. März 1994 beantwortete der Vertreter des Beschwerdeführers bei der Kammer für Arbeiter und Angestellte eine Anfrage des Arbeitsamtes dahingehend, daß der Beschwerdeführer durch den Vergleich über "S 20.000,-- netto bei eingeklagten S 43.138,21 an Provisionsdifferenz" unter "Berücksichtigung der Brutto-Netto-Verrechnung mit 3/4tel seiner Forderungen durchgedrungen" sei. Dies wurde mit einer inhaltlich an das Schreiben vom 1. April 1992 anknüpfenden Aufstellung der Entgeltbeträge für die Monate September 1991 bis Februar 1992 verbunden. Darin wurden die jeweils zeitraumbezogen um den "nicht erstrittenen Provisionsanteil" gekürzten Teilbeträge ausgewiesen, die der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde zu legen seien.

Am 27. Juni 1994 entsprach der ehemalige Dienstgeber des Beschwerdeführers dem Ersuchen des Arbeitsamtes um Übermittlung einer neuerlichen Arbeitsbescheinigung "unter Bedachtnahme des geschlossenen Vergleiches". Die nunmehr übermittelte Arbeitsbescheinigung unterschied sich von der ursprünglich ausgestellten nur dadurch, daß für den letzten angegebenen Entgeltabrechnungszeitraum (Februar 1992) ein gegenüber dem ursprünglich angegebenen Betrag um S 20.000,-- höheres "Bruttoentgelt inkl. Sonderzahlungsanteile" angegeben wurde.

Am 4. Juli 1994 langte beim Arbeitsamt eine dritte, mit "Korrektur" überschriebene und mit 30. Juni 1994 datierte Arbeitsbescheinigung des ehemaligen Dienstgebers des Beschwerdeführers ein. Die den einzelnen monatlichen Entgeltabrechnungszeiträumen zugeordneten Beträge entsprachen nun (auch für den Monat Februar 1992) wieder denjenigen in der ersten Arbeitsbescheinigung. Dem war unter Angabe des Gesamtzeitraumes vom 1. September 1991 bis 29. Februar 1992 (in der Spalte "Entgeltabrechnungszeitraum") der Betrag von "S 20.000,-- netto Nachforderung aus Dienstverhältnis" (in der Spalte "Bruttoentgelt inkl. Sonderzahlungsanteile") hinzugefügt worden. Hiezu wurden in Kopie auch zwei Schreiben des Rechtsvertreters des ehemaligen Dienstgebers des Beschwerdeführers vom 16. November 1993 übermittelt. Das erste, an den den Beschwerdeführer im Gerichtsverfahren vertretenden Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte gerichtete Schreiben lautete wie folgt:

"Ich beziehe mich auf das mit Ihnen am 16.11.1993 geführte Telefonat, in dem Sie sich als Vertreter des Herrn R.G. mit einem Nettovergleichsbetrag von S 20.000,-- bei Kostenaufhebung als einverstanden erklärt haben.

Meine Mandantschaft ist nunmehr bereit, den Betrag von

S 20.000,-- netto, aus dem Titel 'Abfertigung für

Dienstverhältnis', binnen 14 Tagen auf Ihr Konto ... zu bezahlen.

Mit Bezahlung dieses Vergleiches sind sämtliche

wechselseitigen Ansprüche aus dem Dienstverhältnis des Herrn G. zu

meiner Mandantschaft ein für allemal bereinigt und verglichen. Im

Verfahren ... des LG ... tritt durch Nichtbesuch der Verhandlung

vom 2.12.1993 ewiges Ruhen ein."

Mit dem zweiten Schreiben vom 16. November 1993 hatte der Rechtsvertreter des ehemaligen Dienstgebers diesem eine Durchschrift des eben wiedergegebenen Schreibens mit dem Ersuchen, den "Nettobetrag von S 20.000,-- (Abfertigung für Dienstverhältnis)" mit einer bestimmten, nur aus einer Aktenzahl und den Namen der Parteien bestehenden "Widmung" auf ein bestimmtes Konto der Kammer für Arbeiter und Angestellte anzuweisen, übermittelt.

Am 1. Juni 1995 teilte die (mit Weisungsersuchen vom 8. August 1994 befaßte) Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice der regionalen Geschäftsstelle mit, nach Auskunft der Gebietskrankenkasse seien "die Beitragsgrundlagen nicht geändert" worden.

Mit Bescheid vom 17. Juli 1995 stellte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 18. März 1992 bis 31. Mai 1992 (unter Berücksichtigung von Familienzuschlägen) mit täglich S 350,30 fest. Der Vergleichsbetrag von S 20.000,-- wurde dabei in der Wiedergabe des Sachverhaltes als "Provisionsdifferenz von S 20.000,-- netto" bezeichnet, in der Anspruchsberechnung aber als Bruttoentgelt gewertet.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid machte der Beschwerdeführer geltend, die Provisionsdifferenz von S 20.000,-- hätte in einen Bruttobetrag "umgerechnet" werden müssen. Hiezu wurde - im wesentlichen gleichlautend mit dem Schreiben vom 30. März 1994 - dargelegt, welche monatlichen Berechnungsgrundlagen sich daraus ergäben, daß der Beschwerdeführer im außergerichtlichen Vergleich mit 3/4 seiner Forderungen durchgedrungen sei.

Die belangte Behörde ersuchte den ehemaligen Dienstgeber des Beschwerdeführers - unter Vorhalt des Umstandes, daß in der berichtigten Arbeitsbescheinigung ein Nettobetrag angeführt worden sei, in einer Arbeitsbescheinigung aber die sozialversicherungspflichtigen Entgelte brutto anzugeben seien - um die Übermittlung einer Arbeitsbescheinigung mit den "richtigen Eintragungen". Der ehemalige Dienstgeber des Beschwerdeführers reagierte hierauf mit der Übermittlung einer vierten (inhaltlich der zweiten entsprechenden) Arbeitsbescheinigung, die beim Arbeitsmarktservice irrtümlich abgelegt wurde. Nach Erstattung einer Anzeige gemäß § 71 Abs. 1 AlVG verwies der ehemalige Dienstgeber des Beschwerdeführers darauf, daß er schon vier Arbeitsbescheinigungen übersandt habe und nicht bereit sei, weiteren Arbeitsaufwand auf sich zu nehmen.

Am 5. Juli 1996 beantwortete die belangte Behörde eine Urgenz des Beschwerdeführers in einem Schreiben an dessen Vertreter u. a. wie folgt:

"Gemäß § 46 Abs. 4 AlVG hat der Arbeitslose seinen Anspruch bei der regionalen Geschäftsstelle nachzuweisen. Er hat eine Bestätigung des Dienstgebers über die Dauer und Art des Dienstverhältnisses, über die Höhe des Entgeltes und über die Art der Lösung des Dienstverhältnisses beizubringen.

Das Bemühen der hsg. Landesgeschäftsstelle, die Arbeitsbescheinigung von der Firma einzuholen, war somit nur ein Entgegenkommen, zumal es bekannt ist, daß ehemalige Mitarbeiter einer Firma insbesondere dann, wenn sie gegen diese ein Verfahren anstrengten, nur schwer die nötigen Unterlagen erhalten.

Da Sie offensichtlich diese Hilfestellung falsch deuten, fordern wir daher Sie bzw. Herrn G. auf, seinen Anspruch ehestmöglich nachzuweisen und die entsprechende Arbeitsbescheinigung von seinem ehemaligen Dienstgeber vorzulegen.

Nach Eintreffen der Arbeitsbescheinigung wird die Berufungsentscheidung im dafür zuständigen Ausschuß getroffen werden.

Es darf noch darauf hingewiesen werden, daß es überhaupt nie zu einem zeitaufwendigen Verfahren gekommen wäre, wenn Herr G. von vornherein eine ordnungsgemäß ausgefüllte Arbeitsbescheinigung vorgelegt hätte bzw. seiner Verpflichtung zur Vorlegung derselben nachgekommen wäre."

Der Vertreter des Beschwerdeführers replizierte hierauf mit einem Hinweis auf die Verweigerung einer (gemeint: im Sinne der ausschließlichen Angabe von Bruttobeträgen) korrigierten Arbeitsbescheinigung durch den früheren Dienstgeber des Beschwerdeführers, auf die vorgelegte "gerichtliche Vergleichsausfertigung" und die Amtswegigkeit des Verfahrens.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Sie stützte diese Entscheidung auf die schon im Schreiben vom 5. Juli 1996 zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht. Die wesentlichen Ausführungen hiezu lauten im angefochtenen Bescheid wie folgt:

"Wie aus dem gesamten Sachverhalt hervorgeht, wiesen Sie Ihren behaupteten Anspruch auf Arbeitslosengeld in der von Ihnen begehrten Form nicht nach. Zum einen gibt es überhaupt keinen gerichtlichen Vergleich, ja Sie legten trotz entsprechender mehrmaliger Aufforderung auch keinen außergerichtlichen Vergleich vor. Es ging bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leoben lediglich ein Schreiben eines Anwaltes an die Firma W. bzw. an die Arbeiterkammer Leoben ein, wonach Ihnen an Abfertigung der Betrag von S 20.000,-- netto gezahlt wurde.

Demnach gibt es überhaupt keinen wie immer gearteten von Ihnen erbrachten Nachweis, daß Sie einerseits tatsächlich nur Provisionen (und auch Urlaubsabfindung sowie Schadenersatz) einklagten und nicht vielleicht das Verfahren auch noch auf Bezahlung einer Abfertigung ausgedehnt wurde, daß es sich also bei dem Nettobetrag von S 20.000,-- tatsächlich um einen Betrag handelt, der als laufendes Entgelt einschließlich anteilsmäßiger Sonderzahlungen zu werten und für die Bemessung der Lohnklasse heranzuziehen ist. Ihren Anspruch hätten jedoch Sie gemäß § 46 Abs. 4 AlVG nachweisen müssen.

Wenngleich bei der Feststellung von Ansprüchen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz auch der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens gilt, also die Behörde verpflichtet ist, den Sachverhalt von Amts wegen festzustellen, so geht diese Amtswegigkeit entsprechend den angeführten Bestimmungen nur soweit, als der Antragsteller nicht von sich aus die Beweise vorlegen muß bzw. es der Behörde auch möglich ist, eine Würdigung der vorliegenden Beweismittel vorzunehmen.

Im gegenständlichen Verfahren kamen weder Sie Ihrer Verpflichtung nach noch Ihr ehemaliger Dienstgeber, dessen Pflicht es gewesen wäre, den Nettobetrag eindeutig zuzuordnen (ob Abfertigung, Urlaubsentschädigung, Schadenersatz oder Provision) und den Bruttobetrag (für den er natürlich auch soziale Abgaben zu leisten gehabt hätte, was er offensichtlich nicht tat) anzuführen.

Da es jedoch mangels Mitwirkung von Ihrer Seite nicht zu weiteren, kostspieligen Verfahren kommen kann (weitere Ermittlungen würden dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit und der Kostengünstigkeit widersprechen), und es auch nicht Aufgabe der Berufungsbehörde ist, aufgrund einander widersprechender Unterlagen eine Netto-Brutto-Berechnung durchzuführen, geht die Berufungsbehörde davon aus, daß die von Ihrem ehemaligen Arbeitgeber zuletzt ausgestellte Arbeitsbescheinigung der Richtigkeit entspricht und Ihnen im Monat Februar 1992 einschließlich anteilsmäßiger Sonderzahlungen der von der Firma auf der Arbeitsbescheinigung ausgewiesene Bruttobetrag zugestanden war."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde meint in der Gegenschrift, sie sei "keineswegs verpflichtet, einen nicht zuordenbaren Nettobetrag aufgrund einer Klage, die u.a. auch Schadenersatzforderungen enthält, in irgendeiner Form 'um- oder hochzurechnen'", vom Beschwerdeführer sei "nicht einmal der erwähnte 'außergerichtliche Vergleich' vorgelegt worden", und sein Anspruch wäre "bei gänzlicher Verneinung des Nettobetrages als sozialversicherungspflichtiges Entgelt" (gemeint: bei Wertung des Betrages als Abfertigung) richtigerweise niedriger als in der erstinstanzlichen Entscheidung festzustellen gewesen, was "wohl auch im Zuge einer eventuell erforderlichen neuerlichen Entscheidung zu geschehen haben wird".

Diesen Ausführungen und der Bescheidbegründung der belangten Behörde ist zunächst entgegenzuhalten, daß schon der Behörde erster Instanz sowohl die Mahnklage (und ein auf die Bestreitung des Begehrens replizierender Schriftsatz) als auch das Schreiben vom 16. November 1993 vorlag, mit dem der Rechtsvertreter des ehemaligen Dienstgebers des Beschwerdeführers dem telefonischen Vorschlag zu einem außergerichtlichen Vergleich zugestimmt hatte. Fehlt es in einem solchen Fall an einer Widmung der pauschalen Vergleichssumme durch die Parteien, so ist der Vergleichsbetrag den zuletzt strittigen Forderungen anteilig zuzuordnen (zutreffend Strohmayer in seiner Anmerkung zum Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0058, Slg. Nr. 13.383/A, in ZAS 1992, 205). In bezug auf Widmungen der Vergleichssumme im Text eines Vergleiches vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß einerseits bloße - etwa der Beitragsvermeidung dienende - Fehlbezeichnungen unbeachtlich sind, andererseits die Parteien in dem Umfang, in dem die zwischen ihnen strittigen Ansprüche tatsächlich teils aus beitragspflichtigen, teils aus beitragsfreien Beträgen bestehen, im Vergleich darüber disponieren können, wie die Vergleichssumme diesen Ansprüchen zuzuordnen ist. Es steht ihnen auch frei, in einen der Beendigung eines Gerichtsverfahrens dienenden gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich nicht nur Nebenforderungen wie etwa die Kosten des Verfahrens, sondern auch weitere, den Gegenstand eines anderen Verfahrens bildende oder noch nicht gerichtsanhängige Forderungen einzubeziehen (vgl. zur beitragsrechtlichen Beachtlichkeit derartiger Dispositionen, teils im Zusammenhang mit der Verlängerung der Pflichtversicherung nach § 11 Abs. 2 ASVG, teils auch im Zusammenhang mit Ansprüchen nach dem AlVG, im Anschluß an das von Strohmayer besprochene Erkenntnis etwa die Erkenntnisse vom 8. Oktober 1991, Zl. 90/08/0094, vom 31. Jänner 1995, Zl. 93/08/0271, vom 7. Februar 1996, Zl. 94/08/0122, vom 3. September 1996, Zl. 96/08/0022, und vom 16. September 1997, Zl. 93/08/0272). Entscheidend dafür, ob die in den beiden Schreiben vom 16. November 1993 vom Vertreter des damaligen Prozeßgegners des Beschwerdeführers gewählte Bezeichnung "Abfertigung für Dienstverhältnis" im Sinne der dargestellten Rechtsprechung bloß eine Fehlbezeichnung war oder ob sie - im Falle des Einverständnisses des Beschwerdeführers und somit als Teil der Einigung - als Widmung des Vergleichsbetrages zumindest teilweise beachtlich sein konnte, mußte daher die Frage sein, ob gesetzliche oder vertragliche Abfertigungsansprüche zwischen dem Beschwerdeführer und seinem früheren Dienstgeber überhaupt strittig (wenn auch nicht notwendigerweise klagsgegenständlich) gewesen waren.

Über die (einseitige) Titulierung der Vergleichssumme hinausgehende Sachverhaltselemente, aus denen dies geschlossen werden könnte, sind weder den Feststellungen der belangten Behörde noch den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens entnehmbar:

Die Mahnklage des Beschwerdeführers war zwar mit einem geringfügigen Teilbetrag auf die Zahlung einer Urlaubsabfindung und somit eines gemäß § 49 Abs. 3 Z. 7 ASVG in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, nicht als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG geltenden Betrages gerichtet, der gemäß § 21 Abs. 1 AlVG in der Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996 auch der Bemessung des Arbeitslosengeldes nicht zugrunde zu legen war. Eine Abfertigung (für die das Gleiche gegolten hätte) wurde aber nicht begehrt, und es enthält auch weder die Klage noch der vorbereitete Schriftsatz des Beschwerdeführers ein Vorbringen, das auf die Möglichkeit eines (gesetzlichen oder vertraglichen) Abfertigungsanspruches oder einen Streit hierüber hingewiesen hätte. Auch die Schreiben vom 16. November 1993 enthielten - abgesehen von der Titulierung der Vergleichssumme als solcher - keinen Hinweis auf eine vorangegangene Auseinandersetzung über solche Ansprüche. Der Beschwerdeführer hatte in dem Schriftsatz seines Vertreters, mit dem die angesichts des Vergleiches seines Erachtens richtigen Bemessungsgrundlagen im einzelnen dargestellt worden waren, und in der Berufung ausdrücklich behauptet, bei der Vergleichssumme handle es sich um einen Teil der eingeklagten Provisionsdifferenz (wobei die vergleichsweise geringfügigen, die Urlaubsabfindung und einen Abzug von der Entgeltsabrechnung betreffenden Teile des Klagebegehrens stillschweigend vernachlässigt wurden; die mit 30. März 1994 datierte und inhaltlich in die Berufung übernommene Berechnung scheint - in Verbindung mit der ihr zugrunde gelegten Eingabe vom 1. April 1992 einerseits und gemessen an der Arbeitsbescheinigung andererseits - aber auch Differenzbeträge einzubeziehen, die gar nicht klagsgegenständlich geworden waren). Von einer Abfertigung war auch in den Arbeitsbescheinigungen, in denen der Vergleichsbetrag zunächst (und zuletzt wieder) dem Bruttoentgelt für Februar 1992 zugeschlagen oder unter Angabe des Zeitraumes September 1991 bis Februar 1992 als "netto Nachforderung aus Dienstverhältnis" bezeichnet worden war, nicht die Rede gewesen. Aus den Arbeitsbescheinigungen ging weiters auch hervor, daß der Beschwerdeführer bei seinem früheren Dienstgeber nur verhältnismäßig kurz (nämlich seit 15. März 1990) beschäftigt gewesen war. In einem Schriftsatz vom 24. April 1996 in dem aufgrund der Anzeige der belangten Behörde eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren hatte der frühere Dienstgeber des Beschwerdeführers den Vergleichsbetrag als "NZlg. aufgrund des Arbeitsprozesses" bezeichnet (eine Kopie dieses Schreibens befindet sich im Akt der belangten Behörde).

Die belangte Behörde tritt dem Beschwerdeführer - gestützt bloß auf die Titulierung der Vergleichssumme in den beiden Schreiben vom 16. November 1993 - im angefochtenen Bescheid jedoch mit dem Argument entgegen, er habe "keinen wie immer gearteten ... Nachweis" dafür erbracht, daß er "nicht vielleicht das Verfahren auch noch auf Bezahlung einer Abfertigung ausgedehnt" hatte. Die daraus abzuleitende Annahme der belangten Behörde, derartiges könnte stattgefunden haben, ist dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren - im besonderen auch im Schreiben vom 5. Juli 1996 - aber nicht vorgehalten worden. Aus dem Unterbleiben einer Vorlage weiterer Aktenstücke aus dem Gerichtsverfahren, aus denen sich der am 2. Dezember 1993 aktuelle Streitwert ergeben hätte, ist für eine Beweiswürdigung zum Nachteil des Beschwerdeführers schon deshalb nichts zu gewinnen.

Dies wird der in der Gegenschrift angekündigten Absicht der belangten Behörde, im Falle einer Bescheidaufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof mit "gänzlicher Verneinung des Nettobetrages als sozialversicherungspflichtiges Entgelt" vorzugehen, vorerst entgegenstehen. Dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Annahme, beim verglichenen Betrag habe es sich um eine Abfertigung gehandelt, trotz der scheinbar darauf abzielenden Begründungselemente gar nicht zugrunde gelegt. Im Anschluß an die diesbezüglichen Ausführungen und die noch zu erörternden Ausführungen zur Frage einer Netto-Brutto-Berechnung hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung vielmehr - zur Vermeidung weiterer Schwierigkeiten - die Annahme zugrunde gelegt, die vom ehemaligen Dienstgeber des Beschwerdeführers "zuletzt ausgestellte" Arbeitsbescheinigung entspreche "der Richtigkeit" und dem Beschwerdeführer sei im Februar 1992 der auf dieser Arbeitsbescheinigung ausgewiesene Bruttobetrag zugestanden.

Diese Annahme steht nicht nur zu der These im Widerspruch, der Vergleichsbetrag könnte eine (nicht als Entgelt in die Arbeitsbescheinigung aufzunehmende) Abfertigung gewesen sein. Sie widerspricht auch der während des Verwaltungsverfahrens unstrittigen und u.a. in den beiden Schreiben vom 16. November 1993 sowie von der belangten Behörde selbst in ihrer Bescheidbegründung erwähnten Tatsache, daß es sich bei der Summe von S 20.000,-- um einen Nettobetrag handelte. Darüber hinaus wird auch mit Stillschweigen über die Arbeitsbescheinigung vom 30. Juni 1994 hinweg gegangen, in der der frühere Dienstgeber des Beschwerdeführers die Arbeitsbescheinigung vom 27. Juni 1994 dahingehend korrigiert hatte, daß der Betrag von "S 20.000,-- netto" einer auf den Gesamtzeitraum vom September 1991 bis Februar 1992 zu beziehenden Nachforderung aus dem Dienstverhältnis entsprochen habe (und nicht Bestandteil des Bruttoentgelts für Februar 1992 gewesen sei). Bei der "zuletzt ausgestellten" Arbeitsbescheinigung vom Oktober 1995, auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, handelt es sich um diejenige (beim Arbeitsmarktservice versehentlich abgelegte und daher in der Strafanzeige vom 27. November 1995 nicht berücksichtigte), mit der der frühere Dienstgeber des Beschwerdeführers auf die Aufforderung der belangten Behörde reagiert hatte und die inhaltlich - ohne Begründung hiefür - der Arbeitsbescheinigung vom 27. Juni 1994 (und nicht der vom 30. Juni 1994) entsprach, wohingegen das der belangten Behörde ebenfalls vorliegende Schreiben vom 24. April 1996 in bezug auf die Vergleichssumme wieder auf den "Arbeitsprozeß" verwiesen hatte. Die Annahme, der Vergleichsbetrag sei Bruttoentgelt für den Monat Februar 1992 gewesen, ist daher nicht schlüssig begründet, wobei noch hinzuzufügen ist, daß die belangte Behörde ihre Strafanzeige gegen den früheren Dienstgeber des Beschwerdeführers noch am 24. Juni 1996 mit der ausdrücklichen Begründung aufrecht erhalten hatte, die Arbeitsbescheinigung vom Oktober 1995 sei unrichtig, weil darin wie in der Arbeitsbescheinigung vom 27. Juni 1994 "einfach der Nettobetrag von S 20.000,-- ... als Bruttolohn für Februar 1992 ... ausgewiesen" worden sei. Eine Änderung der Beweislage war danach nicht mehr eingetreten.

Ließ sich keine der einander ausschließenden und dem Vorbringen des Beschwerdeführers jeweils widersprechenden Annahmen, beim Vergleichsbetrag habe es sich um eine Abfertigung oder um Bruttoentgelt für Februar 1992 gehandelt, schlüssig begründen, so hätte die belangte Behörde den Vergleichsbetrag nach den zuvor dargestellten Grundsätzen den Bestandteilen der vom Beschwerdeführer im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltend gemachten Klagsforderung anteilig zuordnen und das den entgeltsrelevanten Teilen der in dieser Weise zergliederten Vergleichssumme jeweils entsprechende Bruttoentgelt (vgl. in einem ähnlichen Zusammenhang § 21 Abs. 6 letzter Satz AlVG) der ergänzenden Berechnung des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum, für den der Beschwerdeführer darauf Anspruch hatte, zugrunde legen müssen.

Die Ansicht der belangten Behörde, derartige Denk- und Rechenoperationen seien nicht ihre Aufgabe, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Die im einzelnen unklaren und widersprüchlichen Ausführungen der belangten Behörde hierüber und über eine Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Beschwerdeführer scheinen im Ergebnis darauf hinauszulaufen, daß ein Arbeitsloser bei Weigerung seines früheren Dienstgebers, Berechnungen der beschriebenen Art für das Arbeitsmarktservice anzustellen, nicht einmal durch eigene Berechnungen (wie sie der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall vorgelegt hat) seiner Nachweispflicht genügen könnte, solange es ihm nicht gelänge, das Ergebnis dieser Berechnungen auf einer vom früheren Dienstgeber unterzeichneten Arbeitsbescheinigung darzubieten. Das würde voraussetzen, daß das Arbeitsmarktservice in bezug auf die in der Arbeitsbescheinigung anzugebenden Bemessungsgrößen nur den Inhalt der Arbeitsbescheinigung zu berücksichtigen hat. Aus § 46 Abs. 4 AlVG ist dies aber nicht abzuleiten.

Da die belangte Behörde - abgesehen von den aufgezeigten Begründungsmängeln - zumindest in dem zuletzt genannten Punkt auch die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Jänner 1999

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